Belästigungs-Affäre: Weitere Frauen belasten Grünen-Politiker Gelbhaar

Die Politikerin Klara Schedlich wehrt sich vor Gericht gegen Parteifreund Stefan Gelbhaar. Ihre Anwältin legte neue eidesstattliche Versicherungen vor – Gelbhaars Anwalt protestiert.

Es gibt Siege, die, wie der Philosoph Walter Benjamin es formulierte, Niederlagen sind. Und Niederlagen, die Siege sind. Das könnte womöglich so ähnlich einmal für das Verfahren gegen die Berliner Grünen-Politikerin Klara Schedlich, 25, gelten, gegen die heute vor dem Landgericht Hamburg verhandelt wurde. 

Die Vorgeschichte: Schedlich hatte ihrem Parteikollegen Stefan Gelbhaar gegenüber dem Sender RBB unangemessenes Verhalten vorgeworfen – und dies an Eides statt versichert. Über Instagram & Co., so der Vorwurf, habe Gelbhaar ihr Komplimente für ihr Aussehen gemacht und sie zum Kaffee eingeladen. Schedlich sei damals 19 Jahre alt gewesen, Gelbhaar 42. 

Im März dieses Jahres hatte die Pressekammer des Landgerichts Schedlich verboten, bestimmte Äußerungen aus dieser EV zu wiederholen – unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Dagegen hatte Schedlich Rechtsmittel eingelegt. Daher wurde an diesem Freitag, gut zwei Monate später, öffentlich verhandelt, und im Saal B 355 des Ziviljustizgebäudes des Hamburger Landgerichts saß die bundesdeutsche Presse. 

Die Auseinandersetzung zwischen Schedlich und Gelbhaar hat eine lange und komplizierte Vorgeschichte. 

„Das ist ein Muster“

Im Dezember 2024 waren gegen Gelbhaar Vorwürfe sexueller Belästigung öffentlich geworden. Die Anschuldigungen, die kurz vor der Bundestagswahl laut wurden, hatten zur Folge, dass Gelbhaar auf seinen sicheren Listenplatz verzichtete und das Direktmandat verlor. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtete Ende Dezember ausführlich darüber. Der Sender stützte sich dabei auf eidesstattliche Versicherungen und anonyme Hinweise. Eine dieser eidesstattlichen Versicherungen hatte Klara Schedlich abgegeben. 

Anfang Januar 2025, einige Wochen später also, enthüllten Gelbhaars Anwälte und der Berliner „Tagesspiegel“, dass zentrale Vorwürfe offenbar erfunden waren. Eine grüne Bezirkspolitikerin soll sogar eine eidesstattliche Erklärung gefakt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache. Der RBB musste in diesem Zusammenhang massive Fehler in seiner Berichterstattung einräumen. Die angebliche Hauptbelastungszeugin („Anna K.“) existierte in Wirklichkeit nicht. Gelbhaar fordert nun 1,7 Millionen Euro Schadenersatz vom RBB. 

Nun aber, an diesem Freitag, zog Schedlichs Anwältin Dr. Rebecca Richter aus Berlin vor Gericht einen Stapel Papier aus ihren Akten. Neue eidesstattliche Versicherungen von Frauen, die ebenfalls behaupten, der Grünen-Politiker Gelbhaar habe sich ihnen gegenüber unangemessen verhalten. 

Das, was Klara Schedlich erlebt habe, sei „kein Einzelfall“, sagte Anwältin Richter. „Es ist ein Muster.“ Die Frauen seien jung gewesen und aus dem beruflichen Umfeld Gelbhaars gekommen. „Immer im Parteikontext, immer beruflich, immer junge Frauen. Man findet Parallelen in allen EVs.“ EV ist die Abkürzung der Juristen für „eidesstattliche Versicherung“. Die Frauen würden einander nicht kennen, könnten sich daher nicht abgesprochen haben. „Das muss man einfach mit einbeziehen“, sagte Anwältin Richter. Gerade in den letzten Tagen seien mehrere EVs abgegeben worden. Damit gibt es offenbar eine zweistellige Zahl von Frauen, die Gelbhaar nun übergriffiges Verhalten vorwerfen.

„Es wird alles bestritten“

Gelbhaars Anwalt reagierte sichtlich verärgert. „Es wird alles bestritten. Es gibt kein Muster. Das dient nur der Stimmungsmache.“ In der Sache selbst könne daraus kein Beweis hergeleitet werden.

Klara Schedlich, die aus Berlin angereist war, hatte kurz zuvor berichtet, wie es überhaupt zu der fraglichen eidesstattlichen Versicherung gekommen war. 

Der Sender RBB recherchierte damals demnach, ob Gelbhaar sich unangemessen Frauen gegenüber verhalten habe. Eine Journalistin habe sie gefragt, ob sie Betroffene kenne. Schedlich habe sich darüber geärgert, dass Gelbhaar gesagt habe, er wisse nicht, wovon die Rede sei. Dabei habe sie sich schon vor Jahren bei der Ombudsstelle der Grünen über sein Verhalten beschwert. Die Journalistin habe gesagt, sie bräuchte eine eidesstattliche Versicherung. 

„Ich sollte sagen, was mich veranlasst hat, zur Ombudsstelle zu gehen“, sagte Schedlich im Gericht. Nur deshalb habe sie die EV abgegeben. „Mir wurde gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass das zu Gericht geht. Ich hatte damals noch keine Anwältin.“ Sie habe nie den Eindruck erwecken wollen, dass Gelbhaar sie einseitig mit Nachrichten bombardiert habe. 

Das Landgericht hatte moniert, dass der Kontakt beidseitig gewesen sei.

„Die Kammer ist nicht dabei gewesen“

Die Richterin nahm sich viel Zeit, sprach freundlich mit Schedlich und machte deutlich, dass die Kammer die Unterlassung aus dem März für gerechtfertigt halte. Und dass Schedlich mit ihrem Widerspruch keinen Erfolg haben werde. Das habe – unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussagen – juristische Gründe. Wer etwas äußert, müsse es beweisen können. In der Praxis sei das mitunter schwierig. „Die Kammer ist nicht dabei gewesen. Sie wiegt ab, was sie hat.“ Die Kammer habe sich schlicht „keine abschließende Überzeugung bilden können.“ Das heiße aber nicht, dass die Kammer ihr nicht glaube. 

Es zeichnet sich damit ab, dass Klara Schedlich vor Gericht wohl verlieren wird. Die Unterlassung wird wahrscheinlich Bestand haben. Gelbhaar hat vor Gericht gewonnen. Aber die neuerlichen eidesstattlichen Versicherungen weiterer Frauen sind ein Risiko für ihn. Der Fall ist womöglich noch nicht zu Ende.

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