Tiergesundheit: Günther ist zu dick – vom Martyrium einer Katze auf Diät

Kater Günther ist außerordentlich faul. Das zeigt sich zunehmend auch auf der Waage. Die Autorin muss ihn jetzt zum Abspecken bewegen. Wie die Diät läuft? Geht so.  

Günther ist zu dick, sagt die Ärztin. Sie ist unzufrieden mit mir, sieht mich an wie eine Lehrerin das Kind, dessen Hund tatsächlich die Hausaufgaben gefressen hat. Nur, dass Günther kein Hund ist, sondern ein Kater im besten Alter und sie so tut, als habe er alle Hausaufgaben der Welt gefressen. Das Tier soll abnehmen, sein Gewicht sei grenzwertig, behauptet sie. Der Kater lässt unter dem Griff der Ärztin die Ohren hängen. Ich verstehe ihn.

Günther ist nicht zu dick, finde ich. Günther ist ein Britisch-Kurzhaar-Kater von stattlicher Größe und mit dichtem Fell. Das ist hübsch plüschig, trägt aber auf. Außerdem ist die Rasse bekannt für ihren stämmigen Körperbau. Ich vermute, er hat schwere Knochen. Dass die Ärztin ihn dick nennt, trifft mich. Schließlich bin ich diejenige, die ihm das Futter hinstellt. 5,6 Kilo hat die Waage angezeigt. Als ich später zu Hause nachlese, dass Britisch-Kurzhaar-Kater bis zu acht Kilo schwer werden können, bin ich beinahe beleidigt.

Wohnungskatzen neigen dazu, Kilos zu sammeln

Katzen mit Normalgewicht haben eine sichtbare Taille, die Rückenwirbel sind beim Darüberstreichen zu spüren und die Rippen lassen sich am Brustkorb leicht ertasten, im Idealfall sogar zählen. Ein bisschen suchen muss man all das bei Günther schon. Allein schon wegen des erwähnten dicken Fells. Und ja, er hat auch ein klitzekleines Wohlstandsbäuchlein. Aber das, finde ich, hat er sich auch redlich verdient.

Als Günther im vergangenen August bei mir einzog, wog er 4,5 Kilo. Günther hatte Stress. Bei seinen alten Besitzern wohnten neben ihm noch drei andere Katzen und ein Spitz. Und genau dieses Mistvieh – tut mir leid, aber die Bezeichnung passt – war ein Mobber. Er jagte Günther, kläffte, jagte, kläffte. Bei mir hat der Kater weitgehend seine Ruhe. Er wird bald acht, da darf eine Katze es auch langsamer angehen lassen.

Der gläserne Kater

Ich habe Günthers Gewicht im Blick. Immer. Denn sein Katzenklo reinigt sich nicht nur automatisch, es dokumentiert, wann und wie oft er sein Geschäft verrichtet und misst auch jedes Mal sein Gewicht. Die dazugehörige App informiert mich anschließend. Ich weiß also, dass er zugenommen hat. Ich weiß auch, dass er ganz schön viel zugenommen hat.

Mit seinen 5,6 Kilo ist Günther weit davon entfernt, fett zu sein. Er ist dicklich. Aber eine Gewichtssteigerung von 4,5 auf 5,6 Kilo ist leider eben schon viel. Das ist immerhin eine Zunahme von 24,4 Prozent und in etwa so, als hätte ich in der Zeit 13 Kilo zugenommen. Es stresst mich, wenn ich sehe, dass das Tier immer schwerer wird und das ohne offensichtlichen Grund. Was, wenn das immer so weitergeht?

Dick oder nicht dick? Bei Günther ist das definitiv auch eine Frage der Perspektive – er kann zierlich
© Tina Pokern

Eine dicke Katze lebt gefährlich

„Übergewicht bei Katzen entsteht meist durch eine Kombination aus zu viel Futter und zu wenig Bewegung. Besonders bei Hauskatzen ohne Freigang ist das Risiko erhöht“, erklärt mir Dr. Michael Garner. Er kennt Günther nicht, aber er führt in Hamburg „Cats Only“, eine Tierarztpraxis ausschließlich für Katzen. Günther ist faul. Das stimmt. Er macht am liebsten, was ich zu wenig mache: schlafen. Er schafft die 23 Stunden täglich problemlos. Wenn er sich bewegt, dann meist vom Hunger getrieben und zielstrebig in Richtung Futternapf. Oder zum Kuscheln auf den Schoß, dafür bequemt er sich sogar zum Sprung. Und wenn Leckerlis im Spiel sind, gibt er sogar „high five“. Ansonsten bewegt er sich eher im Energiesparmodus. Günther ist kein Sportler.

Dr. Garner sagt, viele Katzen hätten ständig Futter zur Verfügung und bedienten sich häufiger, als sie sollten. Vor allem Trockenfutter, das ständig bereitstünde, sei für übergewichtige Katzen ein Problem: „Das ist, als würde man den ganzen Tag lang aus einer Chipstüte naschen, die nie leer wird.“ Der Tierarzt empfiehlt, „mehrere kleine Portionen über den Tag verteilt zu geben, statt wenige große Mahlzeiten“. Das entspreche dem natürlichen Fressverhalten der Katze. Das „Problem“: Genau so wird Günther ohnehin gefüttert. 

Er bekommt hochwertiges Futter, nur das Beste vom Besten. Hoher Fleischanteil, kein Getreide, kein Zucker, abwechslungsreich und horrend teuer. Die Mahlzeiten bestehen in der Hauptsache aus Nassfutter. Manchmal gebe ich ihm etwas Trockenfutter aufs Fummelbrett – aber nur, weil er das wirklich sehr liebt. Im Napf landen kleine Futterportionen, dafür aber mehrmals am Tag. Leckerlis gibt es nur in Maßen. Günther trinkt gut. Probleme mit der Verdauung hat er in der Regel nicht. Er ist, soweit bisher bekannt, gesund. 

