Friedrich Merz begründet in seiner Regierungserklärung seine neue Außen- und Sicherheitspolitik. Ein Expertenthema? Moment mal, diesen Kanzler kann man sogar verstehen!
Was eine „Regierungserklärung“ eines Bundeskanzlers leisten soll, steckt schon im Wort selbst: Dem Parlament und der Öffentlichkeit soll die Politik der Regierung erklärt werden. Und zwar möglichst nachvollziehbar.
Friedrich Merz mag an diesem Mittwoch keine spektakuläre Rede gehalten haben. Ja, er spricht als Kanzler viel zurückgenommener als als Oppositionsführer.
Aber dem Zweck ist seine zweite Regierungserklärung immerhin gerecht geworden. Nach drei Jahren Olaf Scholz und 16 Jahren Angela Merkel ist das keine Selbstverständlichkeit. Es ist, im Gegenteil, sogar bemerkenswert. Weil Regierungserklärungen lange einfach durchrauschten. Weil sie wirkten, als würden sie von Sprechautomaten gehalten. Damit, so scheint es, will Merz brechen.
Friedrich Merz erklärt Leitlinien einer neuen Außenpolitik
In 25 Minuten versuchte der Bundeskanzler am Mittwoch vor dem Nato-Gipfel in den Haag die neue deutsche Außen- und Sicherheitspolitik zu erklären. Warum investiert Deutschland plötzlich 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung? Warum hat Israel den Iran angegriffen? Gibt es wirklich zu wenig Verhandlungen mit Russland? Was hat Wladimir Putin vor?
Merz kommt spät mit dem Versuch einer Grundsatzbestimmung, gerade die Aufrüstung hätte er früher erklären können. Aber was auffiel, war, dass Merz auf Verständlichkeit setzte und Argumentation. Das galt für die Passagen zu den Angriffen auf das iranische Atom-Programm, den Part zu Russland, vor allem aber für seine Position, Israel fast grenzenlos zu unterstützen, betonte der Kanzler. Die Staatsräson des Iran sei die Vernichtung Israels, die Staatsräson Deutschlands dessen Schutz. Auch das Massaker am 7. Oktober sei nicht ohne den Iran denkbar gewesen. Er hoffe deshalb, dass das Vorgehen der USA und Israels gegen die iranischen Atomanlagen das Regime in Teheran von dem Ziel abbringe, sagte der Kanzler.
Friedrich Merz wird Widerspruch ernten
Man kann diese Hoffnung für falsch halten, die Vorwürfe gegen den Iran für überzogen und den israelischen Weg für völkerrechtswidrig. Weil sich Merz nicht hinter politischen Floskeln versteckt oder wolkigen Absichtserklärungen werden seine Worte nun aber zum Gegenstand politischer Debatten. Es wird gesprochen werden über das, was Merz gesagt hat. Und vor allem wird widersprochen werden. So muss es sein, gerade in Fragen von Krieg und Frieden.
Friedrich Merz sprach in seiner Regierungserklärung von einer „neuen Wirklichkeit“, von Kriegen in der Welt als „neuer Normalität“. Dieser müsse Deutschland sich anpassen. „Viel zu lange haben wir die Warnungen unseren baltischen Nachbarn vor russischem Imperialismus ignoriert“, sagte er etwa in Richtung Russland und räumte ein: „Wir haben unseren Irrtum erkannt.“ Hinter diese Erkenntnis gebe es keinen Weg zurück.
Die Ausdeutung von Kanzlerreden darf keine Expertenangelegenheit sein
Es gibt viele Millionen Menschen in diesem Land, die das anders sehen. Sie halten Aufrüstung für falsch, gar für gefährlich. Friedrich Merz wird diese Menschen wohl nicht für sich gewonnen haben mit seiner Rede. Vielleicht treibt sie seine Klarheit irgendwann (wieder mal) auf die Straße. Genauso muss es sein.
Hauptsache, es endet diese Zeit, in der Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler möglichst umständlich erklärten, dass sie schon auf wundersame Weise dafür sorgen würden, dass niemand sich Sorgen machen muss um sich und um dieses Land. Die Ausdeutung der Andeutungen in ihren Reden überließ man Journalistinnen und Experten. Orientierung gaben so oft nicht Politiker selbst, sondern ihre Deuter.
Wenn aber nur noch die Parteien der politischen Ränder im Volk Emotionen auslösen, während die politische Mitte sich aus Angst vor Fehlern selbst sediert, läuft etwas schief.
Bitte weg mit dem Duktus der Sprechautomaten
Der Sprechautomatenduktus hatte und hat sich wie ein Schleier über die deutsche Politik gelegt. Man bricht mit dieser Ära nicht in einer Regierungserklärung. Aber dieser Dienstag war ein Auftakt. Friedrich Merz scheint zumindest verstanden zu haben, dass sich etwas ändern muss. Verständlichkeit und Offenheit sind die Grundlage demokratischer Debatten. Und womöglich eine schärfere Waffe gegen Demokratieverächter als mancher glaubt.
Jetzt muss er sich morgen nur noch an das halten, was er heute gesagt hat. Schwer genug.