Die Zahl der Notverkäufe von Häusern und Wohnungen ist im vergangenen Jahr nach 2023 erneut gestiegen. Der Eigentümerverband Haus und Grund geht auch im laufenden Jahr von keiner Entspannung aus.
Angesichts hoher Zinsen und Darlehensraten sind in Hessen im zweiten Jahr in Folge mehr Häuser und Wohnungen von verschuldeten Eigentümern unter den Hammer gekommen. „Für 2.084 Eigentümer – 6,9 Prozent mehr als im Vorjahr – gab es keinen anderen Weg mehr als den Zwangsverkauf“, sagte der Geschäftsführer des Immobilienbesitzerverbandes Haus und Grund Hessen, Younes Frank Ehrhardt.
2023 hatte es Daten des hessischen Justizministeriums zufolge mit 1.949 Neuanträgen bereits ein Plus von 15,7 Prozent im Vergleich zu 2022 gegeben. „Wir hatten auf eine Trendwende gehofft und blicken nun weiterhin mit Sorge auf die Entwicklung“, kommentierte Ehrhardt die Zahlen. Die guten Jahre lägen weit zurück. So sei die Zahl der Anträge in den Jahren 2019 bis 2022 noch um rund 6,2 Prozent, 4,3 Prozent und 7,4 Prozent gesunken.
Haus und Grund Hessen vertritt nach eigenen Angaben die Interessen von mehr als 69.000 Mitgliedern, denen landesweit 85,4 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes gehört.
Schwankende Zinsen auf hohem Niveau
„Die weiter zunehmende Zahl an Anträgen zu Zwangsversteigerungen führen wir auf die schwankenden Zinsen zurück, die sich nach ihrem sprunghaften Anstieg 2022 nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegen – und auf die nach wie vor schwierige Lage auf dem Immobilienmarkt“, sagte Ehrhardt. Zu hohe Darlehensraten bei Neu- oder Anschlussfinanzierungen brächten manche Eigentümer in Schwierigkeiten. „Finden sie auf dem freien Markt keinen Kaufinteressenten, geht die Immobilie in die Zwangsversteigerung.“
Zwangsversteigerungen sind ein Weg, mit dem Gläubiger an ihr Geld kommen können. Meist kommt es dazu, wenn Immobilieneigentümer in eine finanzielle Notlage geraten sind, Haus und Grundstück nicht mehr bezahlen können oder Schulden haben. Dann leitet der Gläubiger ein Verfahren zur Zwangsversteigerung beim Amtsgericht ein. Der Mindestpreis für die Immobilie wird durch ein Gutachten bestimmt.
Das hessische Justizministerium teilte mit, für die Gründe des Anstiegs der Zwangsversteigerungen lägen ihm keine Erkenntnisse vor.
Verband: Politik muss für Entspannung sorgen
Wenig zuversichtlich ist auch Ehrhardts Prognose für das laufende Jahr: „474 neue Anträge im ersten Quartal 2025 legen nahe, dass auch dieses Jahr die Zahlen nicht rückläufig sein werden.“ Das sogenannte Heizungsgesetz werde weiterhin nicht zur Entspannung der Situation beitragen. „Denn Interessenten berücksichtigen beim Kaufpreis auch anstehende notwendige Modernisierungsmaßnahmen – und meiden möglicherweise ältere, unsanierte Immobilien.“ Die Politik sei deshalb dringend gefordert, für Entspannung zu sorgen und Verlässlichkeit zu bieten.
Das von der Ampel-Koalition reformierte Gebäudeenergiegesetz (GEG), oft als Heizungsgesetz bezeichnet, sieht generell vor, dass von 2024 an jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Das kann, muss aber keine Wärmepumpe sein. Die Regelungen greifen zunächst aber nur für Neubauten in einem Neubaugebiet. Funktionierende Heizungen können weiter betrieben werden. Die Reform steht in der Kritik, weil es viele kleinteilige Regelungen zum Heizungstausch gibt.
CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag angekündigt, das Heizungsgesetz abzuschaffen und mit einem Nachfolger zu ersetzen, der „technologieoffener, flexibler und einfacher“ sein soll. Was aber nun genau kommt, ist unklar. Es dürfte auch weiterhin ein Gebäudeenergiegesetz geben.
Bieter profitieren von Entwicklung
Ein Blick auf die Amtsgerichte ergibt ein uneinheitliches Bild. Beim Amtsgericht Wiesbaden etwa ist die Anzahl der Grundstücks-Zwangsversteigerungen 2024 nach Angaben einer Sprecherin um das Doppelte angestiegen. Konkrete Zahlen konnte sie aus organisatorischen Gründen nicht nennen. In der Regel lägen die Versteigerungen unter dem Verkehrswert.
Auch das Amtsgericht Kassel hat einen Anstieg verzeichnet. Wie ein Sprecher mitteilte, gingen 119 Anträge auf Anordnung der Zwangsversteigerung im Jahr 2023 ein, 2024 waren es 170 Anträge.
Kein Anstieg bei den Amtsgerichten in Frankfurt und Gießen
Das Amtsgericht in Frankfurt hingegen kann eine Zunahme der Verfahren nicht bestätigen. Im Jahr 2023 gab es dort einer Sprecherin zufolge 253 Zwangsversteigerungen, im Jahr 2024 insgesamt 219. Die erzielten Erlöse würden statistisch nicht erhoben. „Die Gebote orientieren sich weitgehend an der 7/10-Grenze des jeweils festgesetzten Verkehrswertes“, sagte sie. Diese Entwicklung komme höchstens den Interessenten zugute, Gläubiger würden zum Teil nicht vollständig befriedigt, für Schuldner bleibe kein Geld übrig.
Auch beim Amtsgericht Gießen ging die Zahl der Zwangsversteigerungen von Immobilien 2024 im Vergleich zum Vorjahr einer Sprecherin zufolge leicht zurück. Von 2022 auf 2023 hingegen sei es zu einer deutlichen Steigerung gekommen. „Da die absolute Zahl aber relativ gering ist, macht sich eine kleine Veränderung prozentual sofort recht stark bemerkbar“, sagte sie. So habe es in den Jahren 2021 bis 2024 jeweils 70, 85, 109 und 104 Verfahren gegeben.