„Polizeiruf 110“ aus Magdeburg: Ein Unfall und seine Folgen: Dieser Krimi wirkt noch lange nach

Das anonyme Opfer eines Autounfalls stellt „Polizeiruf 110“-Kommissarin Doreen Brasch vor ein Rätsel. Die Ermittlungen offenbaren die tragische Lebensgeschichte der Frau.

4 von 5 PunktenBewegendes Porträt einer traumatisierten Frau

Worum geht’s in dem „Polizeiruf 110“?

Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) wird zu einem Verkehrsunfall auf einer Bundesstraße gerufen. Ein Auto hat nachts auf regennasser Straße mitten im Wald eine Frau erfasst. Der Fahrer ist flüchtig, das Opfer kommt lebensgefährlich verletzt ins Krankenhaus. Für Braschs Vorgesetzten, Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler), ist der Fall schnell klar: Er glaubt, dass es sich um einen Unfall oder einen Suizid handelt. „Lassen Sie’s ruhen. Lassen Sie los“, fordert er von Brasch. Doch die will unbedingt mehr über die verletzte Frau herausfinden. Eine erste Spur führt zu der alleinerziehenden Mutter Berna Kandemir (Rona Özkan). Sie hat das Unfallopfer vor zwei Monaten bei sich zu Hause aufgenommen und kann Brasch zumindest einen Vornamen mitteilen: Sarah. Eine entscheidende Rolle scheint auch der Star-Architekt René Tamm (Stephan Kampwirth) zu spielen. Auf Sarahs Handy finden sich zahlreiche Fotos von ihm, doch Tamm behauptet, die Frau nicht zu kennen. Kommissarin Brasch verbeißt sich in den Fall und findet immer mehr über Sarahs Leben heraus.

Warum lohnt sich der Fall „Widerfahrnis“?

Der Film schafft, was in vielen Krimis oft zu kurz kommt: eine intensive Auseinandersetzung mit der Protagonistin. Im Zentrum stehen weder die Tat noch die Ermittler, sondern das Schicksal des Unfallopfers Sarah (Mareike Sedl). In Rückblenden wird ihre Geschichte erzählt, nicht reißerisch und aufdringlich, sondern leise und einfühlsam. Es dauert eine Stunde, bis man Sarah zum ersten Mal sprechen hört, zuvor werden ihre Auftritte nur von ihrer intensiven Gestik und Mimik getragen. Ein Wagnis, das aber vollends aufgeht. Den Drehbuchautoren Zora Holtfreter und Lucas Thiem sowie Regisseur Umut Dağ ist ein extrem bewegender Film gelungen, der noch lange nachwirkt.

Was stört?

Wer auf rasante Verfolgungsjagden oder actionreiche Einsätze hofft, könnte enttäuscht sein. Es ist ein stiller Film, der vor allem von den zwischenmenschlichen Beziehungen getragen wird. Ein wenig stört die Tatsache, dass sich die Darsteller optisch kaum verändert haben, obwohl diese „Polizeiruf 110“-Episode auf verschiedenen Zeitebenen spielt.

Die Kommissare?

Kommissarin Doreen Brasch zeichnet ihre Hartnäckigkeit und ihr Eigensinn aus. Das kommt auch in diesem Fall zum Tragen. „Wenn sie jetzt stirbt, dann ist es, als hätte sie nie gelebt“, wirft sie ihrem Vorgesetzten Lemp an den Kopf, der die Ermittlungen zum Unfall einstellen will. Doch Brasch ist eine Getriebene, sie hat kein Privatleben, arbeitet die Nächte durch und will den Fall bis ins Detail aufarbeiten. Ihr zur Seite steht Oberkommissar Günther Márquez (Pablo Grant). Es ist der letzte Auftritt des Schauspielers, der im Februar 2024, zwei Monate nach Drehschluss, an den Folgen einer Thrombose gestorben ist. Grant wurde nur 26 Jahre alt. Im Abspann des Films sind deshalb auch die Worte „Danke, Pablo!“ zu lesen.

Ein- oder ausschalten?

Die Ausstrahlung des Krimis war ursprünglich für Februar dieses Jahres geplant, wurde aber wegen des Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt verschoben, da es im Film um das Opfer eines Autounfalls geht. Das Thema bleibt aufwühlend. Wer einschaltet, sollte das wissen.

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