Interview: Rainer Langhans zum 85. Geburtstag: „Ich bin einfach kein Feiertyp“

Der einstige Kommunarde ist zum 85. Geburtstag im Frieden mit sich und der Welt. Selbst über seine Krebsdiagnose sagt er: „Sie macht mein Leben zu einem besseren, einem schöneren.“

Herr Langhans, wie wurde in der Kommune I Geburtstag gefeiert? 
Überhaupt nicht. Es spielte dort keine Rolle. Ich persönlich habe das auch nie gemacht. Die Leute müssen mich immer daran erinnern, dass ich Geburtstag habe. Ich vergesse es wirklich jedes Jahr.

Sie haben vor einiger Zeit eine schwere Diagnose erhalten. Feiern Sie heute bewusster?
Nein, ich bin einfach kein Feiertyp. Ich weiß nicht einmal, wie das geht. Als Autist habe ich mich mit den Merkwürdigkeiten dieser Welt immer schwergetan. Was die Krebs-Diagnose angeht, verstärkt diese jedoch meine Liebe zum Leben. Sie macht mein Leben zu einem besseren, einem schöneren – aber das mache ich nicht an irgendeinem besonderen Geburtstag fest.

Zu diesem Leben gehören auch Ihre Herzensdamen Gisela, Christa und Brigitte. Legen die drei für ein Geschenk zusammen?
Ich weiß nicht. Ich glaube, das ist noch nie vorgekommen. Oder ich erinnere mich jetzt vielleicht nicht, weil ich es so sehen will. (lacht)

Zumindest Kaffee und Kuchen muss aber drin sein, oder?
Nein, warum denn auch? Vielleicht tun die sich ja zusammen und überraschen mich, aber das glaube ich eher nicht.

Wie traurig. Nicht mal einen schönen Marmorkuchen?
Also, wenn schon, dann muss es ein richtig toller Kuchen sein, den machen wir auch schon mal selbst. Aus Anlass eines Geburtstages aber eher nicht.

Wie ist Ihre Wohnsituation in München? Mal ist von einer Ein-Zimmer-Wohnung die Rede, dann von einer WG oder sogar einem Harem.
Wir sind keine Wohngemeinschaft, und das ganz bewusst. Eine WG verhindert eher die Liebe unter den Leuten. Das geht viel besser, wenn man seinen eigenen Raum hat und aus physischer Ferne liebt. Ich habe damals in der Kommune I erlebt, dass es nicht geht, wenn alle auf engem Raum zusammenleben. Daher ist unsere heutige Kommune keine Wohngemeinschaft, sondern eine Liebesgemeinschaft, und das funktioniert sehr gut.

Sind Sie gern allein?
Oh ja. Mein wesentliches Tun auf dieser Welt, das sage ich mal so provokant, ist die Meditation.

Träumen Sie manchmal von der Kommune I?
Nicht konkret, aber ich habe erst kürzlich etwas geträumt, was mich sehr an diese Zeiten erinnert hat, die Gemeinschaftserlebnisse und diese ganz bestimmte Verbundenheit. Davon träume ich erstaunlicherweise immer wieder mal.

Gibt es in der heutigen Gesellschaft etwas, das Sie an den Spirit von damals erinnert?
Das Internet. Die kalifornischen Techies haben es ja in diesem 68er-Geist erfunden, um allen Menschen diese damalige allumfassende Liebe zu ermöglichen. Das Internet ist für mich ein Zukunftsort, ein Ort des größeren Liebens. Ich weiß natürlich um all das Schlimme, das darin vorkommt, aber generell ist diese kommunikative Verstärkung die Vorform einer allumfassenden Liebe. Irgendwann wird es die ganzen Kinderkrankheiten, das Kriegführen, den Hass überwunden haben. Immerhin sind wir auf diese Weise alle miteinander, tendenziell zumindest, befreundet, wenn es auch nur erstmal auf Facebook ist. So etwas hat es in der menschlichen Geschichte noch nicht gegeben.

