Hessens Untersuchungsausschuss zur Corona-Politik existiert schon seit einem Jahr, ohne inhaltlich zu arbeiten. Die AfD sieht sich thematisch beschnitten. Damit befasst sich nun der Staatsgerichtshof.
Hessens höchstes Gericht hat über die AfD-Verfassungsklage zum stockenden Corona-Untersuchungsausschuss verhandelt. Die größte Oppositionsfraktion will die angestrebte Aufklärung der einstigen hessischen Pandemie-Politik thematisch weitaus weiter fassen als die übrigen vier Fraktionen des Landtags. Die mündliche Verhandlung des Staatsgerichtshofs in Wiesbaden dauerte mehrere Stunden. Das Urteil wird erst in einigen Wochen oder wenigen Monaten erwartet (Az. P. St. 2974).
Der Landtag hatte diesen Untersuchungsausschuss bereits vor einem Jahr auf Betreiben der AfD-Opposition eingesetzt, bisher hat er aber nicht seine inhaltliche Arbeit aufgenommen. Nach dem AfD-Antrag mit 43 Fragen hatte das Parlament auf Initiative der übrigen Fraktionen wegen verfassungsrechtlicher Bedenken mehrere Gutachten in Auftrag gegeben. Nach deren Lektüre kürzten CDU, SPD, Grüne und FDP den Untersuchungsauftrag auf nur noch sieben Punkte.
AfD wollte auch Lockdowns und Maskenpflichten beleuchten
Hiergegen klagte die AfD-Fraktion: Die Bürger hätten ein Anrecht auf umfassende Aufklärung der einstigen Corona-Politik. Auch bei der Zusammensetzung des Ausschusses strebt die Oppositionsfraktion Änderungen zu ihren Gunsten an. Zuerst hatte sie auch etwa Lockdowns, Impfungen und Maskenpflichten zum Thema machen wollen. Die übrigen Fraktionen kritisierten jedoch, das fasse die Untersuchungsthemen zu weit.
Vor den elf höchsten Richterinnen und Richtern des Landes sagte der AfD-Prozessbevollmächtigte Christoph Basedow, der Untersuchungsausschuss müsse eine wirksame parlamentarische Kontrolle ermöglichen – ohne die starke thematische Beschneidung von 43 auf nur noch sechseinhalb Punkte. Der Landtag habe hier einen weiten Ermessensspielraum. In dem Ausschuss sollten Erkenntnisse für künftige Notlagen gewonnen werden.
Vertreter des Landtags: Keine Verschwörungstheorien beleuchten
Laut dem Prozessbevollmächtigten des Landtags, Christoph Henckel, darf der Ausschuss nicht Sachverhalte untersuchen, für die er als hessisches Gremium nicht zuständig ist. Die ursprünglich 43 AfD-Fragen richteten sich auch auf ferne Institutionen wie die EU-Kommission und die Weltgesundheitsorganisation sowie auf viele unbestimmte Sachverhalte. Es sei nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses, „wilden Vermutungen“ und Verschwörungstheorien nachzugehen.
Auch Landesanwältin Monika Böhm, die in verfassungsrechtlichen Verfahren vor dem Staatsgerichtshof die Interessen der Öffentlichkeit vertritt, stufte die Klage der AfD-Fraktion als inhaltlich unbegründet ein. Mit den zahlreichen Untergliederungen der ursprünglichen 43 AfD-Punkte sei es insgesamt sogar um mehr als 100 oft unbestimmte Fragen gegangen.
Gerichtspräsident: „Das interessiert die Leute doch?“
Bei der Betrachtung abgelehnter Einzelthemen fragte Gerichtspräsident Wilhelm Wolf etwa bei der AfD-Frage nach Nebenwirkungen von Corona-Impfstoffen mit Blick auf den Prozessbevollmächtigten des Landtags, Henckel, rhetorisch: „Das interessiert die Leute doch?“ Henckel erwiderte, auch bei Zulassung und Kauf von Impfstoffen seien die EU-Kommission beziehungsweise der Bund zuständig – nicht aber das Land Hessen.
Auch hinsichtlich nur noch sieben Fragen hatte sich der Untersuchungsausschuss im April 2025 gleichwohl auf die Anforderung vieler Akten mit insgesamt mehreren Tausend Seiten und die Ladung von gut einem Dutzend Sachverständigen, darunter bekannte Virologen, geeinigt.