Fußball-Nationalmannschaft: Nagelsmann denkt weiter groß: „Durchmarschieren“ zur WM

Der Titel war das ausgerufene Ziel. Die Realität beim Finalturnier der Nations League sind zwei Niederlagen und der letzte Platz. Was heißt das für die WM-Quali und die großen Ziele 2026?

WM-Titelträume? Immer noch? Julian Nagelsmann will nicht von allerhöchsten Ambitionen abrücken. Auch nicht nach dem meilenweit verpassten Nations-League-Gewinn, den er und auch seine Spieler auf dem Weg zur Fußball-Weltmeisterschaft 2026 als Etappenziel ausgerufen hatten. Auch nicht nach dem letzten Platz beim Final-Four-Turnier durch das 0:2 gegen Frankreich. 

Gleichwohl verkannte der Bundestrainer nicht die Realitäten exakt ein Jahr vor dem Anpfiff der XXL-Endrunde mit 48 Teams in den USA, Kanada und Mexiko. „Wir können nicht in zwei Jahren die Welt einreißen und aufholen, was über mehrere Jahre nicht gut lief“, sagte der 37-Jährige. In seinen Schlussworten bat er in Stuttgart sogar die Reporter im Pressekonferenzraum eindringlich um Geduld und Vertrauen. Seiner Mannschaft sprach er es aus: „Ich spüre etwas Besonderes in der Gruppe.“ 

„Können nicht in zwei Jahren die Welt einreißen“

Nach dem ernüchternden 1:2 in Spiel eins gegen den neuen Nations-League-Sieger Portugal um Anführer Cristiano Ronaldo vermittelte der engagierte, aber am Ende wieder Augen öffnende Auftritt gegen den WM-Zweiten Frankreich mit Matchwinner Kylian Mbappé dem Bundestrainer wieder ein „besseres Gefühl“. 

Nagelsmann blickt positiv in die zweite Jahreshälfte: „Wenn wir so in der WM-Qualifikation auftreten, werden wir da hoffentlich gut durchmarschieren und bei der WM antreten. Und dann haben wir große Lust, das Turnier zu gewinnen.“

Das Ticket als Sieger der Gruppe A mit der Slowakei (Weltranglistenplatz 46), Nordirland (Platz 71) und Luxemburg (Platz 91) zu lösen, muss ein Selbstläufer sein. Aber der Maßstab ist die Weltspitze, sind Topteams wie es Spanien, Frankreich und Portugal, die bei der Mini-Heim-EM ein ganz anderes Qualitäts-Level als die DFB-Auswahl boten – auch in der Klasse und Breite ihrer Kader. 

Musiala, Rüdiger, Havertz: Ausfälle wiegen zu schwer

Nagelsmann sprach beschönigend von „ein paar Prozentpunkten hinter den Topteams“. Fakt war: Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps wechselte gegen Deutschland auf acht Positionen im Vergleich zum 4:5-Spektakel im Halbfinale gegen Europameister Spanien. 

Und Nagelsmann? Konnte die Ausfälle von Antonio Rüdiger über Jamal Musiala bis Kai Havertz nicht ansatzweise adäquat ersetzen. Hinter der ersten Elf wird’s dünn. Und auf einigen Positionen fehlt es überhaupt an internationaler Klasse. „Was die Breite des Kaders angeht, müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass wir das in einem Jahr geregelt kriegen. Wir können nicht in zwei Jahren Versäumnisse von acht Jahren aufholen“, sagte Nagelsmann. 

39 Spieler hat er in den zehn Länderspielen 2024/25 mit fünf Siegen, drei Unentschieden und zwei Niederlagen beim großen Saisonfinale eingesetzt. In zwölf Monaten müssen aber alle Leistungsträger gesund sein und so top in Form, wie Marc-André ter Stegen. Ungeachtet des belastenden Rumorens um seine Zukunft beim FC Barcelona hielt der 33-Jährige überragend bei seinem Comeback im DFB-Tor. 

Zwei Niederlagen nacheinander gab es in den nun 23 Länderspielen unter Nagelsmanns Leitung nur einmal im November 2023 gegen die Türkei und Österreich. Damals war ein radikaler Kaderumbau Nagelsmanns Reaktion. 

Im Sommer 2025 ist so eine Panik-Reaktion nicht nötig. Das Frankreich-Spiel hätte auch anders laufen können, ja müssen. „Fußball ist der sprichwörtliche Ergebnissport“, haderte Nagelsmann. „Fehlen tun Tore“, benannte Torjäger Niclas Füllkrug das Manko nach einer schwungvollen ersten Hälfte, an deren Ende es laut Verteidiger Jonathan Tah „4:1 stehen muss“ – und nicht 0:1.

„Mbappé versenkt Deutschland“

„Wir müssen nach sechs Minuten schon 3:0 führen“, meinte Kapitän Joshua Kimmich und ergänzte: „Wenn man ehrlich ist, hatten die Franzosen in der ersten Halbzeit gar keinen Bock zu gewinnen – und gewinnen dann trotzdem.“ 

Weil sie über Spieler verfügen, die den Unterschied machen können. „Mbappé versenkt Deutschland“, schrieb die spanische Zeitung „Marca“. Der Star von Real Madrid war erst unsichtbar und fehlerhaft. Und dann machte er mit dem Halbzeitpfiff eiskalt das 1:0. 

Und in der zweiten Hälfte, als das deutsche Spiel nach dem aberkannten Ausgleich von Deniz Undav „wilder und wilder“ (Füllkrug) wurde, legte der nur noch von ter Stegen einige Male aufzuhaltende Mbappé dem eingewechselten Bayern-Stürmer Michael Olise das dann völlig verdiente 2:0 auf (84.). 

Der Neu-Münchner Tah mahnte jedoch wie der Bundestrainer, „nicht nur das Negative“ nach der bislang trotzdem besten Nations-League-Platzierung zu sehen. „Wir haben es geschafft, aus der Krise der letzten Jahre rauszukommen und den Leuten wieder Hoffnung zu geben. Das sollten wir nicht verlieren, weil wir jetzt zwei Spiele verloren haben“, sagte der 29-Jährige. 

„Liege jetzt nicht nur am Strand“

Nagelsmann und sein halber Kader verabschiedeten sich noch in Stuttgart in den Urlaub. „Ich liege jetzt nicht nur am Strand – auch mal, aber nicht nur“, sagte der Bundestrainer. Die WM-Planungen bestimmen weiter seinen Alltag. Für die Nationalspieler vom FC Bayern und Borussia Dortmund geht es jedoch noch weiter mit der Club-WM, die für sie maximal bis zum 13. Juli dauert. 

Nagelsmann wird wegen der (Über-)Belastung besorgt in die USA blicken. „Natürlich erhöhen fitte Spieler die Wahrscheinlichkeit, eine gute WM zu spielen“, sagte er mit Blick auf die schon im August beginnende neue Saison. Wenn unersetzbare Leistungsträger verletzt ausfallen, „vermindert das die Wahrscheinlichkeit ungemein“. Und damit Träumereien vom WM-Coup.

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