Der Sturz des Assad Regimes in Syrien hat den Islamischen Staat geschwächt. Doch die neue US-Regierung beliefert die Dschihadisten unweigerlich mit neuem Stoff für ihre Propaganda.
Nach außen ist es still geworden um den Islamischen Staat (IS). Das dürfte auch am überraschenden Sturz des Assad-Regimes im vergangenen Jahr liegen. Syrien, wo der IS lange florierte, strebt eine neue Ära an: ohne dschihadistische Gruppen, möglichst eng mit den USA. Doch das bedeutet nicht, dass Gruppen wie der IS von heute auf morgen verschwinden.
Die Zahl ihrer Anschläge im Westen mögen zurückgegangen sein, aber es gibt sie noch: Am Neujahrstag tötete ein 42 Jahre alter Veteran der US-Armee in New Orleans vierzehn Feiernde mit einem Lastwagen – im Namen des IS. Anfang Mai nahmen die US-Behörden einen 19-jährigen ehemaligen Nationalgardisten fest, der eine Massenerschießung auf einer Militärbasis in Detroit geplant haben soll. Auch in diesem Fall gab offenbar es Hinweise auf Verbindungen zum IS.
Wie der Islamische Staat den Gaza-Krieg instrumentalisiert
Diese Fälle „zeigen, welchen Einfluss die Organisation immer noch auf die USA ausüben kann“, sagt Lucas Webber dem britischen „Guardian“. Er leitet die Abteilung für Bedrohungsanalysen der internationalen Initiative Tech Against Terrorism, die von den Vereinten Nationen unterstützt wird. Terrorismusexperten wie Webber, die den IS schon lange beobachten, befürchten nun, dass die neue Trump-Administration den Dschihadisten neuen Aufschwung geben könnte.
Vor allem Trumps bisherige Haltung zum Krieg in Gaza werde zu Propagandazwecken und der Rekrutierung neuer Mitglieder genutzt. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit hegte Trump große Sympathien für Benjamin Netanjahu und schob die Verantwortung für den Krieg in Gaza allein auf die Terrorgruppe Hamas. Mittlerweile ruderte er zurück und betonte, dass Israels Offensive, die von immer mehr Staaten verurteilt und von einigen als Völkermord kritisiert wird, schnell beendet werden müsse.
Doch damit lässt sich die digitale Propagandawelle des IS nicht mehr eindämmen. Wie der „Guardian“ unter Berufung auf Terrorexperten berichtet, ruft die Terrororganisation in Onlinenetzwerken, mit Bildern und Artikeln zur „Rache für die Muslime in Gaza“ auf.
Den von Trump international ausgelösten Zollstreit werteten die IS-Mitglieder indes als Zeichen für den Zerfall der westlichen Machtstrukturen. In einem weiteren Online-Artikel macht sich der IS über einen „rücksichtslosen Trump“ lustig, der „wiederholt den Sieg über den Dschihad behauptet hat, doch jetzt ist er damit beschäftigt ist, deutsche Autos und chinesische Waren zu bekämpfen“ und „Handelskriege“ zu schüren, die zum Untergang der „Kafir-Nationen“ führen würden. Der Begrif „Kafir“ steht für Ungläubige, als Menschen, die dem muslimischen Verständnis und Regeln des IS widersprechen.
Tattoos von Hegseth schüren Kriegsfantasien
Selbst Körperbemalung führender US-Politiker instrumentalisiert der IS offenbar für seine Zwecke: Vergangenes Jahr sorgte der damals designierte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth für Aufsehen, als er das Tattoo eines Jerusalemkreuzes auf seiner Brust und den Schriftzug „Deus Vult“ (Gott will es) auf seinem Arm präsentierte. Beide Symbole gehen auf die Zeit der christlichen Kreuzzüge im Nahen Osten zurück und gelten als Erkennungszeichen der extremen Rechten. Zuletzt erntete Hegseth Kritik wegen Fotos eines Tattoos, das den Begriff arabische „Kafir“ darstellen sollte.
Kritiker interpretierten Hegseths Körperbemalung als Zeichen für Islamfeindlichkeit. US-Soldaten nutzen den Begriff im Irak- und Afghanistankrieg – in denen Hegseth involviert war – als abwertende Bezeichnung für die Gegner.
Der IS wiederum wertet solche Insignien in seinen Onlineforen als Kriegserklärung. „Was wollt ihr noch als Beweis dafür, dass sie uns alle auslöschen wollen?“, schrieb ein Nutzer unter ein Bild von Hegseths Tätowierungen in einem Nachrichtenchat mit Rekruten des IS.
Donald Trump hatte einst behauptet, der Islamische Staat sei besiegt. Für Terrorexperte Webber sind solche Chatnachrichten aber eindeutige Hinweise darauf, wie der IS soziale Medien und Nachrichtendienste weiterhin nutzt, „um seine Ideologie zu verbreiten und seine Anhänger zu Anschlägen zu inspirieren“.