Morgen|stern: Trifft Präsident auf Propagandist? Und was ist zu erwarten? Die Lage am Morgen

Putin und Trump lassen sich in Istanbul vertreten, Zeugnisvergabe für die Bundesregierung und es laufen Ermittlungen gegen Nato-Mitarbeiter. Was heute sonst noch wichtig ist.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

Wladimir Putin reist nicht nach Istanbul und damit scheint der Ukraine-Gipfel auch für Donald Trump seinen Reiz verloren zu haben. Der US-Präsident hatte vor ein paar Tagen großspurig angekündigt, zum Schlagabtausch zwischen Selenskyj und Putin vorbeizukommen. Jetzt schickt er seinen Außenminister Marco Rubio hin. Auch der Kremlherrscher lässt sich vertreten. Was bedeutet das für die Verhandlungen?

Was ist in Istanbul zu erwarten?

Wolodymyr Selenskyj ist auf dem Weg in die Türkei – sein Flieger geht aber nach Ankara, nicht nach Istanbul. Ober er dorthin nach Putins Absage weiterreist, ist ungewiss. Von russischer Seite reist statt des Präsidenten unter anderem Wladimir Medinski an: Der 54-Jährige war einmal russischer Kulturminister. Heute kennt man ihn als prägenden Ideologe des Putin-Systems, Geschichtsfälscher und politischen Propagandaexperten. Man darf davon ausgehen, dass der Mann die Geschichte über den Ukraine-Krieg in ein anderes Licht rückt – oder es zumindest versucht.

Selenskyj gab sich trotzdem zuversichtlich. Die Verhandlungen könnten nur mit einem Sieg für die Ukraine enden. Was das genau bedeutet, ist umstritten. „Die Ukraine weiß, dass sie Gebiete abgeben werden muss“, sagt „Bild“-Reporter Paul Ronzheimer im „5-Minuten-Talk“. Das Land müsse hoffen, dass die Frontverläufe erst einmal so bleiben, wie sie gerade sind. Ob es für mehr reicht, wird man sehen.

Medinski war übrigens auch an den Friedensverhandlungen 2022 beteiligt. Die Gespräche endeten damals – ebenfalls in der Türkei – ergebnislos.

Kassiert die Regierung wieder eine Klimarüge?

Zeugnisvergabe für die Bundesregierung: Der Bericht des Expertenrats für Klimafragen wird heute zeigen, ob Deutschland beim Klimaschutz auf Kurs liegt. Dafür haben fünf unabhängige Wissenschaftler die Emissionsberechnungen des Umweltbundesamtes überprüft und kontrolliert, ob gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.

Erfahrungsgemäß handelt es sich bei dem Bericht um ein Armutszeugnis für die Bundesregierung. 2024 kamen die Fachleute zu dem Ergebnis, dass Deutschland seine Klimaziele für 2030 reißen wird. Bis dahin sollte das Land seinen CO2-Ausstoß um 65 Prozent senken, vergleichen mit 1990. Vor allem der Verkehrssektor macht uns einen Strich durch die Rechnung. Sollte der Expertenrat nun zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, muss die Bundesregierung nachsteuern.

Die Verfehlungen darf man aber nur einem Teil der Regierung vorwerfen, und zwar der SPD. Immerhin war es ihr selbsternannter Klimakanzler Olaf Scholz, der es in den letzten drei Jahren vermasselt hat.

Fragt sich nur, ob Friedrich Merz es besser machen wird. Das Klima steht auf seiner politischen Agenda nicht sonderlich weit oben, das bewies der Kanzler gestern mit seiner ersten Regierungserklärung. Über ökologische Krisen verlor er kein Wort. Auch nicht darüber, wie er die Energiewende weiterführen und die Wirtschaft klimafreundlicher gestalten möchte. Kritik gab es dafür bereits von den Grünen.

Bahnt sich ein Skandal bei der Nato an?

In Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und Spanien laufen aktuell Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Nato. Einige sollen vertrauliche Informationen an Rüstungsunternehmen weitergegeben haben. Die Verdächtigen arbeiten demnach bei der NSPA. Die Agentur wickelt für die Nato den Kauf von Waffensystemen und Munition ab. Bei den Geschäften geht es um Milliardensummen.

Die belgische Staatsanwaltschaft wirft den Mitarbeitern die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, aktive und passive Korruption sowie Geldwäsche vor. Die ganze Geschichte lesen Sie hier:

Was heute noch passiert

Donald Trump tourt von Doha nach Abu Dhabi. Wie zuvor erwartet, ist es vor allem eine Geschäftsreise – im wahrsten Sinne des Wortes. So lief es in Saudi-Arabien, in Katar und in den Arabischen Emiraten dürfte es auch nicht anders werden. Viele Deals und noch mehr Geld bestimmen die Agenda und nicht der Krieg im nahen Gazastreifen.Das Oberste US-Gericht befasst sich mit Trumps Staatsbürgerschaftdekret. Damit will der US-Präsident verhindern, dass Menschen mit Migrationshintergrund qua Geburt die US-Staatsbürgerschaft erhalten. Dagegen haben mehr als 20 US-Bundesstaaten geklagt, weil sie den Plan für verfassungswidrig halten.In Düsseldorf beginnt der Prozess gegen einen Polizisten, der einem unbewaffneten Flüchtenden in den Rücken geschossen haben soll.Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit – kurz OECD – präsentiert heute einen Bericht über Chancen und Risiken für Kinder in digitalen Zeiten. Klingt erst einmal sperrig, aber solche Untersuchungen sind wichtig, weil sie zeigen, was unsere Gesellschaft herausfordert und wie wir damit umgehen sollten. Kürzlich hat eine Untersuchung aus Deutschland einen Vorgeschmack darauf geliefert, wie es den jungen Menschen heute geht. Kleiner Spoiler: nicht so super.

Zum Schluss noch ein kleiner Rückblick auf gestern Abend: Da wurde in Hamburg der stern-Preis verliehen. Bei der Veranstaltung werden jedes Jahr journalistische Beiträge ausgezeichnet. Vielleicht haben Sie ja auch die ein oder andere Recherche gelesen?

Einen schönen Donnerstag wünscht Ihnen

Christine Leitner
(Nachrichtenredakteurin)

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