Nirgendwo sonst bei deutschen Staatsanwaltschaften wachsen die Aktenberge so sehr wie in Hamburg. In bestimmten Deliktbereichen hat sich die Zahl unerledigter Fälle vervielfacht.
Bei der Hamburger Staatsanwaltschaft steigt die Zahl unerledigter Ermittlungsverfahren vor allem in den Deliktbereichen Diebstahl und Unterschlagung, Kinderpornografie und Geldwäsche. Auch bei Verstößen gegen das Ausländer- und das Betäubungsmittelgesetz hat sich die Zahl der unerledigten Verfahren besonders stark erhöht, wie aus der Senatsantwort auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht.
Als Grund für den besonders deutlichen Anstieg gab der Senat unter anderem steigende Eingangszahlen bei der Staatsanwaltschaft an. „Ein Anstieg von Neueingängen ist vielfach wiederum durch eine höhere Kontrolldichte bedingt“, heißt es weiter.
Auch Dauer der Ermittlungsverfahren nimmt deutlich zu
Am deutlichsten war der Anstieg bei der Kinderpornografie: Gab es laut Senat im Jahr 2020 noch 387 unerledigte Fälle, stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 1.473. In fast gleichem Umfang (391/1.473) stieg die Zahl bei der Geldwäsche. Im Deliktbereich Diebstahl und Unterschlagung gab es in diesem Zeitraum mehr als eine Verdopplung von 2.757 auf 5.638 Fälle, ebenso bei den Verstößen gegen das Ausländer- und das Betäubungsmittelgesetz, dort allerdings auf niedrigerem Niveau.
Zugleich erhöhte sich den Angaben zufolge die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Verfahren von 2,2 Monaten im Jahr 2020 auf 2,9 Monate im vergangenen Jahr.
Erst im März hatte eine Umfrage der „Deutschen Richterzeitung“ bei den Justizministerien der Länder ergeben, dass die Zahl unerledigter Ermittlungsverfahren in Hamburg insgesamt so stark wie in keinem anderen Bundesland gestiegen ist: von 22.900 Fällen im Jahr 2021 auf 47.953 offene Verfahren im vergangenen Jahr.
Nockemann nennt Entwicklung dramatisch
„Diese Entwicklung ist dramatisch“, sagte der Justizexperte und Vorsitzende der AfD-Fraktion, Dirk Nockemann. „Sie gefährdet das Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat.“ Zugleich bemängelte er, dass trotz wiederholter Stellenoffensiven viele Planstellen in der Hamburger Justiz unbesetzt seien.
Laut Senatsantwort sind derzeit mehr als 45 Stellen bei der Staatsanwaltschaft vakant – darunter 17 für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und fast ein Dutzend in den Geschäftsstellen.
„Der Senat verwaltet das Problem, statt es zu lösen“, sagte Nockemann und forderte „strukturelle Reformen, eine echte Entlastung durch konsequente Digitalisierung und neue Formen der Arbeitsteilung innerhalb der Justizbehörden.“