Wahlkampf: Große Demos sollen Polen vor Präsidentenwahl mobilisieren

Am 1. Juni entscheiden die polnischen Wähler über ein neues Staatsoberhaupt. Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Bringen Großkundgebungen in Warschau einem der Kandidaten den Durchbruch?

Eine Woche vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen setzen beide Kandidaten auf ein öffentliches Kräftemessen. Wer bringt heute in Warschau die meisten Menschen auf die Straße? Der liberale Bewerber Rafal Trzaskowski hat zum „Marsch der Patrioten“ aufgerufen. Zeitgleich bittet sein Rivale Karol Nawrocki von der nationalkonservativen PiS zum „Marsch für Polen“. 

Die Kundgebungen sollen die eigenen Anhänger motivieren – und die Unentschiedenen beeindrucken. Das zumindest ist die Hoffnung der beiden Lager, denn laut Umfragen steht es Spitz auf Knopf: Sowohl Trzaskowski als auch Nawrocki können bei der Abstimmung am kommenden Sonntag mit 47 Prozent der Stimmen rechnen. 

Wahlausgang auch für Deutschland wichtig

Das Ergebnis der Wahl wird Polens weiteren Kurs maßgeblich bestimmen – mit Auswirkungen für Deutschland und Europa. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat das EU- und Nato-Land Polen an politischem Gewicht gewonnen. Dies zeigte kürzlich auch die Reise nach Kiew von Regierungschef Donald Tusk gemeinsam mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premier Keir Starmer.

Tusk braucht den Sieg seines Kandidaten Trzaskowski, um seine Reformpolitik umzusetzen und den von der PiS demolierten Rechtsstaat wieder herzustellen. Der bisherige Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, hat die meisten Gesetzentwürfe von Tusks Regierung mit seinem Vetorecht blockiert. Wird Nawrocki neues Staatsoberhaupt, dürfte er diese Blockadepolitik fortsetzen. Tusks Mitte-Links-Bündnis hat im Parlament nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, um das Veto des Präsidenten aufzuheben. 

Buhlen um die rechtsextremen Wähler

Und Nawrocki blickt scharf nach rechts. Denn dort gibt es für den 42-jährigen Kandidaten der PiS die meisten Wähler zu holen. Die erste Wahlrunde offenbarte einen für viele schockierend hohen Zulauf für zwei rechtsextreme Kandidaten. Der 38-jährige Unternehmer Slawomir Mentzen, der mit einem MAGA-ähnlichen Programm („Make America Great Again“ war der Wahlkampf-Slogan von US-Präsident Donald Trump) vor allem bei jungen Männern punktete, bekam fast 15 Prozent der Stimmen. Der Antisemit Grzegorz Braun landete bei mehr als sechs Prozent.

Beide schieden zwar aus dem Rennen aus. Doch Mentzen möchte nun das Zünglein an der Waage spielen. Er hat Nawrocki und Trzaskowski einzeln in seine Youtube-Show eingeladen und ihnen seinen Acht-Punkte-Plan zur Unterschrift vorgelegt. Davon macht er seine Wahlempfehlung abhängig.

Eine Stunde lang wurden die Zuschauer Zeugen, wie der 42-jährige promovierte Historiker Nawrocki sich Mentzen unverhohlen anbiederte, diesen beständig mit „Herr Doktor“ anredete und auf sein Geheiß die christsozialen Aspekte der PiS-Politik von rechts kritisierte. „Die Herren fraßen sich fast gegenseitig aus dem Schnabel“, schrieb das Magazin „Polityka“. 

Am Ende setzte Nawrocki seine Unterschrift unter Mentzens Acht-Punkte-Plan. Darin verpflichtet er sich unter anderem, kein Gesetz zu unterschreiben, dass den Beitritt der Ukraine zur Nato ratifiziert, die nationale Währung Zloty zu verteidigen und keine Kompetenzen der polnischen Regierung an Brüssel abzugeben.

Trzaskowski will Acht-Punkte-Plan nicht unterschreiben

Mit seinem Gast Trzaskowski hatte der Rechtsextremist Mentzen mehr Arbeit. Der 54-jährige Warschauer Oberbürgermeister, der auch Erfahrung im Europäischen Parlament und als Minister gesammelt hat, zeigte seine außen- und europapolitische Kompetenz und nahm die Argumente Mentzens auseinander. Am Ende weigerte er sich, dessen Acht-Punkte-Plan zu unterschreiben. 

Es komme für ihn nicht infrage, die Perspektive eines Nato-Beitritts der Ukraine abzuschreiben, sagte Trzaskowski: „Putin versteht nur die Sprache der Stärke. Wenn die Ukraine keine Sicherheitsgarantien bekommt, sind wir als nächstens dran.“ Auf die Unterstützung der Mehrheit von Mentzens Wählern wird Trzaskowski bei der Stichwahl nun wohl verzichten müssen.

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