95. Geburtstag von Clint Eastwood: Der Romantiker im Körper eines harten Hundes

2005 dankte Clint Eastwood seiner damals 96-jährigen Mutter für die „guten Gene“. Nun ist er selbst nur ein Jahr von diesem Alter entfernt.

Im Kino läuft der Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ (das Original!) an, der inzwischen zum Zwergplaneten degradierte Pluto wird entdeckt und in San Francisco, Kalifornien, kommt ein Junge namens Clinton „Clint“ Eastwood Jr. auf die Welt. Als der Sohn eines Buchhalters am 31. Mai 1930 das Licht der Welt erblickt, hielt es wohl niemand für möglich, was für eine wortkarge Weltkarriere dem kleinen Schreihals beschienen sein würde – geschweige denn, dass er ihr auch mit nunmehr 95 Lebensjahren noch immer nicht vollends abgeschworen hat.

Einen Namen mag sich Eastwood als unverschämt cooler Cowboy oder knüppelharter Cop auf der Leinwand gemacht haben, der One-Liner wie „Darüber werde ich nachdenken, wenn ich auf dein Grab pisse“ raunt. Als Kind galt er hingegen eher als introvertiert, gar schüchtern. Ihren Teil dazu beigetragen haben dürfte die Tatsache, dass er wegen der häufigen Umzüge seiner Eltern während der Depressionszeit immer „der Neue“ an der Schule war. Von sonderlichem Erfolg war Eastwoods Schullaufbahn jedenfalls nicht gekrönt und so arbeitete er als junger Mann schließlich mal als Supermarktangestellter, Lagerarbeiter oder – obwohl als Soldat für den Koreakrieg eingezogen -, als Bademeister im Militärstützpunkt Fort Ord in Kalifornien.

Statt im Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West im koreanischen Dschungel zu liegen, hatte Eastwood das Glück, seine US-Heimat nicht verlassen zu müssen. Mehr noch: Laut seiner offiziellen Biografie lernte er in Fort Ord sogar noch jemanden namens Chuck Hill kennen, der ihm die Tür nach Hollywood aufstieß. Dort legte man ihm aber umgehend Schauspielunterricht nahe, weil er die Angewohnheit hatte, seine Zeilen mit zusammengebissenen Zähnen darzubieten – quasi bis heute das Markenzeichen des Kult-Knurrers.

Der Wilde Westen wird seine Heimat

Unzählige kleine und zuweilen undankbare Rollen später war es das Jahr 1958, das Eastwoods Karriere endlich die nötige Traktion geben sollte. Er ergatterte eine der Hauptrollen in der Westernserie „Tausend Meilen Staub“ (1959-1966, Originaltitel: „Rawhide“), der er als rechtschaffener Heißsporn Rowdy Yates bis zu deren Absetzung nach acht Staffeln die Treue hielt. Den Cowboyhut sollte er jedoch nicht mehr so schnell loswerden…

Ende 1963 nahm er die Rolle des „Mann ohne Namen“ im Film eines unbekannten italienischen Regisseurs an – Sergio Leone (1929-1989). Mit „Für eine Handvoll Dollar“ hatte Eastwood endlich den langersehnten Transfer vom langweiligen Helden hin zum Antihelden gemacht: „Bei ‚Rawhide‘ wurde ich der Rolle des typischen Strahlemanns, der alten Frauen und Hunden ein Küsschen gibt und nett zu allen ist, so überdrüssig“, wird er im Buch „Aim for the Heart: The Films of Clint Eastwood“ zitiert. Über zu nette Rollen musste er sich in Italo-Streifen wie „Für ein paar Dollar mehr“ (1965), „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) oder US-Western der Marke „Hängt ihn höher“ (1968) und „Ein Fressen für die Geier“ (1969) jedenfalls nicht sorgen.

„Make my day!“

Der Anfang der 70er Jahre stellt für Eastwood in doppelter Hinsicht eine wichtige Phase seines Schaffens dar. Zum einen machte er sich 1971 erstmals mit einer anderen Paraderolle abseits des Cowboys einen Namen – mit der des beinharten Polizisten Harry „Dirty Harry“ Callahan, der in insgesamt fünf Teilen von Verbrechern gerne einen Grund serviert bekommt, um sie abservieren zu können: „Na komm‘ schon, make my day!“

Zum anderen feierte er ebenfalls 1971 mit dem Thriller „Sadistico – Wunschkonzert für einen Toten“ sein Debüt als Regisseur. Mit wenigen Ausnahmen castete er sich in seinen über 40 Regiearbeiten bis dato gerne selbst, vornehmlich als Hauptfigur. Zuletzt etwa 2021 im Streifen „Cry Macho“ oder im inzwischen auch schon 17 Jahre alten Drama „Gran Torino“.

