Die neue Miniserie „Dying for Sex“ auf Disney+ ist inspiriert von Molly Kochan – einer Krebspatientin im Endstadium – und ihrem erfolgreichen Sexpodcast. Wer war sie wirklich?
Molly stirbt, sie hat Krebs im Endstadium. So beginnt die neue Miniserie „Dying for Sex“ (Disney+). Molly (Michelle Williams) ist gerade mitten in einer Therapiesitzung mit ihrem biederen Ehemann Steve (Jay Duplass), als sie einen Anruf von ihrem Arzt erhält. Sie beschließt, ihre unbefriedigende Beziehung an den Nagel zu hängen, verlässt ihren Ehemann und will das erleben, was sie bisher im Leben verpasst hat: guten Sex. „Dying for Sex“ begleitet Molly auf ihrer Reise der sexuellen Selbstentdeckung. Auch wenn ihr Körper sie zunehmend im Stich lässt, will sie alles erleben, was das Leben ihr noch bieten kann – solange es geht.
Die Serie mit Michelle Williams in der Rolle der Molly und Jenny Slate als beste Freundin Nikki basiert lose auf einer wahren Geschichte. Als die echte Molly Kochan 2015 die Diagnose erhielt – metastasierter Brustkrebs im Endstadium –, war sie 42 Jahre alt. Der Krebs hatte bereits Knochen, Leber und Gehirn befallen. Auch Kochan war gefangen in einer langjährigen, liebevollen, aber sexlosen Ehe und einem Leben, das ihr fremd geworden war. Statt aufzugeben, beschloss Kochan, ihr Leben neu zu beginnen.
„Meine sexuelle Erkundung war eine Art zu sagen: ‚Ich bin noch nicht bereit zu sterben‘“, sagte Kochan später in dem Podcast, den sie mit ihrer besten Freundin Nikki Boyer startete. Auf dem Podcast und Kochans posthum veröffentlichter Autobiografie „Screw Cancer: Becoming Whole“ basiert die achtteilige Serie. Vier Jahre später starb sie an den Metastasen. Ihr Blog „Everything Leads to This“ ist noch abrufbar.
„Dying for Sex“: Wer war Molly Kochan?
Kochans Kindheit war geprägt von Instabilität und Missbrauch. Sie war das Kind einer wohlhabenden Mutter und eines Vaters aus der Arbeiterschicht, die nur kurz zusammenblieben. Nach der Scheidung verließ der Vater New York und zog nach L.A. und machte Karriere in der Musikindustrie. Unter anderem managte er die Bands REO Speedwagon und Survivor („Eye of the Tiger“). Kochans Kindheit war geprägt von der Kokainabhängigkeit ihrer Mutter und deren Angstzuständen. „Wir waren beide Fragmente“, schrieb Kochan in ihren Memoiren.
Mit sieben Jahren wurde Kochan von dem damaligen Freund ihrer Mutter sexuell missbraucht. Ihr Verhältnis zu Intimität und Nähe wurde durch das Trauma nachhaltig beeinflusst. Auch eine Persönlichkeitsstörung trug sie davon. Die Persönlichkeit habe sich in zwei Hälften gespalten, schrieb Kochan. Da war die eine Hälfte, die gesehen werden wollte, aber nicht angeschaut, und die zweite, die sich verbinden wollte, aber Intimität fürchtete. Als Erwachsene gewöhnte Kochan sich an, beim Sex wegzutreten. Einen Orgasmus habe sie nie gehabt, aber auch keinen vorgespielt. Nach einer Reihe problematischer Beziehungen heiratete sie einen Mann, der, wie sie schrieb, „kontrollierend“ gewesen sei.
Schon 2005 entdeckte Kochan einen erbsengroßen Knoten in ihrer Brust. Ein Gynäkologe gab Entwarnung: Sie sei „zu jung“, um Brustkrebs zu haben. Erst sechs Jahre später stellte sich heraus, dass er Unrecht hatte. Kochan begann eine Chemotherapie und unterzog sich einer Mastektomie. Im Podcast sprach Kochan später darüber, wie „sexuell irrelevant“ sie sich gefühlt habe, als sie erfuhr, dass sie keine Kinder würde bekommen können. Gleichzeitig hatten Hormonpräparate, die sie einnahm, ihre Libido angekurbelt, erzählte Kochan: „Ich wollte alles und jeden vögeln.“ Mit ihrem Mann aber habe es zu diesem Zeitpunkt schon keine Intimität mehr gegeben: „Ich kann es ihm nicht verdenken.“
Nach der Krebsdiagnose erkannte Kochan, dass sie ihre verbleibende Zeit nutzen wollte, um sich selbst zu finden – und zu heilen. Nach der Trennung suchte Kochan zunächst online nach Affären. Dann im echten Leben. Ihre Erfahrungen dokumentierte sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin Nikki Boyer im Podcast „Dying for Sex“. Der Podcast wurde zu einem intimen Tagebuch, in dem sie offen über Erlebnisse, Ängste und Hoffnungen sprach. Schnell wuchs das Publikum der beiden Freundinnen. Im Jahr 2021 wurde der Podcast mit dem Ambie Award als Podcast des Jahres ausgezeichnet.
„Dying vor Sex“: Brutal ehrlicher Podcast über Krankheit und Sexualität
Im Podcast spricht Kochan unverblümt von einem „heißen Mechaniker“, mit dem sie im Auto eines anderen herummachte und einem 20-jährigen „Toyota-Typ“, mit dem sie sich in einer örtlichen Bar traf. Brutal ehrlich sind die Beschreibungen, und die Gespräche der Freundinnen voller schwarzem Humor. Der „Pinkelspiel-Typ“ habe zu Kochan gesagt: „Ich will dich trinken.“ Sie habe entgegnet: „Klar, solange ich dich nicht trinken muss.“
Kochan starb am 8. März 2019 im Alter von 45 Jahren. Dass „Dying for Sex“ als limitierte Serie auf FX und Hulu adaptiert wurde, hat sie nie erfahren.
Die Miniserie, entwickelt von Liz Meriwether und Kim Rosenstock, zeigt Themen wie weibliche Lust, BDSM und die Konfrontation mit dem Tod. Die Kritiken sind begeistert. Das amerikanische Magazin Vulture lobte die Serie als „casually groundbreaking“, die New York Times als „kühn in seiner Offenheit über Schmerz und Vergnügen“.
Nikki Boyer, die Co-Moderatorin und beste Freundin des Podcasts „Dying for Sex“, ist noch immer als Moderatorin und Schauspielerin aktiv. In der Serie hat sie einen Cameo-Auftritt als Cousine Sheila. Boyer gründete 2023 eine Produktionsfirma, die gesellschaftliche Tabus thematisieren will. Auch der Name erinnert an die verstorbene Freundin: „Dying for Media“.