Der Verfassungsschutz verzeichnet eine Zunahme in- und ausländischer Angriffe. Die Zahl politisch motivierter Straftaten steigt. Die fünf wichtigsten Erkenntnisse im Überblick.
„Sowohl auf der Straße als auch im Netz sehen wir steigende Angriffe“, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag in Berlin. Die Radikalisierung, gerade von rechts, sei deutlich angestiegen, erklärte er – mitunter „dramatisch“ im rechtsextremistischen Bereich. Es ist ein düsteres Bild, das Dobrindt bei der Vorstellung des aktuellen Bundesverfassungsschutzberichts zeichnete. Es ging um Sabotage und Spionage, Desinformation sowie Gewalttaten und Bedrohungen. Die fünf wichtigsten Erkenntnisse des Berichts im Überblick.
Immer mehr Rechtsextremisten und Reichsbürger
Dass die Zahl der Rechtsextremisten binnen eines Jahres um rund 23 Prozent auf 50.250 anstieg, hat unter anderem mit dem Mitgliederzuwachs bei der AfD zu tun. Laut Bericht wurden im vergangenen Jahr 20.000 Mitglieder der Partei, die vom Verfassungsschutz 2024 als Verdachtsfall beobachtet wurde, dem rechtsextremistischen Personenpotenzial zugeordnet. Die AfD hatte nach eigenen Angaben im November 50.000 Mitglieder. Im Verfassungsschutzbericht heißt es: „Die AfD stellt mit Blick auf ihre politischen und gesellschaftlichen Wirkungen und die Mitgliederzahlen den maßgebenden Akteur innerhalb des rechtsextremistischen beziehungsweise rechtsextremismusverdächtigen Parteienspektrums dar.“
Die Zahl der Rechtsextremisten, die vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingeschätzt werden, stieg im vergangenen Jahr erneut an. Um 800 Personen, auf nunmehr 15.300.
Eine steigende Bedrohung sieht der Verfassungsschutz auch im Bereich der sogenannten „Reichsbürger“ und Selbstverwalter. Hier stieg das Personenpotenzial dem Bericht zufolge um 1000 Menschen auf rund 26.000 an. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Sie negieren auch demokratische und rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament, Gesetze oder Gerichte. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht zahlen.
Es radikalisieren sich immer mehr junge Menschen
Bereits kurz vor Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes warnte Innenminister Dobrindt vor einer wachsenden Gewaltbereitschaft unter jugendlichen Extremisten. „Wir stellen in einem erhöhten Maße fest, dass sich junge Menschen radikalisieren“, sagte er den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. Vor allem in der rechtsextremen Szene wachse die Gewaltbereitschaft, aber auch unter jungen Linksextremisten und Islamisten sei der Trend erkennbar.
Ein Reporterteam von stern und RTL hatte zuletzt monatelang mit verdeckten Reportern in mehreren rechtsradikalen Jugendgruppen recherchiert und unter anderem Pläne einer Gruppe für einen Brandanschlag auf eine Asylunterkunft im brandenburgischen Senftenberg aufgedeckt. Wie stern und RTL nun öffentlich machten, führten diese Recherchen unter anderem im Februar 2025 zur Festnahme eines 21-jährigen Beschuldigten. Ein Sprecher der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft Dresden bestätigte dies. Sie finden die gesamte Recherche hier.
Zahl der Islamisten steigt wieder
Nach einem leichten Rückgang in den Jahren zuvor sieht der Verfassungsschutz aktuell wieder einen leichten Zuwachs bei islamistischen Gruppierungen. Das Islamismuspotenzial stieg um knapp vier Prozent auf 28.280 Personen an. Das gewaltorientierte islamistische Personenpotenzial, das in diesem Jahresbericht erstmals ausgewiesen wird, schätzt die Sicherheitsbehörde auf 9540 Personen.
Mehr Linksextremisten – aber nicht gewaltbereiter als zuvor
Die Zahl der Linksextremisten wuchs zwar 2024 laut Verfassungsschutz von 37.000 auf etwa 38.000 extremistische Linke. Bei den als gewaltorientiert eingeschätzten Linksextremisten blieb das Personenpotenzial jedoch mit 11.200 Extremisten auf dem Niveau des Vorjahres. Ein Faktor, der im vergangenen Jahr zum Anstieg extremistischer Tendenzen in mehreren Phänomenbereichen beitrug, war nach Einschätzung des Verfassungsschutzes die Eskalation im Nahost-Konflikt.Er registrierte im vergangenen Jahr 99 antisemitische Straftaten, darunter sechs Gewalttaten, die als linksextremistisch motiviert eingestuft wurden, ein Anstieg um 175 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Spionage und Sabotage von Seiten Russlands nehmen zu
„Insbesondere der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine fordert die Arbeit unserer Cyber- und Spionageabwehr“, sagte Innenminister Dobrindt am Dienstag. Alarmiert ist der Verfassungsschutz auch bei dem erst seit Ende 2023 beobachteten zunehmenden Einsatz sogenannter Low-Level-Agenten. Das sind Menschen, die von russischen Nachrichtendiensten zur kurzfristigen Erfüllung von Aufträgen meist über das Internet angeworben und geführt würden. Sie gehören demnach aber nicht selbst den Nachrichtendiensten an.
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