Das Prinzip der Abschreckung lautet: Rüste dich, um den Krieg zu verhindern. Nur: Wie abschreckungsfähig ist Europa? Vor dem Nato-Gipfel in Den Haag im Juni wächst die Sorge.
„Vielleicht ist dieser Sommer der letzte Sommer, den wir noch im Frieden erleben.“ Mit diesen Worten hat der Militärhistoriker Sönke Neitzel kürzlich die Deutschen aufgeschreckt. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Russland und der zunehmenden Konflikte im transatlantischen Bündnis wächst die Bedrohung für Europa.
Umso wichtiger, genauer in den Blick zu nehmen, was den Frieden in Europa über Jahrzehnte gesichert hat – und ihn auch in Zukunft sichern kann: militärische Abschreckung. Das ist das Thema der ersten Ausgabe des neuen Formats „Deep Dive“ im stern-Podcast „Die Lage – International“ mit Christian Mölling, Sicherheitsexperte beim Brüsseler Think Tank „European Policy Center“.
„Artikel 5 hat eine riesige Konsequenz“
„Der Artikel fünf der Nato-Charta hat nach wie vor eine riesige Konsequenz“, stellt Mölling klar. „Geschlossenheit innerhalb der Nato bedeutet Abschreckungsfähigkeit.“ Mit Sorge blickt der Experte jedoch auf das Gipfeltreffen der Nato, das Ende Juni in Den Haag stattfindet. „Von diesem Gipfel wird ein Signal ausgehen. Wenn Trump den Gipfel scheitern lässt, dann steigt das Kriegsrisiko in Europa weiter. Denn dann wäre die Abschreckung in Europa massiv infrage gestellt.“
Die Podcast-Folge beleuchtet auch den Nutzen von Atom-Waffen für die Abschreckung. In den vergangenen Jahrzehnten waren konventionelle Waffen in den Vordergrund gerückt, Atom-Waffen dienten vor allem als Element gegenseitiger strategischer Bedrohung im Hintergrund. „Sie waren vor allem Kommunikationssysteme und nicht Zerstörungssysteme“, so der Experte. Weil niemand ihren Einsatz ernsthaft in Erwägung zog. Trotzdem müssten Militärplaner sich immer wieder mit der Möglichkeit eines Nuklear-Kriegs auch im Detail beschäftigen, damit die Waffen ihren Nutzen behielten.
Wann Abschreckung funktioniert
„Abschreckung bedeutet, jemanden davon zu überzeugen, etwas nicht zu tun, indem man ihm glaubhaft vermittelt, dass die Kosten größer sind als der zu erwartende Nutzen.“ Diese Definition des Harvard-Politologen Joseph Nye gelte für Militärplaner in ähnlicher Weise wie für Eltern bei der Kindererziehung, erklärt Sicherheitsexperte Christian Mölling im neuen „Deep Dive“ Format des stern-Podcasts „Die Lage – International“.