Berliner Gericht: Zurückweisungen nach Asylgesuch ohne Prüfung rechtswidrig

Erstmals seit der Verschärfung der Grenzkontrollen Anfang Mai hat ein Verwaltungsgericht über Zurückweisungen an den deutschen Grenzen entschieden. Das Berliner Verwaltungsgericht gab am Montag im Eilverfahren drei Menschen aus Somalia Recht, die sich gegen ihre Zurückweisung ohne Dublin-Verfahren wehrten. Deutschland müsse bei Asylgesuchen auf seinem Staatsgebiet das Verfahren beginnen und abschließen, mit dem der zuständige EU-Mitgliedstaat festgestellt wird, erklärte es.

Es waren die ersten Beschlüsse zu dem Thema, seit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Grenzkontrollen verschärfte. Dobrindt hatte am 7. Mai verstärkte Kontrollen und Zurückweisungen von Geflüchteten angeordnet.

Die Berliner Eilentscheidungen gelten nur für die drei Somalier, zwei Männer und eine Frau, deren Eilanträge größtenteils Erfolg hatten. Das Gericht machte aber deutlich, dass es die Zurückweisungen bei Grenzkontrollen in solchen Fällen allgemein für rechtswidrig hält.

Die Somalier waren mit dem Zug aus Polen kommend nach Deutschland gekommen. Am 9. Mai kontrollierte sie die Bundespolizei am Bahnhof im brandenburgischen Frankfurt an der Oder. Die drei Menschen gaben an, dass sie Asyl beantragen wollten. Sie wurden aber noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete das damit, dass sie aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien.

Dagegen wandten sich die Somalier mit Eilanträgen. Das Gericht erklärte ihre Zurückweisung nun für rechtswidrig. Da die drei Menschen ihren Wunsch nach Asyl ausgesprochen hätten, müsse ihnen der Grenzübertritt erlaubt werden – allerdings nicht unbedingt ohne Einschränkungen. Das Dublin-Verfahren könne an der Grenze oder im grenznahen Bereich stattfinden.

In einem solchen Verfahren prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, welcher Staat zuständig für das Asylverfahren ist. Meist ist es das europäische Land, in das die Betroffenen als erstes reisten. Eine Rolle spielen kann aber beispielsweise auch, ob schon enge Verwandte in einem EU-Staat leben.

Die Bundesregierung könne sich nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage nicht angewendet werden müsse, erklärte das Gericht. Sie könne die Zurückweisungen nicht auf eine Ausnahmeregelung stützen, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sei nicht dargelegt.

Das Vorgehen der Bundesregierung war seit Ankündigung der verschärften Kontrollen rechtlich umstritten. Dobrindt zufolge ist es nicht auf lange Dauer angelegt. Von den Zurückweisungen sind zudem besonders verletzliche Gruppen wie Kinder und Schwangere ausgenommen.

Dobrindt will trotz des Urteils weiterhin zurückweisen. „Wir halten an den Zurückweisungen fest“, sagte er am Montagabend in Berlin. Das Urteil nannte er einen „Einzelfallbeschluss“, sein Ministerium strebe zudem eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren an.

Die Geflüchtetenorganisation Pro Asyl forderte „ein sofortiges Ende rechtswidriger Zurückweisungen an den deutschen Grenzen“. Dobrindt habe „mit seinem nationalen Alleingang genug Leid für Schutzsuchende verursacht und außenpolitischen Schaden angerichtet“, betonte Pro-Asyl-Geschäftsführer Karl Kopp.

Dass die Zurückweisung von Asyl- und Schutzsuchenden „juristisch stark umstritten ist“, sagte Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei bei der GdP, den Funke-Zeitungen. Wichtig sei, „dass keinerlei Konsequenzen und rechtliche Schritte an unseren Kolleginnen und Kollegen hängen bleiben“.

Scharfe Kritik an der Bundesregierung kam von der Opposition. Die Regierung sei „mit diesem rechtlich höchst zweifelhaften nationalen Alleingang am Ende“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann der Nachrichtenagentur AFP. Die Zurückweisungen seien „allen Bedenken und Einwänden zum Trotz“ angeordnet worden.

Die Union habe sich „eine schallende Ohrfeige vor Gericht“ geholt, betonte Grünen-Chef Felix Banaszak gegenüber AFP. „Es ist unseriös und höchst bedenklich, wenn man immer wieder versucht, den rechtlichen Rahmen maximal auszutesten und dafür auch bereit ist den Rechtsbruch in Kauf zu nehmen.“

Die Linken-Politikerin Clara Bünger forderte Dobrindt auf, „politische Konsequenzen“ aus der Gerichtsentscheidung zu ziehen. „Ein Minister, der bewusst Recht bricht, ist untragbar.“

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