Inlandsgeheimdienst: Verfassungsschutz: Gesamte AfD ist gesichert rechtsextremistisch

Seit ihrer Gründung ist die AfD nach Einschätzung des Verfassungsschutzes kontinuierlich weiter nach rechts gerückt. Inzwischen sei klar: Die gesamte Partei ist extremistisch.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Die Behörde begründete dies mit „der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“. Der Inlandsgeheimdienst teilte mit, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet. 

„Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, teilte die Sicherheitsbehörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. „Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes“, heißt es in der Mitteilung des Inlandsgeheimdienstes.

Äußerungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde, erklärten die Vizepräsidenten der Behörde, Sinan Selen und Silke Willems. Dies sei maßgeblich für die nun getroffene Einschätzung.

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar hatte die AfD deutlich zugelegt. Mit 20,8 Prozent ist sie nach der Union zweitstärkste Fraktion im Parlament. Bei der anstehenden schwarz-roten Bundesregierung ist sie die größte Oppositionsfraktion.

Drei Landesverbände der AfD bereits zuvor gesichert rechtsextremistisch 

Die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten die jeweiligen AfD-Landesverbände bereits zuvor als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Mit der Einstufung als gesichert rechtsextremistisch gelten aus Sicht des Bundesamtes verfassungsfeindliche Bestrebungen auch in der Bundespartei als erwiesen.

Nachdem Medien im Februar 2021 über eine mutmaßliche Einstufung der Gesamtpartei als sogenannter Verdachtsfall berichtet hatten, musste der Verfassungsschutz auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts noch rund ein Jahr warten, bis er diese Einschätzung publik machen und die Partei entsprechend beobachten konnte. Im Mai 2024 hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der Rechtsstreit geht noch weiter.

Einsatz von V-Leuten möglich

Auch bei einer Beobachtung als Verdachtsfall ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bereits erlaubt. Zu diesen zählt etwa der Einsatz von sogenannten V-Leuten – das sind Menschen mit Zugang zu internen Informationen. Auch Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen sind erlaubt. Bei Auswahl und Einsatz der Mittel muss allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.

Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Beobachtungsobjekt sinkt die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel. Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.

Gutachten wird nicht veröffentlicht – Faeser: „Keinerlei politischer Einfluss“

Grundlage der nun getroffenen Entscheidung ist ein umfangreiches Gutachten des BfV, das nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen.

Zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch ist das Bundesamt für Verfassungsschutz laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser ohne Einflussnahme aus der Politik gekommen. „Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben“, erklärte die SPD-Politikerin am Freitag. Das Bundesamt habe einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und die Demokratie zu schützen. „Dabei arbeitet es eigenständig“, erklärte Faeser. „Die neue Einstufung ist das Ergebnis einer umfassenden und neutralen Prüfung, die in einem 1100-seitigen Gutachten festgehalten ist.“

Faeser hat sich zurückhaltend zur Möglichkeit eines Parteiverbotsverfahrens geäußert. „Ein Parteiverbotsverfahren hat aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden“, sagte die SPD-Politikerin in Wiesbaden. „Das sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig damit umgehen. Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus.“ Die neue Bewertung durch den Verfassungsschutz zeige, dass es gesetzliche Instrumente gebe, „die unsere Demokratie gegen extremistische Bedrohungen schützen“. Dazu gehörten die Beobachtung und die Bewertung durch den Verfassungsschutz, wie sie jetzt erfolgt sei.

Grüne begrüßen neue Einstufung der AfD

Die Grünen begrüßten die Hochstufung der AfD, die „in Gänze mit unserer Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf Kriegsfuß“ stehe. Die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic und Vizefraktionschef Konstantin Notz, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste ist, forderten Konsequenzen für den Umgang mit der AfD im Parlament: „Die heutige Entscheidung ist auch ein deutlicher Wink in Richtung derjenigen, die zuletzt für eine Normalisierung der Partei plädierten“, erklärten sie. „Sie ist auch ein wichtiger Baustein mit Blick auf die Frage, wie es um die Erfolgsaussichten eines möglichen AfD-Verbotsverfahren bestellt ist.“

Zwischen den künftigen Koalitionspartner Union und SPD ist noch offen, wie sie sich im Bundestag verhalten, wenn es um die Wahl von AfD-Vertretern zu Vorsitzenden von Ausschüssen geht. Der designierte Unions-Fraktionschef Jens Spahn hatte jüngst gefordert, mit der AfD so umzugehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann lehnte am Freitag Stimmen aus der SPD für die AfD ab, die unter anderem den Vorsitz des wichtigen Haushaltsausschusses beanspruchen könnte. „Eine Wahl von AfD-Vertretern halte ich für ausgeschlossen“, sagte Hartmann der „Rheinischen Post“.

In Umfragen nach der Bundestagswahl hatte die AfD weiter zugelegt. Im am Freitag veröffentlichen ZDF-Politbarometer vergrößerte sich der Abstand zwischen Union und der AfD aber wieder. Die Union legte in der Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen auf 27 Prozent zu, die AfD rutschte auf 23 Prozent ab.

Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert und um weitere Informationen ergänzt.

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