Ein Jahr MP Schweitzer: „Junge vom Dorf“ ist ein Jahr Chef der „guten Ampel“

Nach seinem Amtsantritt vor einem Jahr prägte Schweitzer dieses Bonmot über seine Koalition mit Grünen und FDP. Wo steht der Sozialdemokrat acht Monate vor der Landtagswahl?

Alexander Schweitzer ist in Rheinland-Pfalz allgegenwärtig: Im ersten Jahr als Ministerpräsident fuhr er rund 95.000 Kilometer durchs Land und nahm ungefähr 1.500 Termine wahr, wie die Staatskanzlei ausgerechnet hat. Dazu kamen noch Termine für seine SPD und eine Reise nach Rom, bei der sich der Pfälzer mit einer Papst-Audienz einen Kindheitstraum erfüllen könnte. 

„Das war das intensivste Jahr meines Lebens“, sagt der 51-Jährige und kündigt sogleich an, genauso weiter machen zu wollen. 

Schweitzer will mehr als 30 Jahre SPD-Regierung fortsetzen 

Schweitzer will die Landtagswahl am 22. März gewinnen und würde am liebsten die inzwischen in Deutschland einzigartige Koalition der SPD mit Grünen und FDP in seinem Bundesland fortsetzen. 

Bei den Wählern ist der nahbare 2,06 Meter große Sozialdemokrat aber noch nicht so bekannt wie seine Vorgängerin Malu Dreyer.

Zu deren Nachfolger wurde Schweitzer mitten in der Legislaturperiode gewählt, am 10. Juli 2024. Der Zeitpunkt galt als optimal, damit sich der ehemalige Arbeits-, Sozial- und Digitalisierungsminister in rund 20 Monaten Regierungsarbeit in Stellung bringen kann. Ist das gelungen?

Die „gute Ampel“ steht

„Die Bewährung war das Klimaschutzgesetz“, sagt Politikwissenschaftler Uwe Jun über Schweitzers erstes Jahr als Regierungschef. Wirtschaft und Gewerkschaften liefen dagegen Sturm, in der Ampel-Koalition gab es unterschiedliche Auffassungen. In letzter Minute noch einmal abgeändert, wurde es kurz vor der Sommerpause verabschiedet. „Jetzt ist es wichtig, ob die Akzeptanz der Wirtschaft steigt“, sagt Jun. 

Alexander Schweitzer hat den Stil des Moderierens und Zusammenführens der Parteien im Hintergrund von Malu Dreyer übernommen“, stellt der Forscher aus Trier fest. Auch die Ministerwechsel in seiner Amtszeit seien weitgehend geräuschlos über die Bühne gegangen. 

Die Schweitzer aus Juso-Tagen bekannte Dörte Schall folgte ihm in seinem Ministerium nach. Philipp Fernis wurde Nachfolger des überraschend gestorbenen Justizministers Herbert Mertin (beide FDP), und Sven Teuber rückte nach dem Wechsel von Stefanie Hubig (beide SPD) ins Bundeskabinett im für Schweitzer zentralen Bildungsressort nach. 

Rückenwind aus Berlin fehlt weiterhin 

Auch das hochumstrittene Jagdgesetz ging im Parlament nach gemeinsam verabredeten Änderungen der drei regierungstragenden Fraktionen durch. Anders als in einer Reihe anderer Bundesländer, die noch an der Jagdgesetzgebung basteln oder sogar eine Novelle nach langen Querelen zurückziehen mussten. 

„Die Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz steht“, sagt Jun. Mitten in der Hochphase der Streitereien in der Bundes-Ampel hatte Schweitzer kurz nach seinem Amtsantritt beim Landesfest in der Bundeshauptstadt festgestellt: „Wir sind die rheinland-pfälzische Ampel. Wir sind die gute Ampel.“ Was bedeutet das? „Wir stehen für eine Regierung, die zusammenhält und wir stehen für ein Land, das zusammenhält.“ 

Mit Blick auf die Bundes-SPD und die neue schwarz-rote Koalition wünscht sich Schweitzer auch mehr Einigung hinter den Kulissen und weniger öffentlichen Streit wie aktuell in der Frage um die Senkung der Stromsteuer. 

