Nach dem Paris-Aus möchte Zverev in Wimbledon überzeugen. In Stuttgart bereitet er sich vor und wahrt trotz einer Erinnerungslücke eine makellose Bilanz. Ein Talent verabschiedet sich mit Applaus.
Alexander Zverev trennen noch zwei Siege vom 25. Titelgewinn seiner Tennis-Karriere. Nach seinem French-Open-Frust hat der 28-Jährige beim Rasenturnier in Stuttgart am Samstag gegen den US-Amerikaner Ben Shelton die Chance auf den Finaleinzug (nicht vor 14.00 Uhr/DF1). „Es geht in die richtige Richtung. Egal, was jetzt passiert“, sagte Zverev. „Wenn man gewinnt, macht es immer Spaß. Vor allem in Deutschland ist es immer schön, auf dem Platz zu sein.“
Mit dem 7:5, 6:4 im Viertelfinale baute Zverev seine makellose Bilanz gegen den US-Amerikaner Brandon Nakashima aus und zog ins Halbfinale ein. „Es war eigentlich ein gutes Match für das zweite Match auf Rasen. Das Level war heute besser als gestern“, fasste er zusammen. „Ich habe von der Grundlinie besser gespielt. Ich habe besser returniert, ich habe definitiv besser aufgeschlagen.“
Zverev mit Erinnerungslücke
Daran, dass er zuvor schon dreimal gegen Nakashima gewonnen hatte, hatte sich Zverev am Vortag gar nicht erinnern können. Dem kurzzeitig etwas verdutzten Spitzenspieler mussten die Journalisten erst auf die Sprünge helfen – was für Erheiterung gesorgt hatte. „Ich werde alt“, scherzte Zverev.
Nach der Niederlage von Teenager Justin Engel am frühen Mittag tat sich Zverev in der Nachmittagshitze im ersten Satz lange schwer. Früh hob er fragend die Arme und schüttelte den Kopf. Erst im Endspurt vermied der Hamburger die drohende Entscheidung im Tiebreak.
Im zweiten Abschnitt legte er mit dem Break zum 3:2 den Grundstein für seinen Erfolg. Seinen eigenen Aufschlag gab Zverev im gesamten Match nicht einmal ab.
Zverev zu Becker-Konter: „Thema auch schon durch“
Begleitet wird Zverevs erster Auftritt auf dem Weissenhof seit sechs Jahren von einer Meinungsverschiedenheit zwischen der aktuellen deutschen Nummer eins und Boris Becker. Die Tennis-Ikone hatte Zverev nach dem Viertelfinal-Aus in Paris gegen den serbischen Topstar Novak Djokovic kritisiert und ihm zu einem Trainerwechsel geraten. Zverev hatte darauf schon zu Wochenbeginn gekontert.
„Wir haben jetzt, glaube ich, das Thema auch schon durch“, sagte Zverev nun und erklärte, warum er sich überrascht gezeigt hatte, dass sich Becker noch nicht gemeldet habe. „Normalerweise, wenn er am Ort ist, wo ich auch bin, schreibt er mir immer. Das war das erste Mal, glaube ich, dass er mir nicht geschrieben hat. Fragt ihn. Ich habe jetzt keine Riesengefühle dazu.“
Engel raus mit Applaus – und im Stress
Der Erfolgslauf von Tennis-Teenager Engel endete dagegen trotz eines weiteren beeindruckenden Auftritts. Der 17-Jährige musste sich im Viertelfinale dem Top-30-Spieler Félix Auger-Aliassime 6:7 (3:7), 3:6 geschlagen geben.
Dass Auger-Aliassime meinte, Engel könnte in der Zukunft ein echter Rivale werden, sei „schön“ zu hören. „Ich gebe einfach mein Bestes. Ich nehme mit, dass ich mit den Top-Jungs mithalten kann und sich das harte Training auszahlt und jetzt mache ich einfach weiter“, bilanzierte Engel.
Auch das Duell mit dem früheren Top-Ten-Spieler gestaltete er bis Mitte des zweiten Satzes eng. Letztendlich waren jedoch die Aufschläge des Kanadiers zu stark. „Er hat mir wenig Chancen gelassen“, sagte Engel. „Aber es hat echt Spaß gemacht, wieder zu spielen.“
Mit zwei überraschenden Siegen war er zum jüngsten Tour-Viertelfinalisten auf Rasen seit Boris Beckers Wimbledon-Triumph vor 40 Jahren aufgestiegen. „Jetzt habe ich ein bisschen Stress“, fasste Engel die Folgen seines Coups zusammen. Schon am Samstag tritt er in der Qualifikation in Halle an.
Sein Gegner Auger-Aliassime bestreitet das andere Halbfinale (12.00 Uhr) auf dem Stuttgarter Weissenhof gegen den amerikanischen Top-Ten-Spieler Taylor Fritz.