EM-Finale gegen England: Woltemade-Wirbel vor EM-Finale – „Gepusht bis zum Maximum“

Die ungeschlagene U21-Generation um Nick Woltemade greift nach dem vierten deutschen EM-Titel. Die Weltmeister von 2014 sind „Riesenansporn“. Julian Nagelsmann hat WM-Kandidaten „auf dem Zettel“.

Tiefenentspannt schlenderte Nick Woltemade zum Mannschaftsbus, schrieb vor dem EM-Finale Autogramme oder posierte für Fotos mit Kindern. Von Unruhe durch den Wechsel-Wirbel nach einer kolportierten Einigung mit dem FC Bayern war dem deutschen U21-Star rein gar nichts anzumerken. Für den 23-Jährigen und eine vielversprechende deutsche Fußball-Generation zählt vor dem England-Endspiel nur eins: Der Europameisterschaftstitel.

„Es wird fantastisch, das wird unser letztes Spiel“, sagte Woltemade über den in 20 Spielen ungeschlagenen Jahrgang. „Wir werden alles tun, um es zu gewinnen.“ Am Samstag (21.00 Uhr/Sat.1) liegt die letzte Niederlage der U21 auf den Tag genau zwei Jahre zurück: Am 28. Juni 2023 setzte es beim EM-Vorrunden-Aus ein 0:2 – ausgerechnet gegen England. 

Wie Neuer, Gnabry und Wirtz?

Vor den Augen von Bundestrainer Julian Nagelsmann will die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes den letzten triumphalen Schritt gehen – und es den Generationen um Manuel Neuer (2009), Serge Gnabry (2017) und Florian Wirtz (2021) gleichtun. Zudem können sich die U21-Nationalspieler auch für eine WM-Chance im kommenden Jahr im Nagelsmann-Ensemble in Position bringen. „Den einen oder anderen hat er auf dem Zettel“, verriet DFB-Sportdirektor Rudi Völler.

Bayern-Wirbel um Woltemade

Woltemade wurde in der Nations League schon zum A-Nationalspieler befördert. Durch seinen rasanten Saison-Aufstieg und eine herausragende EM mit sechs Toren und drei Ehrungen zum Spieler des Spiels schnellt sein Marktwert weiter nach oben, das Interesse am Pokalsieger ist riesig. 

Medien spekulieren über einen angestrebten Wechsel in diesem Sommer nach München und einen gut dotierten Fünfjahresvertrag. Die Bayern äußern sich sehr wohlwollend über den Sturm-Riesen. Die Stuttgarter verweisen auf den Vertrag bis 2028 und ihre Planungen. Der Poker um eine Ablöse im mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Bereich scheint zu beginnen.

Völler: „Viele, viele Jahre später“ Revanche-Chance

U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo, der auf der Reise in die slowakische Hauptstadt im konzentrierten Gespräch mit Woltemade zu beobachten war, interessiert das alles nicht. Es geht für ihn und sein Team ausschließlich um den finalen und krönenden Schritt zum Titel. „Wir freuen uns natürlich über Tore von Nick auch im Finale, aber wer die Tore erzielt, ist dann auch egal“, sagte Di Salvo. Als Assistenzcoach von Stefan Kuntz jubelte der 46-Jährige zweimal als Europameister, wurde einmal Vize. Jetzt soll sein größter Erfolg als Chef her.

Natürlich sei ein Sieg immer schön. Es ändere sich aber nichts an der Qualität, „egal, wie das Spiel ausgeht“, sagte Völler. Der frühere Weltklasse-Stürmer, der bislang als einziger Deutscher zum besten Spieler eines U21-Turniers gekürt worden war, erinnerte an die Endspiel-Niederlage von der Auswahl mit ihm, Pierre Littbarski oder Lothar Matthäus im Jahr 1982. „Viele, viele Jahre später haben wir jetzt die Chance, gegen den Engländer zu gewinnen.“

Weltmeister als „Riesenansporn“

Völler & Co. wurden als U21-Vize acht Jahre später Weltmeister. Die 2009er-Europameister um die späteren Weltmeister Neuer, Jérôme Boateng oder Mesut Özil folgten als Inbegriff einer goldenen Generation. Die 2017er-Sieger schrieben keine große Nationalteam-Geschichte. Von den EM-Siegern von 2021 wechselte unlängst DFB-Star Wirtz für irre bis zu 150 Millionen Euro zum FC Liverpool.

„Wenn man sieht, wer damals eigentlich den Titel gewonnen hat, ob es jetzt zum Beispiel Neuer war oder Hummels oder wie sie alle heißen, dann denkt man natürlich schon so: Wow, okay, wenn die es geschafft haben, und wir das schaffen, dann kann man es natürlich auch vielleicht auf die ganz, ganz große Bühne schaffen“, sagte der Kölner U21-Kapitän Eric Martel. „Das ist natürlich ein Riesenansporn für uns.“

„Push“ durch Nagelsmann-Besuch

Noch größer aber ist aktuell die Gier nach dem Titel in Bratislava. Erst recht, wenn Nagelsmann im „National Football Stadium“ zuschaut. „Das gibt jedem nochmal einen Push“, sagte Halbfinal-Torschütze Brajan Gruda vom Premier-League-Club Brighton & Hove Albion. „Das Finale ist ein Top-Spiel und da werden wir sowieso alle voll gepusht sein bis zum Maximum.“ 

Gruda und der Mönchengladbacher Marathon-Mann Rocco Reitz durften vor der Heim-EM 2024 schonmal oben reinschnuppern. Wenn der Bundestrainer da sei, würden vielleicht „noch mal ein, zwei, drei Prozent mehr gegeben“, sagte Reitz vor dem „größten Spiel“. 

Spannende Personalien – auch fürs A-Team?

Die U21 hat auf Positionen etwas anzubieten, auf denen es im A-Team in den vergangenen Jahren immer wieder Personalbedarf gab. Die Frankfurter Außenverteidiger Nathaniel Brown und Nnamdi Collins werben für sich. Wie auch die im langen Schatten von Woltemade vortrefflich agierenden Stürmerkollegen Nelson Weiper (Mainz) und Nicolo Tresoldi (bald Brügge). Der Freiburger Noah Atubolu wird im Generations-Wechsel im DFB-Tor eine Rolle spielen.

In der Gruppenphase gewann die auf elf Positionen veränderte U21 mit 2:1 gegen England. Die Folgerungen aus dem Spiel: Keine. Einzig die Gewissheit, dass eine andere Mannschaft auflaufen wird – wieder natürlich mit dem da geschonten Woltemade. „Ich glaube, der Trainer sollte schon wissen, dass er mich lieber aufstellt“, scherzte der Turnier-Star bei Sat.1. 

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