Lars Klingbeil wird Vizekanzler und Finanzminister. In dieser Rolle hat der SPD-Chef große Aufgaben vor der Brust. Ob er sie bewältigt, wird auch über die Zukunft Deutschlands bestimmen.
Lars Klingbeil, Co-Vorsitzender der SPD, soll Vizekanzler und Finanzminister werden. Als Vizekanzler hätte der 47-Jährige den zweitwichtigsten Posten im Kabinett inne – nach dem designierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Auch als Finanzminister käme ihm viel Verantwortung zu. Klingbeil muss Altlasten der Ampel-Regierung beseitigen und Deutschland zukunftsfähig machen. Drei Probleme sind besonders dringend.
1. Bundeshaushalt aufstellen
Klingbeils erste große Aufgabe ist ein Erbe der Ampel: Er muss schnell einen Haushaltsentwurf für 2025 vorlegen – und kurz darauf auch einen für 2026. Über den Haushalt für 2025 hatte sich die Ampelregierung zerstritten und war nach dem Rauswurf von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch Kanzler Olaf Scholz (SPD) schließlich zerbrochen. Deswegen gilt aktuell nur eine vorläufige Haushaltsführung. Die Bundesregierung ist in ihrem Handeln stark eingeschränkt, bis es einen beschlossenen Haushaltsplan für 2025 gibt.
Klingbeil muss sich also sputen. Seine Parteifreundin, die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Bärbel Bas, forderte bereits, man solle den Haushalt noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschließen. Am besten gleich in einem Paket mit dem Haushalt 2026.
Das würde sehr anspruchsvoll werden. Bei der Haushaltsplanung geht es darum zu entscheiden, wie die Steuereinnahmen verwendet werden. Und vor allem muss priorisiert werden, welche Projekte finanzierbar sind und welche nicht. Bei allen Entwürfen der Ampel-Regierung klaffte eine große Lücke. Die Reformen, die der alte Bundestag im Winter noch beschlossen hat, werden Klingbeil helfen.
Denn das Hauptproblem der Ampel ist gelöst: Es ist nun möglich, mehr Geld für Verteidigung auszugeben, ob das an anderer Stelle einsparen zu müssen. Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind von der Schuldenbremse ausgenommen.
Ein weiterer Vorteil des neuen Finanzministers: Er übernimmt das Amt von Parteifreund Jörg Kukies, der den Wechsel wahrscheinlich gut vorbereitet hat und Klingbeil beim Start vorbehaltlos unterstützen wird. „Meine Mission der letzten zwei Monate und nächsten zwei Wochen ist es, die Vorarbeiten zu leisten, dass die nächste Regierung schnell zu Potte kommt“, sagte Kukies Ende April am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds in Washington.
2. Wirtschaftswachstum ankurbeln
Wenn es gut läuft, könnte der Haushalt ein To-do sein, das Klingbeil schnell abhaken kann. Ungleich größer scheint im Vergleich ein anderes Problem: die schwächelnde deutsche Wirtschaft. 2024 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent geschrumpft, das zweite Jahr in Folge.
Klingbeil scheint sich seiner Verantwortung diesbezüglich bewusst. In einem Brief an die SPD-Fraktion von letzter Woche betonte er: Nötig sei „ein wirtschaftlicher Turnaround für neues Wachstum, eine starke Industrie und sichere Arbeitsplätze“.
Im Finanzministerium könne die SPD „insbesondere das große Finanzpaket mit dem Sondervermögen Infrastruktur vorantreiben und umsetzen“, schrieb Klingbeil. Als Finanzminister wolle er diese Aufgabe „mit großer Entschlossenheit“ angehen.
Ein Sondervermögen ist ein Kredit, den der deutsche Staat aufnimmt und der unabhängig vom Haushalt ist. Das Sondervermögen Infrastruktur wurde im März 2025 mit der Reform der Schuldenbremse beschlossen.
Mit dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen müsse das Land „systematisch“ modernisiert werden, so Klingbeil. Konkret sollen die Mittel in folgende Bereiche fließen:
Verkehrsinfrastruktur (zum Beispiel Straßen, Brücken, Schienen und Wasserwege)Energieinfrastruktur (unter anderem Ausbau und Erneuerung der Energienetze)Gesundheit, Bildung und Betreuung (zum Beispiel Modernisierung von Schulen und Krankenhäusern)Digitalisierung und Forschung100 Milliarden Euro direkt für Länder und Kommunen100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF)
Doch genau dieses „Fließen“ klingt leichter als es ist. Damit das Geld sinnvoll ausgegeben wird, müssen einige strukturelle Probleme im Bereich von Genehmigungs- und Vergabeverfahren gelöst werden.
Die Beschaffung der Gelder liegt bei der Finanzagentur, deren Kontrollinstanz das Finanzministerium ist. Klingbeil muss also die Kosten für das Sondervermögen im Blick behalten und ist gleichzeitig als dessen Verwalter vorgesehen.
3. Koalitionsvertrag finanzieren
Neben Haushalt und Wachstum hat Klingbeil eine dritte große Aufgabe: die Pläne des Koalitionsvertrags finanzieren. Die geplanten Entlastungen der neuen schwarz-roten Koalition summieren sich bei vollständiger Umsetzung auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr, errechnete das Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Viele Vorhaben stehen zwar unter Vorbehalt der Finanzierung. Sollte aber klar werden, dass ein Großteil davon nicht umgesetzt wird, würde das der Glaubwürdigkeit von Schwarz-Rot massiv schaden. Und wenn sie am fehlenden Geld scheitern, schadet das vor allem dem Finanzminister: Lars Klingbeil.
Zwar können Lockerungen der Schuldenbremse dabei helfen, doch einfach wild Geld ausgeben kann auch der neue Finanzminister nicht. Wie wird er also seinen Parteikollegen erklären, dass nicht alle ihre Wünsche erfüllbar sind?