Tödliche Messerstiche: Schwierige Zeugenbefragung im Prozess um Mord an U-Bahnhof

An einem Sommerabend greifen rund 30 Männer einen 29-Jährigen am U-Bahnhof Hamburg-Billstedt an. Er stirbt nach mehreren Messerstichen. Es gibt einen Angeklagten, doch der schweigt vorerst.

Mit einer mühsamen Zeugenbefragung hat am Landgericht Hamburg ein Prozess um tödliche Messerstiche am U-Bahnhof Billstedt begonnen. Angeklagt ist ein 29 Jahre alter Mann, dem die Staatsanwaltschaft Mord und gefährliche Körperverletzung vorwirft. Zusammen mit anderen Männern soll der Afghane bei einem Streit am 19. August vergangenen Jahres auf einen ebenfalls 29 Jahre alten Landsmann eingestochen haben. 

Der Getötete und sein damals 20 Jahre alter Neffe waren nach Angaben der Polizei an jenem Tag gegen 23.00 Uhr mit einer Gruppe von etwa 30 Menschen aneinandergeraten. Der angegriffene 29-Jährige erlitt vier Stichverletzungen und starb trotz Reanimationsbemühungen von Rettungskräften am Tatort. Der 20-Jährige wurde laut Anklage geschlagen und mit Pfefferspray besprüht. 

Zweiter Beschuldigter in Haft

Der Verteidiger sagte, sein Mandant werde sich vorerst nicht zu der Sache äußern. Er begründete dies auch damit, dass ein zweiter Beschuldigter inzwischen in Hamburg in Haft sitze. Die Vorsitzende Richterin konnte das nicht bestätigen, deutete aber an, dass der zweite Beschuldigte auch als Zeuge im aktuellen Prozess in Betracht käme. 

Eine sofortige Fahndung nach der Tat war erfolglos geblieben. Im Oktober verhafteten Zielfahnder des Landeskriminalamtes den Angeklagten und den zweiten Beschuldigten in Großbritannien. Beim zweiten Verdächtigen habe sich die Auslieferung verzögert, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der inzwischen 25-Jährige befinde sich seit März in Hamburg in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen gegen ihn dauerten an.

Zeuge: Mutmaßliche Täter handelten mit Drogen

Der Neffe des Opfers sagte als erster Zeuge, er kenne zwei der mutmaßlichen Täter vom Sport. Einer von ihnen habe Drogen am U-Bahnhof Billstedt verkauft, der andere sei dessen „Partner“ gewesen. Er selbst habe aber nicht mit Drogen gehandelt, sagte der arbeitslose 20-Jährige. Sein Onkel habe als Security-Mann gearbeitet und ihn gewarnt, sich mit diesen Leuten einzulassen. 

Zwischenfall am Morgen vor der Tat

Der Zeuge berichtete auch von einem Vorfall am Morgen vor der Tat. Er habe am U-Bahnhof auf seine Freundin mit dem gemeinsamen Baby warten wollen. Dabei sei er zunächst von der Polizei kontrolliert worden. Dann seien sechs bis sieben Menschen gekommen und hätten ihm gedroht: „Wir wollen dich nicht in Billstedt sehen, du darfst nicht hier sein.“

Sie hätten ihm seine Jacke und eine teure Kette mit Goldring weggenommen. Das Schmuckstück sei ein Geschenk seines Onkels gewesen, das dieser kurz zuvor von einem Besuch in Afghanistan mitgebracht habe. Die Männer hätten ihn auch geschlagen, und zwar so kräftig, dass die Polizei kam und er zur Behandlung ins Krankenhaus musste. 

Auf Bitte des späteren Opfers am Tatort

Abends habe ihn sein Onkel angerufen und aufgefordert, zum U-Bahnhof Billstedt zu kommen. Auf Nachfragen, warum er der Aufforderung gefolgt sei, antwortete der Afghane ausweichend. Nach den Worten einer Dolmetscherin sagte er lediglich: „Na ja, er war mein Onkel, dann muss ich das tun.“ 

Als er ankam, sei sein Onkel in Begleitung von sechs oder sieben Personen gewesen und habe telefoniert. Zwei andere Gruppen von insgesamt 30 bis 40 Menschen hätten sie angegriffen. Ihm sei Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und auf den Kopf geschlagen worden. Er habe nur noch sehen können, wie der Angeklagte mit einem großen schwarzen Messer auf seinen Onkel eingestochen habe. Erst später habe er erfahren, dass der Onkel gestorben sei.

Anklage könnte abgeschwächt werden

Neben der Vorsitzenden Richterin befragte auch der Vertreter der Nebenkläger den Zeugen energisch. Der Anwalt erklärte, er solle im Auftrag zweier Brüder des Getöteten herausfinden, was passiert sei. Allerdings beteuerte der Hauptbelastungszeuge –wie der Anwalt ihn nannte – auf Nachfragen meist nur: „Ich weiß es nicht.“ Er sagte auch, er erinnere sich nicht an den Namen der Straße, in der seine Freundin mit dem gemeinsamen Kind wohnt. 

Die Vorsitzende Richterin erklärte dem Angeklagten, dass sich der Vorwurf von Mord auch zu Totschlag verändern könne. Dann würde ihm keine lebenslange Haftstrafe drohen, sondern nur fünf bis 15 Jahre Gefängnis. Ein frühes Geständnis, das der Strafkammer eine aufwendige Beweisaufnahme ersparen würde, könne sich strafmildernd auswirken. 

Das Gericht hat neun weitere Verhandlungstermine bis zum 5. Juni angesetzt.

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