Folgen eines Urteils: Streit um Folgen des Haushaltsurteils im Norden

Schwarz-Grün will die Notkredite für 2024 und 2025 umschichten. Das soll mit einem Nachtragshaushalt im Herbst passieren. Die Opposition ist unzufrieden mit dem Kurs.

Regierung und Opposition ringen um den richtigen Umgang mit den Schulden in Schleswig-Holstein. SPD und FDP dringen nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt 2024 rasch auf einen Nachtragshaushalt inklusive Tilgungsplan noch vor der Sommerpause. Schwarz-Grün will zuvor erst Ausführungsgesetze des Bundes zur Schuldenbremse abwarten.

Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) mahnte in ihrer ersten Regierungserklärung trotz Reform der Schuldenbremse und damit verbundener höhere Kreditrahmen für die Länder einen Sparkurs an. „Wir werden sparen müssen.“ Unterm Strich bestehe nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts 2025 erhöhter Sparbedarf von rund 248 Millionen Euro. Ein Rückgriff auf Sondervermögen zur Deckung des Haushalts sei nicht vorgesehen – das gelte auch für Fördermittel. „Das wird anspruchsvoll, aber ich bin mir sicher: Wir werden einen guten Weg finden.“ 

Schneider kündigte an, dem Parlament im Herbst einen Nachtragshaushalt vorzulegen, um die Notkredite in Höhe von 492 Millionen Euro aus 2024 und über 271 Millionen Euro aus 2025 umzuschichten. Diese Kredite werden aber nicht sofort zurückgezahlt, sondern umgebucht.

Mehrere Dinge helfen der Koalition aktuell: Ob und wann die im Notkredit 2025 enthaltenen rund 137 Millionen Euro Fördermittel für eine Batteriefabrik von Northvolt bei Heide gezahlt werden müssen, ist derzeit nicht absehbar. Zudem kann das Land absehbar gut eine halbe Milliarde zusätzlicher Schulden machen. Und die jüngste Steuerschätzung bis 2029 erbrachte zwar ein Minus von 607 Millionen Euro. Schwarz-Grün hatte wegen Steuerrechtsänderungen aber mit mehr als einer Milliarde Euro weniger gerechnet. Zudem kann das Land die Vorsorgeaufwendungen für Ruheständler um 50 Millionen Euro senken.

Neuer Verschuldungsspielraum für die Bundesländer

Schneider ist gegen einen raschen Nachtragsetat vor der Sommerpause. Dieser müsste mit einer hohen globalen Mehreinnahme arbeiten. „Das würde in solch einer Größenordnung gegen wesentliche Haushaltsgrundsätze verstoßen und wäre daher wiederum verfassungswidrig, denn Einnahmen und Ausgaben müssen realitätsnah und realisierbar sein.“ Eine verfassungswidrige Folgenbeseitigung werde sie als Finanzministerin nicht vorschlagen.

Für Schleswig-Holstein bedeuteten die geplanten neuen Verschuldungsoptionen eine zusätzlich mögliche Kreditaufnahme von rund 520 Millionen Euro pro Jahr, sagte Schneider. Zudem dürfe das Land in den kommenden zwölf Jahren mit zusätzlichen Infrastrukturmitteln in Höhe von knapp 290 Millionen Euro pro Jahr planen. 

„Der Erfolg des Finanzpaketes wird letztlich daran gemessen werden, ob wir es schaffen, die zusätzlichen Euros tatsächlich in Straßen, Schienen, Schulen, in Krankenhäuser und Klimaschutz, in Beton und Brücken umzusetzen“, sagte Schneider. Noch im Juni will sie mit den Kommunen über die Verteilung der Investitionsmittel sprechen.

CDU-Fraktionschef Tobias Koch verwies darauf, dass Schleswig-Holstein 2024 bereits eine erste Rate von 30 Millionen Euro aus den Notkrediten früherer Jahre in Höhe von knapp einer Milliarde Euro zu den Folgen der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise zurückzahlte. Die Gesamtsumme werde bis 2038 getilgt. Es sei gemeinsame Verantwortung aller, den kommenden Generationen eine starke ökonomische Basis zu hinterlassen. „Das können wir nur erreichen, wenn wir eine Balance zwischen Sparsamkeit und zukunftsorientierten Investitionen finden.“

Kritik der Opposition

„Die Rede der Finanzministerin lässt mich fassungslos zurück“, sagte SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli. Die Landesregierung habe die Verfassung gebrochen. „Ihre Reaktion darauf ist unangemessen, teils unverfroren.“ Die Regierung versuche, das finanzpolitische Desaster zu verschleiern. Dem Land fehlten finanzpolitische Impulse. „Was in Berlin als Aufbruch beschlossen wurde, endet in Schleswig-Holstein als finanzpolitische Pleite.“

Ähnlich scharf kritisierte FDP-Finanzpolitikerin Annabell Krämer den Finanzkurs der Koalition. Sie sprach von einem haushaltspolitischen Armutszeugnis. Ein verfassungskonformer Etat sei keine Option, sondern Pflicht. „Ja, Herr Koch, das war Verfassungsbruch mit Ansage.“ Die Koalition habe gewusst, dass die Notkredit-Praxis nicht verfassungskonform gewesen sei. Die Landesregierung spiele ein Stück weit Glücksspiel mit dem Landeshaushalt.

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt warf der Koalition vor, Nebelkerzen zu zünden. „Man muss wegen des erneuten Notkredits feststellen, dass auch der Haushalt 2025 verfassungswidrig ist.“ Die Notkredite könnten zwar auch im Herbst getilgt werden, es brauche aber jetzt einen Tilgungsplan. „Zwingen Sie uns doch bitte nicht, erneut vors Verfassungsgericht ziehen zu müssen.“

SSW-Fraktionschef Christian Dirschauer warnte mit Blick auf den Sparkurs davor, dass es deshalb keine sozial kalten Haushalte geben dürfe.

Haushalt war wegen der Notkredite verfassungswidrig

Mitte April hatte das Landesverfassungsgericht den Haushalt 2024 für verfassungswidrig erklärt. Die Feststellung eines Haushaltsplans sei nichtig, sofern darin eine Ermächtigung zur Aufnahme von Notkrediten enthalten sei. Zudem habe kein verfassungsgemäßer Tilgungsplan vorgelegen. Die drei Notkredite waren mit der Sturmflut an der Ostseeküste im Oktober 2023, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der Corona-Pandemie begründet worden.

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