Die Jury hat den US-Rapper Sean „Diddy“ Combs in seinem Strafprozess teilweise schuldig gesprochen. Im Hauptanklagepunkt „organisierte Kriminalität“ allerdings nicht.
Die Jury hat den US-Rapper Sean „Diddy“ Combs in seinem New Yorker Strafprozess in drei von fünf Anklagepunkten für unschuldig erklärt. Darunter fallen auch die schwerwiegendsten: Sexhandel und organisierte Kriminalität. Die zwölf Geschworenen fanden den Rapper aber schuldig im Bezug auf die Anklage wegen Beförderung von Prostituierten.
Für jede dieser Straftaten musste die Jury ein separates Urteil fällen.
Die Geschworenen haben folgendermaßen entschieden:
Im ersten Anklagepunkt, Verschwörung zur organisierten Kriminalität, erklärt die Jury Diddy für unschuldig.
Im zweiten Anklagepunkt, Sexhandel im Bezug auf Diddys langjährige Ex-Freundin Cassandra Ventura, erklärt die Jury Diddy für unschuldig.
Im dritten Anklagepunkt, Beförderung zum Zwecke der Prostitution im Bezug auf Ventura und andere Sexarbeiter, erklärt die Jury Diddy für schuldig.
Im vierten Anklagepunkt, Sexhandel im Bezug auf Diddys Ex-Freundin, die unter dem Pseudonym „Jane“ aussagte, erklärt die Jury Diddy für unschuldig.
Im fünften Anklagepunkt, Beförderung zum Zwecke der Prostitution im Bezug auf Jane und andere Sexarbeiter, erklärt die Jury Diddy für schuldig.
P. Diddy dreht sich zu seiner Familie um
Bevor das Urteil verlesen wird, wird Diddy von dem Sicherheitspersonal in den Gerichtssaal geführt. Er dreht sich zu seiner Familie um, die im Saal in den ersten Reihen sitzt und flüstert: „Wir schaffen das.“ In seiner Hand hält ein Papier mit einem ausgedruckten Gebet aus der Bibel, den Psalm 11, ein Gebet aus dem Alten Testament, das vorgibt, auf Gott zu vertrauen, bei ihm Zuflucht und Schutz zu suchen vor den Bedrohungen und Anfeindungen anderer.
Die Vorsitzende der Jury, eine 42-jährige schwarze Frau, wird vom Richter gefragt, ob die Jury ein Urteil erreicht hat. Sie bejaht. Dann liest sie Anklagepunkt nach Anklagepunkt die Urteile vor.
In der ersten Reihe der Geschworenenbank steht ein Inder, der sich Tränen aus den Augen wischt. In der zweiten Reihe lächelt eine Frau vor Freude.
Nachdem diese Urteile verlesen worden sind, fällt Diddy vor dem Anklagetisch auf die Knie und betet. Dann richtet er sich auf, dreht sich zu seiner Familie um, seiner 85-jährigen Mutter, Janice Combs, die während des sieben Wochen langen Prozesses jeden Tag im Gerichtssaal saß, und seinen sechs Kindern, die Zwillingstöchter, D’Lila und Jessie Combs, 18, Chance Combs, 18, und ihren Brüdern, Christian „King Combs,“ 28, Justin Combs, 31, und ihren Stiefbruder Quincy Brown, 34.
Die Geschworenen mussten nachsitzen
„Danke,“ sagt Diddy. „Ich liebe dich, Mama. Ich liebe Euch. Ich liebe Euch. Ich liebe Euch,“ wiederholt er drei Mal.
Die Geschworenen hatten bereits am Dienstagnachmittag die Urteile in vier der fünf Anklagepunkte gefällt. Weil sie sich aber im ersten Anklagepunkt, Verschwörung zur organisierten Kriminalität, nicht einig waren, schickte sie der Richter zurück in ihr Beratungszimmer, ohne sie nach den anderen Ergebnissen zu fragen – die Urteile können erst dann verkündet werden, wenn alle Straftaten erfasst sind.
In seinem Schlussplädoyer hatte Diddys Verteidiger, Marc Agnifilo, in Bezug auf das Delikt „Verschwörung zur organisierten Kriminalität“ gesagt, die Staatsanwaltschaft habe Diddy damit „einer der schwerwiegendsten, kompliziertesten und umfangreichsten Straftaten überhaupt angeklagt.“ Das Delikt beruht auf einem Gesetz, das in den USA als der „Rico Act“ bekannt ist (Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act) und 1970 vom Kongress verabschiedet wurde, um die Verfolgung von kriminellen Organisationen wie der Mafia zu erleichtern.