Wir halten jetzt Diät

Aber es hilft nichts. Meine Sorge, dass Günther immer mehr zunimmt und dadurch krank wird, ist groß. Denn wenn ich ganz ehrlich bin, wurden aus 5,6 Kilo zwischenzeitlich sogar 5,7, dann 5,8. Einmal zeigte die Waage sogar 6 Kilo an. Übergewicht ist gefährlich für Katzen. Würde er meinetwegen einen Diabetes entwickeln, ich würde es mir nie verzeihen. Ich möchte nicht schuld daran sein, dass er irgendwann herzkrank wird, Bluthochdruck oder Probleme mit Blase oder Nieren bekommt. Seine Behäbigkeit macht mir schon jetzt manchmal Sorgen. Leichtfüßig ist er nun nicht gerade. Manchmal stampft er regelrecht über die Dielen. Wenn wir Fangen und Verstecken spielen, muss das für meine Nachbarn klingen wie eine vorbeiziehende Büffelherde.

Wir halten jetzt Diät. Wir, weil es nur gemeinsam geht. Er muss sein Gewicht unter Kontrolle bekommen, aber ich muss es möglich machen. Es ist die erste Diät meines Lebens. Das erste Mal, dass ich mich mit Kalorien auseinandersetzen muss, mit Inhaltsstoffen und Mengen. Günther bekommt nun Futter, das spezifisch für dicke Katzen konzipiert ist: Diätfutter. Wie das klappt? Früher schnurrte, schlemmte und schmatzte sich König Günther durch seine Mahlzeiten. Diese Zeiten sind vorbei. Seit in seinem Napf statt Sterneküche Krankenhausfraß landet, ernte ich täglich empörte Blicke, angewiderte Lefzenhebungen und melodramatische Abgänge. Er kann das. 

Wie kriegt man eine Couch-Potato zum Sport?

Auch Langeweile und Umweltfaktoren wie Stress oder frühere Unterversorgung sowie genetische Faktoren könnten zu vermehrtem Fressen führen, sagt Dr. Garner. Die meisten Punkte wage ich für Günther auszuschließen. Zumal ich ihm eben kein All-You-Can-Eat-Buffet eingerichtet habe. Wahr ist aber, dass gerade Britisch-Kurzhaar-Katzen zu Übergewicht neigen – vor allem Wohnungskatzen. Günther ist seit jeher eine Wohnungskatze. Ich hätte ihn andernfalls nicht zu mir holen können, denn Freigang ist hier nicht möglich. Wohnungskatzen bewegen sich oft zu wenig. Günther bewegt sich definitiv zu wenig.

Wie kann man dieses Tier zum „Sport“ zwingen?
© Tina Pokern

Britisch-Kurzhaar-Katzen sind bekannt für ihren ausgeglichenen und gelassenen Charakter. Sie sind unkompliziert, kuscheln gern und sind eher gemütlich als verspielt. All das trifft auf Günther zu. Weil er schlechte Erfahrungen mit anderen Katzen gemacht hat, kommt außerdem ein Spielgefährte nicht infrage. Er bevorzugt Menschen, vor allem meinen Partner. Es hat mich Monate und viel Geld gekostet, ein Spielzeug zu finden, das ihm behagt – interaktive Vögel, Fische und Bälle, Knisterkissen, Mäuse, stimulierendes Spielzeug mit Baldrian oder Katzenminze, Angeln. Am Ende ist es ein langes Stück Wolle geworden. Mit dem flitze ich nun täglich mehrmals durch die Wohnung und der Kater hinterher. 

Aus meinem schicken Vintage-Design-Wohnzimmer ist ein Katzenzimmer geworden. Eine ganze Kletterwand habe ich ihm gebaut und ein Hochbett am Fenster montiert. Ein richtiger Abenteuerspielplatz. Nutzt er den? Nö. Günther verbringt seine Zeit weiterhin am liebsten bodennah und in der Horizontalen. Eine Couch-Potato in Bewegung zu bringen, ist ein Vollzeitjob. Bei manchen Katzen sei Spazierengehen ein Ding, führt Dr. Garner noch an. Gassigehen also. An der Leine. Ich mag extravagant sein, aber mit Günther durch die Großstadt zu flanieren, würde ich dann doch gern vermeiden wollen. 

Katzen müssen gaaanz langsam abnehmen

„Eine Gewichtsabnahme sollte langsam und auf keinen Fall per Crash- oder Nulldiät passieren“, sagt Dr. Garner. Mehr als ein, zwei Prozent des Körpergewichts sollte eine Katze pro Woche nicht verlieren. Daher sollten Halter sich moderate Ziele setzen. Nimmt eine Katze zu schnell ab, könne das lebensgefährlich werden. „Durch zu schnelles Abnehmen können Katzen krank werden und zum Beispiel Leberprobleme bekommen“, warnt der Tierarzt. 

Ein, zwei Prozent, das wären bei Günther also zwischen 56 und 112 Gramm in der Woche. Laut Katzenklowaage schwankt sein Gewicht täglich bereits bis zu 400 Gramm und pendelt sich dann inzwischen in der Regel um und bei 5,5 Kilo ein. Kann das sein? Dr. Garner hält solche starken Schwankungen für sehr unwahrscheinlich. Für eine präzise Gewichtskontrolle empfiehlt er eine Babywaage und wöchentliches Wiegen. 

Eine Babywaage! Ich wollte nie Kinder. Jetzt bin ich eine Helikopter-(Katzen)-Mom.

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