Kurz vor der vollständigen Eroberung Berlins durch sowjetische Truppen nahm sich Hitler das Leben. Zum 80. Jahrestag wendet sich der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel gegen Legendenbildungen.
80 Jahre nach dem Tod von Adolf Hitler gibt es nach Ansicht des Hamburger Rechtsmediziners Klaus Püschel (73) keinen Grund für Spekulationen. „Nach Kriegsende rankten sich jahrzehntelang Mythen um seinen Tod, Behauptungen, die jeder Grundlage entbehrten“, schreibt der ehemalige Leiter des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin in seinem neuen Buch „Der Tod geht über Leichen“ (Ellert & Richter Verlag), das er gemeinsam mit der Journalistin Bettina Mittelacher verfasst hat.
„Reichssender Hamburg“ verbreitet Todesnachricht
Püschel kommt zu dem Ergebnis: „Eine kombinierte Selbsttötung durch Zerbeißen einer Zyankalikapsel und kurzzeitig danach erfolgtem suizidalem Kopfschuss halte ich bei Adolf Hitler für die wahrscheinlichste Situation.“ Der NS-Diktator hatte sich am 30. April 1945 kurz vor der vollständigen Eroberung Berlins durch sowjetische Truppen in seinem Führerbunker das Leben genommen.
Seine engsten Getreuen hatte er beauftragt, seine Leiche im Garten der Alten Reichskanzlei zu verbrennen, was jedoch nicht vollständig gelang. Gut einen Tag später, am Abend des 1. Mai 1945, meldete der „Reichssender Hamburg“, dass Hitler „im Kampf gefallen“ sei. Erst dadurch sei der Tod des Diktators öffentlich bekanntgeworden, erklärt der Hamburger Historiker Ortwin Pelc.
Gebissbefund eindeutig
Püschel hatte die russischen Sektionsbefunde und Fotos von Schädelfragmenten bereits in den 1990er Jahren einsehen können, nachdem die Archive in Moskau geöffnet worden waren. Hitlers verkohlter Leichnam war zwischen dem 7. und 9. Mail 1945 von sowjetischen Militärärzten in einem Feldlazarett in Berlin-Buch obduziert worden.
Der Gebissbefund habe den Leichnam eindeutig als denjenigen von Adolf Hitler ausgewiesen, schreibt Püschel. „Mein Eindruck ist, dass die unter Kriegsbedingungen im völlig zerstörten Berlin vorgenommenen Untersuchungen der Leichen aus dem Führerbunker mit großer Sorgfalt und gut nachvollziehbar durchgeführt und protokolliert wurden.“
Fehlender Hoden
Neben dem eindeutig dokumentierten Zahnstatus habe auch der Hoden des Diktators eine Rolle gespielt. „Der linke Hoden konnte weder im Hodensack noch innerhalb des Leistenkanals oder im kleinen Becken gefunden werden“, zitiert Püschel aus dem Sektionsprotokoll.
Für diesen Befund gebe es zwei Erklärungsversuche: eine Verletzung, die Hitler 1916 im Ersten Weltkrieg erlitt, oder ein sogenannter Hodenhochstand (Krytorchismus), den ein Amtsarzt im Gefängnis Landsberg diagnostizierte, wo Hitler nach einem gescheiterten Putschversuch 1923/24 einsaß.
Glassplitter im Mund
Die inneren Organe seien von den russischen Militärärzten nur sehr global beschrieben worden. Eine Feinpräparation habe nicht stattgefunden, auch der Mageninhalt sei nicht untersucht worden. Es gebe jedoch einen Hinweis auf einen „Bittermandelgeruch“. Das wertet Püschel als eindeutiges Zeichen für eine Vergiftung durch Blausäure (Zyankali).
In der Mundhöhle der Leiche seien Glassplitter nachgewiesen worden, die offensichtlich von der zerbissenen Ampulle mit Blausäure stammten. Es sei jedoch zweifelhaft, ob das Gift überhaupt noch seine tödliche Wirkung entfaltet oder ob sich Hitler sehr schnell in den Kopf geschossen habe.
„Bilanz-Suizid“
Aufgrund der Löcher im Schädel geht Püschel davon aus, dass sich Hitler mit einer Pistole vom Typ Walther-PPK, Kaliber 7,65 mm, in die rechte Schläfe schoss. Nach dem Zerbeißen der Zyankalikapsel habe er dafür noch bis zu zwei Minuten Zeit gehabt. Püschel resümiert: „Der Tod von Adolf Hitler war die Konsequenz eines völlig verfehlten Lebens, in rechtsmedizinischem Sprachgebrauch: ein Bilanz-Suizid, zur „Sicherheit“ mit zwei jeweils für sich tödlichen Methoden gleichzeitig.“
Überreste 1970 in Magdeburg verbrannt
Hitlers Überreste waren jahrzehntelang vom russischen militärischen Abwehrdienst Smersch aufbewahrt, ein- und wieder ausgegraben worden. Am 5. April 1970 befahlen der damalige KGB-Chef Juri Andropow und Parteichef Leonid Breschnew den Leichnam in einem Garten in Magdeburg, wo der Geheimdienst seinen Sitz hatte, auszugraben und zu verbrennen. Seine Asche wurde im Flüsschen Ehle versenkt und damit endgültig vernichtet, wie Püschel schreibt.