Lesben-Schwulen-Union: „Friedrich Merz‘ Teilnahme an einem CSD wäre ein starkes Zeichen“

Der CDU-Politiker Sönke Siegmann vertritt queere Personen in seiner Partei. Er kritisiert die CSD-Entscheidung von Parlamentspräsidentin Julia Klöckner deutlich. 

Herr Siegmann, zum CSD weht in diesem Jahr keine Regenbogenfahne auf dem Bundestag. Entschieden hat das ihre Parteifreundin Julia Klöckner. Ein Rückschritt für queere Menschen?
Richtig ist, dass dieses Jahr keine Regenbogenfahne während des Berliner CSDs auf dem Parlamentsgebäude wehen wird. Aber richtig ist auch, dass am Internationalen Tag gegen Queerfeindlichkeit am 17. Mai die Regenbogenfahne auf dem Reichstag wehte und auch künftig wehen wird.

Und das ist nun nachvollziehbarer für Sie?  
Ich kann Julia Klöckners Argument der politischen Neutralität verstehen, aber nicht nachvollziehen. Ich hätte mir zumindest eine viel bessere Kommunikation gewünscht.

Die Entscheidung wirkt, als rücke der Bundestag von den Errungenschaften für Schwule und Lesben ab

Die Bundestagspräsidentin hätte die Entscheidung nur besser erklären müssen?
Das hätte zumindest geholfen. Jetzt wirkt es, als würde das Parlament der Community den Rücken zudrehen. Es ist vielleicht kein gewollter Rückschritt, aber ein gefühlter. Die Entscheidung wirkt, als rücke der Bundestag von den Errungenschaften für Schwule und Lesben ab. Dafür steht Julia Klöckner zu Recht unter Beschuss.  

Und jetzt wird auch noch dem Regenbogennetzwerk der Bundestagsverwaltung verboten, am CSD teilzunehmen.
Zusammengenommen ist das ein verheerendes Signal. Punkt. Insbesondere, weil die Mitarbeitergruppe auch schon angemeldet war. Ich verstehe das formale Argument, dass man dort nicht mit dem Hoheitszeichen des Deutschen Bundestags auflaufen sollte. Aber auch dafür hätten sich doch Kompromisse finden lassen.

Sie sprechen von falschen Signalen und Eindrücken. Was macht Sie so sicher, dass das keine bewusste Abkehr ihrer Partei von queeren Menschen ist?  
Das ist keine politische Neuausrichtung. In das neue Grundsatzprogramm der CDU wurde im vergangenen Jahr der Schutz queerer Menschen aufgenommen. Das ist ein riesiger Fortschritt. Friedrich Merz war 2023 bei uns zu Gast und hat dezidiert gesagt, die CDU und er persönlich haben bei diesem Thema dazugelernt, dank der LSU. Er meint das ernst, das weiß ich aus den persönlichen Gesprächen mit ihm.  

In der Vergangenheit hatte er sich zuweilen problematisch über Homosexuelle geäußert.
Ich kann ihnen eines sicher sagen: Friedrich Merz ist kein Queerfeind.

Es gibt derzeit so viele Angriffe auf queere Menschen wie lange nicht, CSDs werden bedroht. Wäre es nicht ein gutes Signal, wenn Friedrich Merz auf einem CSD mitläuft?
Friedrich Merz‘ Teilnahme an einem CSD wäre sicher ein starkes Zeichen. Vielleicht hat ihn noch niemand eingeladen. Ich glaube, er würde das machen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Meine Partei wird auf diesen Veranstaltungen gern bewusst ausgeladen oder ausgebuht. Wir taugen offenbar als perfektes Feindbild. Ich kenne das von eigenen Auftritten. Ich spreche dann einfach weiter, bis die Leute mir irgendwann vielleicht wieder zuhören.  

Ich weiß, die CDU ist in der Queerpolitik noch lange nicht am Ziel

Sie haben selbst mal gesagt, es gebe Menschen in der CDU, die auf Parteitagen oder anderen Veranstaltungen einen Bogen um die LSU machten. Wie sehr fühlen Sie sich als schwuler Mann in Ihrer Partei überhaupt zu Hause?
Die CDU ist meine politische Heimat und sie ist eine Volkspartei mit einem extrem breiten Mitgliederspektrum. Natürlich bin ich nicht mit allem zufrieden. Aber da verändert sich so manches nach und nach, von innen heraus.

Als Chef der LSU sitzen Sie auch im CDU-Bundesvorstand. Wie oft sind queere Themen dort auf der Tagesordnung?
Die waren vor allem immer dann auf der Tagesordnung, wenn sie woanders fehlten: im Grundsatzprogramm, bei der Europawahl oder im Wahlprogramm. Ich weiß, die CDU ist in der Queerpolitik noch lange nicht am Ziel. Aber wir sind weiter auf dem Weg.  

Wie lässt sich das Verhältnis der queeren Community zu Julia Klöckner kitten?
Ich habe René Powilleit, den Berliner LSU-Vorsitzenden, gebeten, Julia Klöckner zum diesjährigen CSD am 26. Juli auf den LSU-Wagen einzuladen. Dann kann sie privat, ganz neutral ohne Hoheitsabzeichen auf dem Wagen mitfahren und sich selbst ein Bild machen. Es wäre – gerade nach den jüngsten Irritationen – ein starkes Signal, wenn Julia Klöckner das machen würde. Toleranz ist schließlich keine Einbahnstraße.

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