Einer gegen Trump: Der spanische Ministerpräsident will die Militärausgaben nicht wie gefordert erhöhen. Unsere Kolumnistin atmet laut auf.
Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Ein Satz, der in meiner Jugend sagbar war, ohne dass man als träumerischer Pazifist abgetan worden wäre. Meine Familie kommt aus einem europäischen Land, dem ehemaligen Jugoslawien, in dem viele Menschen erlebt haben, wie der Krieg trotzdem kommen kann, auch wenn du nicht hingehst.
Mir war früh klar, wie utopisch der Satz klingt, und doch will ich ihn manchmal denken dürfen. Man kann beides gleichzeitig tun: Realistisch auf aktuelle Gefahren reagieren und dennoch die Idee eines besseren Miteinanders nicht aufgeben.
Ich habe den Eindruck, das geht für viele nicht mehr: Entweder bist du für Aufrüstung und ein starkes Europa gegen Russland – oder du kämpfst für deinen Traum von einer friedlicheren Welt. Geopolitische Argumentationen wirken derzeit zwingend; wer widerspricht, wird zum Gegner gemacht. Verständlich, angesichts der Bedrohungen, doch auch das ein Unfrieden.
Vergangene Woche trafen sich die Nato-Staaten rund um Donald Trump, um seiner Forderung nach einem Fünf-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben stattzugeben. Im Netz veröffentlichte Trump eine Textnachricht, die er von Mark Rutte erhalten hatte. Sie sich liest wie: Wir haben wieder einen König! Oh Donald, my Donald! Alle verbeugen sich vor einem Mann, der gerade Immigranten deportieren lässt, als wäre derzeit wirklich alles egal. In diesem devoten Miteinander wagt der spanische Regierungschef Sanchez ein Nein: Spanien werde das Fünf-Prozent-Ziel in naher Zukunft nicht erreichen. Er sagte, er müsse in seinem Land auch für Bildung, Gesundheit und die Bevölkerung sorgen.
Was bleibt vom Frieden, wenn nur noch Krieg zählt?
Ich hörte mich laut aufatmen, einfach weil jemand Big Donald widerspricht. Trumps Erpressungskultur wird derzeit einfach hingenommen. Er will fünf Prozent? Kein Problem! Robert Habeck wurde für seine Forderung nach 3,5 Prozent noch fertiggemacht. Je länger dieser Krieg Russlands gegen die Ukraine andauert, je länger wir medial nur noch geostrategische Fragen diskutieren, desto weiter entfernen wir uns von unserer kulturellen Identität, die wir gegen die Autoritären verteidigen wollen.
Alle machen sich klein vor Trump, weil das angeblich klug sei. Trump droht Spanien umgehend mit Handelskrieg – eine illegale Praxis übrigens. Sanchez bleibt dabei, er werde nicht mehr für das Militär als die Bildung ausgeben. Er verschweigt natürlich, dass er auch keine Mehrheit im Parlament dafür hätte. Ich lese Kommentare von Spaniern, die stolz darauf sind, vor Trump nicht in die Knie zu gehen. Sie sehen die Not, fordern aber auch gute Schulen für ihre Kinder sowie ein gutes Gesundheitssystem für die Älteren und Kranken.
Befürworter des Fünf-Prozent-Ziels sagen: Wenn wir uns im Notfall nicht verteidigen können, ist ohnehin alles kaputt. Zwingend logisch, ja. Doch ist Diskussion nicht das Wesen des demokratischen Miteinanders? Spanien hat mit seiner Haltung eine Möglichkeit eröffnet, über Verteidigungsziele zu reden, aber auch über das, was in Zukunft kaputtgespart werden könnte. Was parallel aufgebaut werden müsste.
Es gibt eine nicht belegte Anekdote über Winston Churchill. Er soll aufgefordert worden sein, Kulturausgaben zugunsten der Verteidigungsausgaben zu kürzen. „Und für was kämpfen wir dann?“, soll er entgegnet haben. Gleich ob die Geschichte stimmt oder nicht, ihr Kern fragt nach unserem Kern. In Zeiten des Krieges gehört auch das zur Verteidigung. Wofür kämpfen wir, und was wollen wir nicht verlieren? Das Recht des Stärkeren kann doch nicht alles sein.