Die größten Erfolge in seiner langjährigen Karriere durfte er jedoch immer nur als Regisseur feiern. Seine ersten beiden Oscars griff er 1993 für die beste Regie und den besten Film jeweils für „Erbarmungslos“ ab, ging als Hauptdarsteller in dem düsteren Spätwestern jedoch leer aus. Die exakt gleiche Konstellation dann im Jahr 2005, als er erneut zwei Oscars (beste Regie, bester Film) für „Million Dollar Baby“ einheimste, als Hauptdarsteller aber das Nachsehen hatte.

Ein Schauspiel-Goldjunge fehlt ihm bis heute und dürfte auch nicht mehr erreichbar sein. Seine bislang letzte Rolle hatte er 2021 in „Cry Macho“ inne, seine womöglich letzte Regiearbeit kam Anfang dieses Jahres mit „Juror #2“ in die deutschen Kinos. Ganz hat er der Traumfabrik nicht abgeschworen, als Produzent hat er noch einen Pfeil im Köcher: „The Gauntlet“ mit Tom Cruise und Scarlett Johansson, eine Neuverfilmung des gleichnamigen Films von 1977, in dem – wie könnte es anders sein – Clint Eastwood die Hauptrolle innehatte.

Singen mit zusammengebissenen Zähnen

In den 60er Jahren war es gang und gäbe für Schauspieler, sich auch hinterm Mikrofon als Sänger zu versuchen. Gekoppelt an seine damalige Rolle in der TV-Serie „Tausend Meilen Staub“ trällerte er etwa die Platte „Rawhide’s Clint Eastwood Sings Cowboy Favorites“ und hatte sogar ein Duett mit Ray Charles (1930-2004, „Beers to You“). Auch das Abspannlied von „Gran Torino“ sang Eastwood selbst ein.

Vor genau 30 Jahren, 1995, bewies Eastwood übrigens auch auf der Leinwand seine einfühlsame Seite. Kinogänger staunten damals nicht schlecht – ist das wirklich Dirty Harry, der da in „Die Brücken am Fluss“ mit Meryl Streep turtelt? „Darin spielte ich einen romantischen Typen, was im Gegensatz zu all den anderen Rollen eher meinem wahren Naturell entspricht“, sagte er 2009 als Gast bei Ellen DeGeneres. Die Reaktion: ungläubiges Gelächter im Publikum.

Fakt ist: Bei der Damenwelt kam er stets gut an und Eastwood präsentierte sich diesbezüglich nie als Kind von Traurigkeit. Acht Kinder hat der Mime, zwei Söhne und sechs Töchter, zwischen seinem jüngsten und seinem ältesten Nachwuchs liegen 42 Jahre.

Die Hälfte davon stammt aus unehelichen Beziehungen und/oder Seitensprüngen. So auch sein wohl berühmtester Spross, Sohnemann und Lookalike Scott Eastwood. Ihn und dessen Schwester Kathryn zeugte Eastwood mit der Flugbegleiterin Jacelyn Reeves, während er eigentlich eine Beziehung mit der (verheirateten) Schauspielerin Sondra Locke (1944-2018) führte.

Auch politisch sorgte Clint Eastwood immer wieder für Aufsehen. Etwa, als er von 1986 bis 1988 Bürgermeister der kalifornischen Kleinstadt Carmel-by-the-Sea war. Unvergessen jedoch ein Auftritt im Jahr 2012, den Eastwood selbst nur zu gerne aus seiner Vita streichen würde. Bei einer Wahlveranstaltung der Republikaner führte er ein angeregtes Fremdschäm-Gespräch mit einem leeren Stuhl, der den damaligen Präsidenten Barack Obama personifizieren sollte. Auf die Frage, was er in seiner Karriere am meisten bereue, sagte er laut „The Washington Post“: „Ich schätze, als ich diese dämliche Sache bei der Republikaner-Versammlung gemacht und mich mit dem Stuhl unterhalten habe.“ Selbst ein alter (harter) Hund lernt eben nie aus.

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