Nach einer jahrelangen Prüfung hat der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Grund dafür sei eine „die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung der Gesamtpartei“, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Freitag in Köln mit. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bewertete dies als „klar und eindeutig“ und betonte die Eigenständigkeit des Verfassungsschutzes. Die AfD will sich juristisch zur Wehr setzen.
Die AfD war bislang als Verdachtsfall geführt worden, nun ging das BfV mit der Bewertung einen Schritt weiter. Die Behörde hatte eine „intensive und umfassende gutachterliche Prüfung“ vorgenommen und rund drei Jahre lang neben der Programmatik und den Verlautbarungen der Bundespartei auch „Äußerungen und sonstige Verhaltensweisen“ der Parteimitglieder betrachtet – auch in mehreren Wahlkämpfen – sowie die Verbindungen zu rechtsextremistischen Akteuren und Gruppierungen.
Dabei maß der Verfassungsschutz die Partei an den Grundprinzipien Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat. Das Fazit: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, teilte der Verfassungsschutz mit. „Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.“
Das in der Partei vorherrschende „ausgrenzende Volksverständnis“ ziele darauf ab, „bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen“, fuhr der Verfassungsschutz fort und bezog sich etwa auch auf Geflüchtete und Minderheiten. Damit würden bestimmte Menschen oder Gruppen „pauschal diffamiert und verächtlich gemacht sowie irrationale Ängste und Ablehnung ihnen gegenüber geschürt“.
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla werteten die Neubewertung als „schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie„. Die AfD werde kurz vor dem Regierungswechsel „öffentlich diskreditiert und kriminalisiert“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. „Der damit verbundene, zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess ist daher erkennbar politisch motiviert.“ Die AfD werde sich „gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen“.
In einem ersten Schritt schickte die Partei vertreten durch ihre Anwälte eine „Abmahnung“ an den Verfassungsschutz und wertete darin die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch und deren Bekanntgabe als „offensichtlich rechtswidrig“. Kritisiert wird unter anderem, dass von Äußerungen Einzelner auf die Gesamtpartei geschlossen werde und dass es noch laufende Gerichtsverfahren zur Einstufung der AfD als Verdachtsfall gebe. Die Behörde wird in dem Schreiben aufgefordert, bis Montagmorgen eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Andernfalls würden weitere Verfahren angestrengt.
Der designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) geht grundsätzlich davon aus, „dass es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Einstufung kommen wird“, wie er am Freitag betonte. Unabhängig davon führe das Gutachten „zwingend dazu, dass eine weitere Beobachtung der AfD stattfinden wird“.
Aus den Bundesparteien kam ansonsten Zustimmung zur Entscheidung des Verfassungsschutzes. CSU-Chef Markus Söder sprach von einem „finalen Weckruf“. „Für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz und null Zusammenarbeit geben“, schrieb er auf X. „Die Brandmauer steht weiterhin.“ CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bekräftigte in „The Pioneer“, die Position zur AfD „bleibt gleich“, es werde „keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben“.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte dem „Spiegel“, der Verfassungsschutz habe dargelegt, dass „das Weltbild der AfD eine klare Sprache spricht“. Er fügte hinzu: „Was klingt wie Rassismus, was aussieht wie Rassismus, ist am Ende Rassismus.“ Die neue Regierung müsse das weitere Vorgehen im Umgang mit der AfD „umgehend beraten“. Die Grünen werteten die Einstufung als „konsequent“, sie habe sich lange abgezeichnet. Die Linken warnten davor, die AfD nun weiter zu normalisieren.
Der Zentralrat der Juden erklärte, die Einstufung sei für sie „keine Überraschung“, jedoch „umso wichtiger für alle, die bisher noch naiv auf diese Partei blicken“. „Niemals“ dürften Vertreter der AfD in staatstragende Funktionen gelangen oder Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen bekommen.
Der Zentralrat der Muslime sprach von einem „demokratischen Weckruf“ und einer „politischen Mahnung“. Die Einstufung „bestätigt die bittere Realität“, mit der muslimische Menschen und andere Minderheiten seit Jahren lebten. Nun sei ein entschlossenes Handeln der Politik gefragt.
Aus einer Reihe von Parteien kam nun außerdem die Forderung, rasch ein Verbotsverfahren gegen die AfD anzustrengen. Faeser stellte dazu klar, beides müsse unabhängig voneinander betrachtet werden. Bei einem Parteiverbotsverfahren gebe es „aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden“. Es gebe jedenfalls nach der Entscheidung vom Verfassungsschutz diesbezüglich „keinerlei Automatismus“.