„Der Junge vom Dorf“, wie sich Schweitzer selbst immer wieder nennt, ist zunehmend in der Bundes-SPD präsent: Beim Parteitag wurde der Pfälzer mit mehr als 95 Prozent zum stellvertretenden Chef gewählt, und er nimmt immer wieder gerne zu bundespolitischen Themen Stellung. „In der Bundespartei gilt er inzwischen auch als aufstrebende Kraft“, stellt Wissenschaftler Jun fest. 

Kann Schweitzer auf den Amtsbonus setzen?

„Er hat seine Bekanntheit im Land erhöht“, sagt der Politologe. „Sein Herausforderer Gordon Schnieder ist noch wesentlich weniger bekannt.“ Schnieders CDU liegt jedoch in Umfragen auch im Land deutlich vor der SPD. 

Über den Amtsbonus und seine Popularität könnte es Schweitzer dennoch schaffen, wie zuvor auch Malu Dreyer, sagt Jun. „Allerdings fehlt nach wie vor der Rückenwind der SPD aus Berlin.“ Die SPD sackte im ARD-Deutschlandtrend gerade auf ein Fünf-Jahres-Tief von 13 Prozent ab.

Problem: prekäre Finanzlage der Kommunen

Die Kommunen in Rheinland-Pfalz gehören weiterhin zu den am höchsten verschuldeten in Deutschland. Auch das Thema geht Schweitzer offensiv an, mit einer überraschend kräftigen Finanzspritze und konkreten Erwartungen an den Bund – etwa in der Frage der ständig steigenden Sozialkosten und dem Konnexitätsprinzip (Wer bestellt, bezahlt). Dabei sucht er den Schulterschluss mit anderen Ministerpräsidenten. 

„Die Kommunen in Rheinland-Pfalz stehen bundesweit finanziell alles andere als rosig da. Eine Entschuldung ist sehr wichtig für sie, um handlungsfähiger zu werden“, betont Jun. Das weiß auch die oppositionelle CDU, die das Thema schon lange für sich entdeckt hat. 

FDP wackelt 

Mit der „guten Ampel“ wird es im nächsten Jahr aktuellen Umfragen zufolge aber vorbei sein: „Ob es für eine neue Ampel-Koalition reicht, ist mehr als fraglich, weil es für die FDP mit Blick auf die Landtagswahl derzeit alles andere gut aussieht“, bringt es Jun auf den Punkt. 

„Die FDP kann Teilen ihrer Wähler die Koalition nicht positiv vermitteln, und die FDP im Bund gibt kein gutes Bild ab. Für (Parteichefin und Spitzenkandidatin) Daniela Schmitt ist das sehr schwer zu kompensieren.“ Mit den Grünen allein wird es aller Voraussicht nach nicht für eine Koalition reichen. „Ein zentrales Ziel von Alexander Schweitzer wird es sein, die SPD vor die CDU zu bringen“, sagt Jun. 

CDU signalisiert Nähe, spart aber auch nicht mit Kritik

Aus der größten Oppositionspartei gibt es schon Avancen: CDU-Landes- und Fraktionschef Gordon Schnieder betont: „Im politischen Geschäft sind Autorität und gegenseitiger Respekt ebenso wichtig wie Augenhöhe und der ordentliche Umgang miteinander. Das Jahr hat gezeigt, dass das möglich ist.“

Schnieder sieht den Ministerpräsidenten allerdings durchaus auch kritisch: „Es gibt aber ebenso Anhaltspunkte, dass Alex Schweitzer die eigene Macht wichtiger ist, als das Land.“ Dagegen werde die Union immer intervenieren und ein waches Auge haben.

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