Ein Jahr ist der emotionalste Sieg seiner Karriere her. Für Charles Leclerc ist das Formel-1-Rennen in Monaco besonders speziell. An diesem Wochenende hofft der Ferrari-Star auf Magie.
Viel mehr als Durchhalteparolen bleiben Charles Leclerc vor seinem Heimspiel in den engen Straßen von Monaco nicht. „Wir möchten diese Saison nicht abschreiben. Wir können es uns nicht leisten, jetzt aufzugeben“, sagte der Ferrari-Star vor dem Grand Prix in seiner Geburtsstadt. Vor einem Jahr gewann der 27-Jährige erstmals das prestigeträchtigste aller Formel-1-Rennen, das er schon als Kind hautnah hinter den Leitplanken verfolgte.
Ist eine Wiederholung seines Coups mit anschließendem Jubelsprung ins Hafenbecken am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) realistisch? „Die Hoffnung ist da, dass wir überraschen können, aber auf dem Papier sieht es einfach nicht gut aus“, sagte Leclerc. Denn der störrische Ferrari will mal wieder nicht so, wie sich die stolze Scuderia das vorstellt. Nach sieben von 24 Saisonläufen liegt Leclerc in der Gesamtwertung als Fünfter 85 Punkte hinter Spitzenreiter Oscar Piastri im McLaren. Schon wieder wird es nichts mit dem ersehnten WM-Titel.
Ende der Ferrari-Krise nicht in Sicht
Der Finne Kimi Räikkönen gewann 2007 die letzte Fahrerkrone für Ferrari. Danach scheiterten auch Fernando Alonso und Sebastian Vettel am Triumph der Roten, Leclerc muss sich längst dagegen wehren, dass auch ihm dieser Makel ewig anhaftet. „Ich wüsste gern, was mit dem Auto falsch läuft“, sagte Leclerc im Fahrerlager des Fürstentums: „Es ist nicht abzusehen, wie und wann wir die Lücke nach vorn schließen können und wieder um Siege fahren.“
Teamkollege und Rekordweltmeister Lewis Hamilton sorgte mit seinem Sprintsieg in China immerhin für ein kleines Lebenszeichen, Leclercs einziger Podestplatz der Saison war der dritte Rang in Saudi-Arabien. Das ist im schon siebten Ferrari-Jahr viel zu wenig für den Mann, in dem viele früh einen kommenden Weltmeister sahen.
Einst im Schulbus auf dem Formel-1-Kurs
Das große Problem in Monaco: Der Ferrari hat seine großen Schwächen ausgerechnet in langsamen Kurven. „Und hier gibt es nur langsame Kurven“, sagte Leclerc. Es sei eine frustrierende Situation für das ganze Team. Er muss seinen Wagen am Samstag in der Qualifikation möglichst weit vorn platzieren, um im Grand Prix überhaupt eine Chance auf ein Topresultat zu haben.
In Monaco ist das dem Vizeweltmeister von 2022 besonders wichtig. Über die legendäre Strecke fuhr er in jungen Jahren schon im Schulbus, später war der Große Preis ein Feiertag für die ganze Familie. „Es ist immer noch magisch, wenn die Formel 1 hier fährt“, sagte Leclercs jüngerer Bruder Arthur, der als 24-Jähriger im Nachwuchsprogramm von Ferrari selbst Formel-1-Ambitionen hat.
An der Kurve am legendären Schwimmbad verfolgten die Leclercs einst gebannt das Renngeschehen. „Die Motoren waren damals so laut, dass ich weinen musste, weil es so weh tat“, sagte Arthur Leclerc. Die Eltern mussten ihm Ohrenstöpsel kaufen, 2024 gewann sein Bruder als erster Monegasse seit der Rennpremiere 1950 in seinem Heimatland.
Hoffnung auf Magie im Qualifying
In den Tagen vor dem Grand Prix ist Leclercs Gesicht in der Stadt mit nur rund 39.000 Einwohnern überall zu sehen. Auf Werbeplakaten im unterirdischen Bahnhof, rund um die Strecke, natürlich auch im Fahrerlager. „Der Sieg war ein sehr spezieller Tag für mich“, sagte Leclerc im Rückblick.
Zum dritten Mal stand er dabei schon auf dem ersten Startplatz. Auch am Samstag nehme er sich vor, in der Qualifikation „etwas Magisches zu schaffen“, sagte Leclerc. „Diese Hoffnung gebe ich nicht auf. Meine Motivation hier ist immer besonders hoch.“
Das Asphaltband in Monaco ist maximal zehn Meter breit, oftmals noch deutlich schmaler. Überholen ist im Rennen fast unmöglich, deswegen sind Patzer im Qualifying auf dem Kurs mit dem ikonischen Tunnel und der Rascasse-Kurve so folgenschwer.
Nicht nur Leclerc ist in Monaco zu Hause
Eine neue Regel mit zwei Pflichtboxenstopps soll durch mehr Taktikvarianten endlich auch die Rennsonntage in Monaco spannender machen. Die Fahrer müssen dabei Schwerstarbeit leisten. Die Leitplanken sind nah, ein kleiner Fehler kann schnell das Aus bringen. „Monaco ist für jeden Fahrer besonders“, sagte Leclerc. Während er sein ganzes Leben schon in dem Nobelort mit geschätzt mehr als 12.000 Millionären zu Hause ist, haben auch viele seiner Kollegen einen Wohnsitz an der Côte d’Azur.
Das liegt nicht nur an der Sicherheit und Diskretion für die Reichen, sondern auch an den Steuervorteilen. Wer genug Geld vorweisen kann, um in Monaco leben zu dürfen, profitiert von der Befreiung von der Einkommensteuer, es gibt auch keine Vermögens- oder Grundsteuer.
Zu den Wahlmonegassen zählen in Hamilton, Weltmeister Max Verstappen oder McLaren-Fahrer Lando Norris die größten Namen der Szene. Auch der Deutsche Nico Hülkenberg vom Team Kick Sauber lebt seit 2015 in Monaco. Zwar wird es auch für sie ein Heimspiel, für Leclerc aber etwas mehr. „Der Grand Prix in Monaco bedeutet alles für uns“, sagte Arthur Leclerc.