Glauben Sie wirklich, dass die Liebe am Ende den Hass im Netz besiegen kann?
Nun ja, ich halte Kommunikation für eine Vor- oder eine Trainingsform von Liebe. Das heißt, wenn wir miteinander kommunizieren, führen wir keinen Krieg. Und das ist durch das Internet eben sehr, sehr verstärkt möglich. Make love not war.

Steigen Sie in Diskussionen ein oder lesen Sie nur mit? 
Ich poste nicht so viel, weil ich natürlich das direkte Gespräch vorziehe. Aber klar, ich habe auch Verbindungen, die diese direkte Internetkommunikation von mir befördern. Das gibt es schon. Ich spiele nicht nur Tischtennis.

Ein kommunikatives Highlight war Ihre Teilnahme am Dschungelcamp 2011. Wie blicken Sie darauf zurück?
Das war eine überaus positive Erfahrung, die mich weitergebracht hat. Viele Leute haben das nicht verstanden und mich deswegen auch bald rausgewählt. Ich bin ja auch krank geworden und habe damit noch mehr versucht, aus dem Körper herauszukommen, als ich das sonst ohnehin tue. Da war das Dschungelcamp eine gute Sache. Die Jüngeren fanden es wohl ganz toll, aber die Älteren taten sich schwer damit – überhaupt mit der Tatsache, dass ich da mitmache.

Würden Sie es noch mal machen?
Wenn man mich ins Legenden-Camp einladen würde, wäre ich dabei. Ich würde es wieder tun, weil ich es, wie gesagt, damals schön fand. Ich habe heute sogar noch etwas von meiner Gage, ich bin einfach sehr sparsam. Den Großteil, etwa zwei Drittel, habe ich gespendet und weggegeben, weil ich nicht so viel Geld brauche, aber dieses letzte Drittel hilft mir in meinem heutigen Leben nach wie vor. Ich habe sogar noch die Schuhe aus dem Dschungelcamp.

Sie haben zahlreiche Interviews geführt über die Jahre, die Jahrzehnte. Hatten Sie das Gefühl, da geht es um Sie oder vielmehr um das Bild, das die Leute von Ihnen hatten?
Dieses sogenannte Image, dieses Bild, das die Leute von mir haben, habe ich ja durchaus bewusst vertreten. Ich habe öffentlich und privat nicht getrennt. Ich habe ja immer gesagt: Das Private ist politisch. Das stammt noch aus der Zeit der 68er. Deswegen habe ich meine privaten Dinge immer öffentlich gemacht, weil ich es für wichtig halte und weil ich versuche, privat so gut wie möglich zu werden – also mich selbst zu revolutionieren, nicht mehr die Welt, denn das misslang uns ja. Ich will ein liebevoller Mensch, ein richtiger Mensch werden. Und das will ich teilen: alles teilen, alles mitteilen. Das ist das Prinzip, das ich bis heute verfolge, in diesem Moment ja auch mit Ihnen.

Wird es eine Geburtstagskarte von Uschi Obermaier geben?
Nein, wir haben keinen Kontakt mehr. Bis vor kurzem hat sich mich wohl noch gehasst. Es soll ein Film über sie gedreht werden, da haben wir mal kurz miteinander gesprochen. Sie meinte, ich sei ein Macho. (lacht)

Wie kommt Sie darauf?
Ich täte nicht das, was sie sagt. Das kann man so sehen. Nach unserer gemeinsamen Zeit habe ich ein völlig anderes Leben geführt als sie. Das hat sie lange Zeit nicht verstanden. Mittlerweile findet sie es ja vielleicht halbwegs okay.

Haben Sie eine Bucketlist?
Nein. Ich sehe mich als ein glückliches, liebes Kind, das die ganze Zeit darüber begeistert ist, dass es das alles erleben darf. Als Autist hatte ich anfangs große Schwierigkeiten, aber mittlerweile finde ich mich mit all den Merkwürdigkeiten meines Lebens zurecht. Zu Zeiten der 68er wollte man mich totschlagen. Wenn ich heute auf der Straße angesprochen werde, dann zumeist positiv. Die bösen Blicke von damals sind verschwunden.

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