Queeres Leben: Queere Demonstrationen zwischen Sichtbarkeit und Sicherheit

In vielen Thüringer Städten gibt es 2025 Christopher-Street-Day-Demos. Erstmals ziehen Lesben, Schwule und andere queere Menschen auch durch Nordhausen. Wie ist es um ihre Sicherheit bestellt?

Mindestens neun Christopher-Street-Day-Demonstrationen (CSD) soll es in diesem Jahr in Thüringen geben. Nach Pößneck und Jena werden am Samstag erstmals auch in Nordhausen Teilnehmende mit bunten Flaggen für mehr Sichtbarkeit der queeren Community durch die Stadt ziehen. 

Gegenveranstaltungen sind bislang laut Landratsamt Nordhausen bislang nicht angemeldet. Doch zumindest ein latentes Unsicherheitsgefühl schwingt inzwischen bei vielen CSD-Veranstaltungen mit, wie Matthias Gothe von „Vielfalt Leben – QueerWeg Verein für Thüringen“ sagt.

Beunruhigende Beobachter am Demo-Rand

„Wir erleben das immer wieder und bei fast jedem CSD, auch wenn keine Gegenveranstaltungen angemeldet sind, dass Leute am Rand stehen, dunkel gekleidet sind, Shirts mit rechten Parolen tragen und uns beobachten oder Queer-Feindliches rufen“, so Gothe. Auch im Netz würde Diskriminierung laut. Etwa unter Social-Media-Beiträgen der CSD-Organisatoren in Mühlhausen würde zu Gegendemos aufgerufen und Hasskommentare würden verbreitet. 

„Queere Menschen fragen sich akut: „Wie kann ich mein Leben in Thüringen noch sicher gestalten?“.“ Das beschäftige vor allem auch Menschen im ländlichen Raum, die nicht in der Anonymität einer Großstadt lebten, so Gothe. Gleichzeitig betonte er, dass die Vielzahl der CSD-Veranstaltungen in Thüringen ein gutes Zeichen sei: „Queere Menschen werden vor Ort aktiv: Sie sagen: „Wir leben in unsicheren Zeiten und gerade deshalb zur Sichtbarkeit beitragen“.“

Keine konkreten Gegendemos bekannt, aber Störpotenzial da

Seitens des Innenministeriums hieß es zwar, dass keine Erkenntnisse zu konkret geplanten Aktivitäten von Rechtsextremisten gegen die einzelnen CSD-Versammlungen in Thüringen vorlägen. Allerdings sei der geplante CSD in Nordhausen bereits von der rechtsextremistischen Szene öffentlich und in abwertender Weise thematisiert worden, antwortete das Ministerium auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss. Das Ministerium geht auch aufgrund von gegen CSD-Events gerichteten Aktionen im Jahr zuvor davon aus, dass die rechte Szene zu Gegenversammlungen mit Störungspotenzial mobilisieren wird.

Die Linken-Politikerin König Preuss erkundigte sich in ihrer Anfrage auch nach gegen queere Menschen gerichtete Vorfälle. Elf Straftaten in diesem Bereich der Hasskriminalität wurden der Antwort nach in diesem Jahr in Thüringen bislang offiziell erfasst. Das Innenministerium räumt darin aber ein, dass es dabei um vorläufige und nicht „qualitätsgeprüfte“ Erkenntnisse handle. 

Höhere Dunkelziffer vermutet

Sowohl Gothe als auch König-Preuss gehen von einer deutlich höheren Dunkelziffer bei solchen Straftaten aus. Gründe dafür seien vielfältig, so König-Preuss. Betroffene solcher Taten hätten mitunter Angst vor weiterer Diskriminierung infolge einer Anzeige. Zudem fehlte ihnen teils das Vertrauen in die staatlichen Institutionen, was etwa die Ernsthaftigkeit der Bearbeitung der Fälle angehe. Problematisch sei auch, dass solche Straftaten nicht konsequent statistisch erfasst würden, bemängelt Gothe. Auch König-Preuss sagt, dass solche Taten nicht immer von Polizei und Justiz als queer-feindlich anerkannt und entsprechend eingeordnet würden. 

Derweil betonte das Innenministerium in der Antwort an König-Preuss, dass auch queere Menschen in Thüringen sicher leben könnten. Allerdings sei „eine zunehmende Sensibilität hinsichtlich des eigenen und der Ablehnung anderer Lebensstile zu verzeichnen“.

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