Altersvorsorge ad absurdum? Wirtschaftsforscher schlagen den „Boomer-Soli“ vor – einen Abzug von höheren Renten zugunsten niedriger. Unser Autor sagt: „Das ist kalte Enteignung!“
Nehmt den Reichen und gebt es den Armen. Das klingt immer gut. Und tatsächlich steckt dieses Robin-Hood-Prinzip im deutschen Steuerrecht. Wer viel Geld einnimmt, zahlt mehr als jene, die weniger Einkommen haben. Starke Schultern tragen mehr als schwächere, leisten einen höheren Beitrag zur Gemeinwohlfinanzierung. Das kann sich von Jahr zu Jahr ändern und ist deshalb grundsätzlich in Ordnung.
Nicht in Ordnung ist, nach diesem Prinzip auch in der Altersvorsorge vorzugehen. Die Wirtschaftsweisen schlagen vor, von höheren Renten zu nehmen, um niedrigere zu erhöhen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht noch einen Schritt weiter, will sämtliche Einkünfte von Ruheständlern mit einer Abgabe belegen, um schmale Renten zu erhöhen. „Boomer-Soli“ nennt das DIW seinen Vorstoß, der nichts anderes als eine zusätzliche Besteuerung sämtlicher Alterseinkünfte wäre: auf Renten, Pensionen, Betriebs- und Versorgungsrenten, private Versicherungen, Riester-Renten, Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen.
„Boomer-Soli“: Altersvorsorge wie im Sherwood Forest?
Wer sich also für den Ruhestand einigermaßen tragfähige „Schultern“ erarbeitet und angespart hat, soll nun einen Teil davon wieder abgeben. An jene, die genau das nicht getan haben, warum auch immer. Mit Verlaub, liebe DIW-Forscher, das ist nicht Robin Hood, das wäre das Ende des Leistungsprinzips in der sozialen Marktwirtschaft. Damit könnten wir das deutsche Erfolgsmodell ad acta legen.
Wer die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung ernsthaft angehen will, sollte von Lebensleistung nicht nachträglich etwas abgreifen, sondern sich mit deren Ursprung beschäftigen. Etwa mit der hohen Teilzeitquote, insbesondere bei Frauen. Oder der Ausweitung des Niedriglohnbereichs. Oder mit der schwächelnden Produktivität. Meinetwegen auch mit einer staatlich organisierten, kapitalgedeckten Finanzierungsquelle für Renten neben der Umlage.
Boomer haben Anspruch auf die Rente
Umverteilung unter denen, die an ihrer wirtschaftlichen Situation nichts mehr aus eigener Arbeitskraft heraus ändern können, ist der falsche Weg. Und es ist auch keine Antwort auf den demografischen Wandel. Ja, es muss noch gut 20 Jahre der hohe Boomer-Berg finanziert werden, zunehmend aus Steuermitteln, sofern man die aktiven Sozialpartner nicht höher belasten will.
Darauf haben die Boomer einen berechtigten Anspruch. Und darauf hat die Sozialpolitik seit 25 Jahren bereits massiv reagiert: mit der Absenkung des Rentenniveaus, mit zeitweiligen Nullrunden bei der Rentenentwicklung, mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters respektive satten Abschlägen – alles auch zulasten der Boomer. Im OECD-Vergleich sind deutsche Renten mittlerweile unterdurchschnittlich. Zugleich steigt die Besteuerung von Renteneinkünften stetig. Fast ein Drittel der Ruheständler ist bereits steuerpflichtig.
Verschwiegen hat die Sozialpolitik diese Entwicklung immerhin nicht. Im Gegenteil. Sie hat zur privaten und betrieblich organisierten Altersvorsorge aufgerufen. Diese über die bereits bestehende Besteuerung und Sozialabgabenpflicht hinaus mit einem „Boomer“-Soli zu belegen, wäre schlicht eine kalte Enteignung.