In den vergangenen Jahren haben Staatsanwälte das Rico-Gesetz auch dafür genutzt, um berühmte und reiche Personen zu verfolgen, die nichts mit der Mafia oder gewalttätigen Gangs zu tun haben. So wurde zum Beispiel der Sänger Robert Sylvester Kelly, auch bekannt als R. Kelly, 2021 in einer „Rico“-Anklage schuldig gesprochen und zu 30 Jahren Haft in einem Bundesgefängnis verurteilt. Ähnlich wie bei Diddy warf man R. Kelly vor, eine kriminelle Organisation geleitet zu haben, die Frauen für sexuelle Zwecke anheuerte und ausbeutete. Der gravierende Unterschied war allerdings, dass R. Kelly auch minderjährige Mädchen missbrauchte.
„Rico“-Gesetz stellt hohe Anforderungen für Staatsanwaltschaft
Um einen Angeklagten für „Rico“ schuldig zu sprechen, muss die Staatsanwaltschaft beweisen, dass er Teil eines kriminellen Unternehmens war. Dieses Unternehmen wird rechtlich sehr lose definiert: eine Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames Ziel haben. Wichtig ist aber der Beweis, dass diese Gruppe über mindestens zehn Jahre hinweg kriminelle Straftaten begangen hat und – jetzt wird es kompliziert – dass der Angeklagte mit einem anderen Mitglied seines Unternehmens konspiriert hat, zwei Straftaten zu begehen. Ob er das Verbrechen schlussendlich begangen hat oder nicht, ist dabei egal. Die Verschwörung, die Planung des Verbrechens, reicht aus.
Diddy wurden acht solcher Verschwörungs-Delikte vorgeworfen: Entführung, Brandstiftung, Bestechung, Zeugenbeeinflussung, Zwangsarbeit, Sexhandel, Transport zum Zwecke der Prostitution und diverse Vergehen im Zusammenhang mit Drogenhandel.
In dem Prozess, der am 5. Mai mit der Auswahl der Geschworenen begann, hörte die Jury Aussagen von 34 Zeugen. Darunter waren die beiden mutmaßlichen Opfer, auf denen das Strafverfahren basiert – seine Ex-Freundinnen, Ventura und Jane – sowie ehemalige Assistenten, zwei männliche Prostituierte, Spezialagenten und der Grammy-ausgezeichnete Sänger und Schauspieler Scott Mescudi, bekannt als Kid Cudi, der eine kurze Affäre mit Ventura hatte.
Außerdem wurden den Geschworenen Hunderte Text- und Sprachnachrichten sowie E-Mails gezeigt, und sie mussten sich – über 40 Minuten lang – Videoclips von Diddys Sexorgien ansehen. Diese Sexorgien sind der Kern der gesamten Anklage. Diddy wurde vorgeworfen, dass er Ventura und Jane dazu genötigt hat, mit männlichen Prostituierten zu schlafen, während er sie dabei filmte, ihnen zusah und sich selbst befriedigte.
Die Jury glaubte P. Diddy
Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass Diddy die Frauen durch Gewalt, Erpressung, finanzielle Abhängigkeit und Drogen zum Sex genötigt hat. Diddy stritt diese Anklagen vehement ab. Die Frauen hätten gerne und freiwillig an seine Sexparties, den so-genannten „Freak Offs“, teilgenommen, sagte er.
Die Jury hat ihm geglaubt. Aber die Beförderung von Prostituierten, die sich an diesen Sexorgien beteiligten, die wertet die Jury als Verbrechen. In der Tat hat Diddy männliche Prostituierte für seine Sexorgien von Los Angeles nach New York und Miami und sogar bis nach Ibiza geholt. Er buchte die Flüge und bezahlte die Tickets, was die Staatsanwaltschaft mit Flugtickets und Kontoauszügen bewies.
Für dieses Verbrechen wurde Diddy zwei Mal angeklagt, einmal im Bezug auf Ventura und einmal im Bezug auf Jane. Die maximale Strafe liegt pro Delikt bei zehn Jahren, das heißt, Diddy könnte im schlimmsten Fall 20 Jahre Gefängnis bekommen.
Der Richter, Arun Subramanian, der über das Strafmaß entscheidet, hat da freie Hand. Er kann Diddy, der seit seiner Verhaftung im September 2024 in einem Gefängnis in Brooklyn sitzt, auch nur acht Monate geben, die er dann bereits abgesessen hat.
P. Diddy bleibt in Haft
Am Mittwoch bitten die Verteidiger von Diddy, dass der Richter ihn gegen bis zu der Verkündung der Strafe freilässt. Aber die Staatsanwaltschaft will, dass Diddy im Gefängnis bleibt.
Als Diddy für die Urteilsverkündung den Gerichtssaal betrat, flüsterte er zu seiner Familie: „Ich komme nach Hause.“
Ob und wann er freigelassen wird, entscheidet der Richter vermutlich am Mittwochnachmittag. Eine Konferenz, wo er darüber mit den Anwälten spricht, ist auf 17.00 Uhr New Yorker Ortszeit angesetzt. Vermutlich wird er dann auch einen Termin für die Strafmaß-Verkündung festlegen.
Draußen vor dem Bundesgericht, in Downtown von Manhattan, jubeln die Fans von Diddy und spritzen Babyöl in die Menge.