Den passenden Vornamen hat er bereits: Christian Dürr löst Christian Lindner als FDP-Chef ab. Dürr soll die Partei neu ausrichten und wiederbeleben. Was bringt er mit?
Nach gut 13 Jahren gibt Christian Lindner sein Amt als FDP-Vorsitzender ab. Damit zieht er Konsequenzen aus dem Wahldebakel: Die FDP hatte bei der Bundestagswahl am 23. Februar nur 4,3 Prozent der Zweitstimmen geholt und ist seitdem nicht mehr im Bundestag vertreten. Das war auch schon von 2013 bis 2017 der Fall. Damals hatte Lindner die Partei erst zurück in den Bundestag und dann 2021 in die Bundesregierung mit SPD und Grünen geführt. Die sogenannte Ampel-Koalition zerbrach aber vorzeitig.
Nun soll Lindners Vornamensvetter Christian Dürr übernehmen. Für die Partei beginnt damit ein Neuanfang. Mit Haltung, wie die FDP auf ihrer Website schreibt. Der Schlüssel dafür ist laut dem 48-jährigen Dürr eine Politik für die „Familie der Mitte“. Aber was genau heißt das? Wofür steht Dürr und ist er der richtige Mann für den Job?
Heimatverbundener Diplom-Ökonom
Am Morgen des Parteitags kündigte Dürr im ZDF-Morgenmagazin bereits an, dass die FDP sich künftig mehr auf die wirtschaftliche Lage der Bürgerinnen und Bürger fokussieren wolle: Das neue Grundsatzprogramm werde „sehr konkrete Antworten“ auf folgende Fragen geben: „Wie können Menschen, die hart arbeiten, noch eine Perspektive haben und sich was leisten?“ In der Vergangenheit sei teilweise der Eindruck entstanden, der Partei gehe es um Wirtschaftslenker und nicht um die Familie der Mitte, sagte Dürr.
Die FDP als Arbeiterpartei? Das wäre wohl zu hoch gegriffen. Dennoch spricht Dürrs Hintergrund dafür, dass er es mit dem bürgernahen Kurs ernst meint. Er wuchs in der niedersächsischen Gemeinde Ganderkesee auf, besuchte dort die Grundschule und das Gymnasium.
Dürrs Eltern hatten ein Einzelhandelsunternehmen, was ihn nach eigener Aussage in die Wirtschaftswelt gebracht hat. Er begann 1998 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Leibniz-Universität Hannover, nicht weit weg von zu Hause, und schloss es 2007 als Diplom-Ökonom ab.
Seinem Heimatort blieb er treu, noch heute wohnt Dürr in Ganderkesee mit seiner Ehefrau und zwei Kindern, zehn und elf Jahre alt. Die Verbundenheit zur Region zeigt der FDP-Politiker offenbar gerne: Das „Handelsblatt“ berichtet etwa von einem Berlin-Besuch, bei dem er Manschettenknöpfe mit dem Niedersachsen-Ross trug.
Christian Dürr, der Vermittler
In Parteikreisen gilt Dürr als bodenständig. 1996 tritt er in die FDP ein und arbeitet sich über die Kommunalpolitik hoch in den niedersächsischen Landtag, dem er von 2003 bis 2017 angehörte, ab 2009 als Fraktionsvorsitzender. Als die FDP 2013 aus dem Bundestag flog, half Dürr Lindner beim Wiederaufbau der Partei. 2017 gelang der Wiedereinzug, Dürr wurde Mitglied des Deutschen Bundestags und im Dezember 2021 Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.
Zu Beginn Ampel-Regierungszeit lief der Austausch zwischen SPD, Grünen und FDP noch professionell ab, doch dann erlebte Dürr das Scheitern der Koalition hautnah mit: Konflikte über Heizungsgesetz, Haushalt und Schuldenbremse führten zum Chaos – und schließlich zum Bruch. Doch Dürr kam ohne großen Image-Schaden davon. Im Gegensatz zu den polarisierenden FDP-Streitrössern Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki eckt er kaum an, nimmt häufig eine Vermittler-Rolle ein.
In einer Regierung oder innerhalb der eigenen Partei zu vermitteln ist das eine, doch auf Dürr wartet nun eine viel größere Herausforderung: Die FDP spielt aktuell keine Rolle mehr in der Bundespolitik, Wähler schauen vielmehr auf die Arbeit des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz in der Großen Koalition mit der SPD. Dürr muss die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die Liberalen zurückgewinnen.
Der Weg zurück in den Bundestag wird steinig
Und wie sieht jetzt der konkrete Plan für die Zukunft aus? Die Mitte habe den Reformmut verloren, ist Dürr überzeugt. In einem „FAZ“-Gastbeitrag erklärt er, wie er das ändern und die Partei neu positionieren möchte. Staatliche Subventionen reduzieren, um die wirtschaftliche Freiheit zu stärken. Aktienrente vorantreiben, um Menschen sozial abzusichern. Schnellere Berufsanerkennung, um Migranten schneller auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Bürokratieabbau, um Verwaltungsprozesse zu vereinfachen. Und so weiter.
Nicht nur thematisch, sondern auch personell will Dürr die FDP nach dem Debakel bei der Bundestagswahl breiter aufstellen. Sein Vorschlag, das Amt der Generalsekretärin mit der KI-Unternehmerin Nicole Büttner zu besetzen, zeige, dass sich die Partei für Menschen öffne, „die direkt aus der Wirtschaft kommen“, sagte er.
Im nächsten Jahr werden Dürrs Umbaupläne einem ersten Härtetest unterzogen. Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stehen an. In beiden Bundesländern regiert die FDP (noch) mit. Verpasst sie den Einzug in eines der Länderparlamente, wäre das ein fatales Signal für die Zukunft der Partei – und für Christian Dürr.
Mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und AFP