Schädlingsbekämpfer müssen immer mehr Auflagen erfüllen. Die Ratten freut das – fast so sehr wie der stetige Nachschub an Nahrung. Nimmt die Population der Ratten zu?
Sie huschen auf Straßen oder in Kellern umher. Sie können Krankheiten übertragen und für einige Menschen sind sie schlicht ein Ekelfaktor – Ratten. Sie zu bekämpfen wird immer schwerer. Schädlingsbekämpfer gehen deswegen davon aus, dass die Zahl der Tiere auch in Hessen steigt. Der Grund: Umweltschutzauflagen machen die Bekämpfung teurer, aufwendiger und oft auch ineffektiver, wie Björn Kleinlogel erklärt, Sprecher des hessischen Landesverbandes im Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband.
Zwei bis drei Ratten pro Einwohner
Einige Kommunen sehen keine Zunahme bei der Population der Nager. „In den meisten großen Städten und Gemeinden leben pro Einwohner circa zwei bis drei Ratten“, heißt es von der Stadt Wiesbaden.
Regeln erschweren Bekämpfung
„Die Anwendung von Ködern wird immer mehr reglementiert“, sagte Kleinlogel der Deutschen Presse-Agentur. Früher habe man Rattenköder einfach in den Kanal geworfen. Dann mussten sie festgebunden werden, damit man sie wieder herausholen kann. Bald seien nur noch Köder erlaubt, die durch eine Box vor Kontakt mit Hochwasser geschützt sind. „Das alles erschwert die Bekämpfung“, so Kleinlogel.
Schädlingsbekämpfungsmittel würden teurer, Rechnungen vom Kammerjäger höher. Außerdem würden die Köder in den Boxen auch weniger Ratten anlocken. „Dazu kommt, dass der Laie im Baumarkt inzwischen keine wirkungsvollen Köder mehr kaufen kann“, so Kleinlogel. „Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft mehr Arbeit bekommen werden.“
Umweltschutz und Tierwohl erschweren Bekämpfung
Traditionell werden gegen Ratten sogenannte Rodentizide eingesetzt. Sie hemmen die Blutgerinnung und führen dazu, dass die Tiere innerlich verbluten. Das Umweltbundesamt (UBA) sieht „hohe Umweltrisiken“: Andere Tiere könnten entweder die Giftköder selbst oder aber die damit vergifteten Nager fressen.
Rattengift der zweiten Generation ist als persistent (P), bioakkumulierend (B) und toxisch (T) eingestuft. Solche sogenannten PBT-Stoffe werden nur schlecht in der Umwelt abgebaut, können sich in Lebewesen anreichern und sind giftig. Mangels Alternativen sind solche Stoffe zwar zugelassen, allerdings gelten strenge Auflagen und Anwendungsbestimmungen.
Bei mechanischen Fallen drohten Probleme mit dem Tierschutz, erklärt Kleinlogel. Es komme zum Beispiel vor, dass die Falle die Ratte nicht gleich tötet, sondern nur einklemmt und das Tiere dann tagelang leidet. Um das zu verhindern, gebe es Fallen, die eine SMS schicken, wenn sie zuschnappen. „Wenn Sie da mehrere Fallen haben, klingelt es ununterbrochen und dann muss da wer hin – das schlägt sich bei den Personalkosten nieder.“
Niemals Speisereste in der Toilette entsorgen
Als Chef einer mittelständischen Firma für Schädlingsbekämpfung in Darmstadt hat Kleinlogel eine bessere Idee, Ratten zu bekämpfen: „Statt ständig neue Ratten zu töten, wäre es besser, ihnen die Lebensgrundlage zu entziehen.“ Ratten gebe es überall dort, wo sie Nahrung fänden „und je mehr Nahrung sie finden, desto mehr Ratten gibt es“.
Kleinlogel empfiehlt: Mülltonnen rattensicher machen und nichts daneben stellen. Im Park und auf der Straße keine Essensreste auf den Boden werfen. „Und vor allem: auf gar keinen Fall Speisereste in der Toilette entsorgen.“ Damit gelange die Nahrung direkt in das Habitat der Ratten, den Kanal. „Wenn die Tiere daran gewöhnt sind, dass da immer Essbares herunterkommt, kann es sein, dass sie auch mal oben vorbeischauen, wo das bleibt.“ Anrufe von Bürgern, die eine Ratte im Klo entdecken, hat seine Firma mehrmals die Woche.
„Wo Menschen sind, werden auch immer Ratten sein“
In einigen hessischen Städten sieht man in den vergangenen Jahren keine zunehmende Problematik mit Ratten. „Nicht mehr und nicht weniger, als in anderen vergleichbaren Städten“, heißt es beim Ordnungsamt in Frankfurt zur Rattenpopulation. „Das Aufkommen an Meldungen zu Rattensichtungen ist im Jahresvergleich gleichbleibend, mit geringen Schwankungen nach oben und unten.“
„Wo Menschen sind, werden auch immer Ratten sein“, heißt es bei den Mittelhessischen Wasserbetrieben, die in Gießen für die Bekämpfung der Ratten zuständig sind. Wie in vergangenen Jahren habe man auch in diesem Sommer die Kampagne „No food no rats“ (Kein Essen keine Ratten) platziert. Dabei mache man mit Werbebannern, Plakaten, Mülltonnenaufklebern, Stadtbus-Beklebungen oder auf digitalen schwarzen Brettern auf die Problematik Nahrungsabfälle aufmerksam. „Die Rattenpopulation ist in Gießen kein größeres Problem.“ Sie sei in den vergangenen drei Jahren nicht angestiegen und auf einem normalen Niveau.
„In unserer Gemeinde wird die Rattenproblematik kontinuierlich beobachtet und mit regelmäßigen Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen gezielt bekämpft“, sagte ein Sprecher in Rödermark im Kreis Offenbach. Der Rattenbefall stelle aktuell kein ungelöstes oder unbeherrschbares Problem dar. Im Durchschnitt gingen zwei bis drei Mal im Monat Meldungen zu Rattensichtungen oder Funde toter Tiere ein. Dies werde als normal eingeschätzt. Außerdem gebe es eine aktive Aufklärung über den Umgang mit Lebensmittelresten, Kompostanlagen oder zur Abfallentsorgung.
Ratten verlieren Scheu
Auch Wiesbaden sieht eine gleichbleibende Rattenproblematik, aber auf hohem Niveau. In den vergangenen Jahren gab es dort rund jeweils rund 180 Meldungen über Rattensichtungen. „Aufgrund der hohen Population werden die Ratten auch immer öfter tagsüber sichtbar und verlieren ihre Scheu.“ Sie seien in allen Bereichen, wo es Futter gebe, sichtbar – auf Müllplätzen, in Kellerräumen, Grünanlagen und Fußgängerzonen.
Ein vermehrtes Aufkommen kann in diesem Jahr nicht festgestellt werden, wie es in Kassel heißt. Allerdings gebe es vereinzelt Hot-Spots, dies sei aber in der Regel dem Umfeld geschuldet. Die Gründe: Vermehrt Müll, Essensreste oder Komposthaufen auf Grundstücken.
Ratten digital melden
Wer Ratten sieht, kann dies bei seiner Kommune melden. Bei einigen Städten geht dies auch digital über ein Verwaltungsportal. Dort wird auch erläutert, wer für die Kosten einer Bekämpfung aufkommen muss.