Krieg hinterlässt Spuren, sichtbare und unsichtbare. Eine ZDF-Reportage begleitet zwei Veteranen durch ihren Alltag und ihren täglichen Kampf.
Nervös zieht Martin an seiner Zigarette. Wie viele hier ist er eigentlich da, um neue Kraft zu tanken, unter Gleichgesinnten zu sein. Doch der 43-jährige stämmige Mann fühlt sich unwohl.
Beim Berliner Treffen des Bundes Deutscher Einsatzveteranen wird zu diesem Zeitpunkt ein Film gezeigt – lauter Bilder aus Afghanistan sind zu sehen. Den dokumentierten Krieg kann sich Martin nicht anschauen. Mit Tränen in den Augen und am ganzen Körper zitternd, verlässt er gebückt den Saal. Seine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) hält ihn weiterhin fest im Griff.
Unruhe in geschlossenen Räumen
Die ZDF-Reihe „37 Grad“ führt in ihrer Reportage „Im Kopf geht der Einsatz weiter“ tief in das Leben zweier Veteranen ein und zeigt den Kampf und das Leben mit einer Belastungsstörung. Am Dienstag (22. April) ist der Film ab 22.15 Uhr im Zweiten zu sehen. Am selben Tag wird er auch im ZDF-Streamingportal freigeschaltet.
Sowohl Martin als auch seine Kameradin Verena haben unter anderem in Afghanistan gedient. Doch mit dem Ende ihres Einsatzes sind die erlebten Szenen in ihren Köpfen geblieben. Schlafstörungen und Angstzustände sind nun tägliche Begleiter der ehemaligen Bundeswehrangehörigen.
In Panik versetzt durch Geräusche
„Es ist einfach eine echt lange Zeit und trotzdem hat das immer noch Auswirkungen auf den Alltag jetzt“, berichtet Verena. Die 41-Jährige war neun Monate lang in Afghanistan. Hier spürte sie den feindlichen Funkverkehr auf, hörte ihn ab oder störte ihn. Auch Satelliten- und Drohnenbilder hat sie ausgewertet.
Lange Zeit konnte sie sich ihren Zustand selbst nicht erklären: Plötzlich sei sie in geschlossenen Räumen aufgeregt gewesen, habe bei vermeintlich altbekannten Geräuschen eine Panikattacke bekommen. Vor allem Nachrichten stellen sie vor Probleme: „Das sorgt für Verunsicherung bei mir und auch für Ängste. Oder, es löst auch einfach die Bilder wieder aus“, erklärt Verena.
Ein langer Kampf um Anerkennung
2023 wurden 197 Fälle von PTBS durch die Bundeswehr offiziell anerkannt. Viele Soldaten mit einer Belastungsstörung müssen um die Anerkennung durch die Bundeswehr kämpfen. Das Problem: Erst seit 2005 werden mögliche traumatisierende Ereignisse dokumentiert. Bei Ereignissen zuvor ist der Soldat oder die Soldatin in der Beweispflicht: Kam die PTBS wirklich von diesem Einsatz und gibt es weitere Zeugen?
Martin, welcher selbst 2004 bis 2005 in Afghanistan sowie zuvor im Kosovo war, kennt dieses Problem. Der ehemalige Scharfschütze bei der Bundeswehr war insgesamt acht Jahre im Dienst. „Das ist schwer für die Außenstehenden, überhaupt auch zu begreifen, was wir mitgemacht haben, geschweige denn, was wir erlebt haben.“
Ab und an, so beschreibt es Martin, würde sein Kopf einfach verrückt spielen. So berichtet er von einem Suizidversuch, der nur durch einen zufälligen Anruf seiner Frau verhindert wurde. Inzwischen fällt ihm selbst das Autofahren schwer. Zu sehr erinnert es ihn an Szenen aus dem Krieg.
Bis heute überprüfe die Bundeswehr seinen Antrag – fehlende Beweise erschweren die Anerkennung. Dabei wünscht sich Martin nichts sehnlicher, als wieder mit der Umwelt klarzukommen. „Und dass ich wieder mein normales Leben leben kann. Normales Arbeiten. Normales Familienleben.“