Bei den Turbulenzen an den Finanzmärkten beklagten Kunden von Trade Republic, Scalable und Comdirect teils App-Probleme. Gibt es ein Nachspiel?
Nach einer für Anleger denkwürdigen Börsenwoche konnte sich manch ein Broker einen Seitenhieb auf die Konkurrenz nicht verkneifen. „War dein Broker auch offline?“, fragt der Anbieter Smartbroker aktuell in einer Anzeige auf Social Media. Das Unternehmen zielt damit offensichtlich auf Kunden, die bei Trade Republic, Scalable oder Comdirect mit App-Problemen konfrontiert waren – dabei blieb jedoch unerwähnt, dass auch Smartbroker selbst nicht ganz störungsfrei durch die turbulente Marktphase kam.
Zwar seien Kunden jederzeit in der Lage gewesen, Käufe oder Verkäufe durchzuführen, „der Handel war zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt“, betont Firmenchef Thomas Soltau. „Allerdings kam es am Montag und auch am Mittwochabend zu verzögerten Ladezeiten, die sich im einstelligen Sekundenbereich befanden sowie zu einer Unterbrechung der Real-Time-Kurs-Anzeige.“
Kunden wüten gegen Trade Republic
Ein Statement, das Capital auf Anfragen so oder so ähnlich auch von Mitbewerbern erhielt. Beim Online-Broker Comdirect beispielsweise spricht man von rund 230.000 Transaktionen, die Kunden – Sparplanausführungen herausgerechnet – innerhalb der letzten Tage getätigt hätten. „Das ist weit mehr als an normalen Tagen“, teilte ein Sprecher mit. Daher sei es zu „vereinzelten Verzögerungen oder Einschränkungen, etwa im Zusammenspiel mit Dienstleistern oder an den Schnittstellen zu anderen Marktteilnehmern“, gekommen. Dennoch sei der Handel „zu jederzeit möglich“ gewesen, beispielsweise außerbörslich, wie es heißt.
Glaubt man Reaktionen in sozialen Netzwerken, reichten aber schon solche vermeintlich harmlosen Störungen aus, um Anleger auf breiter Front in Panik zu versetzen. Nutzer meldeten App-Ausfälle, fehlende Kursanzeigen und die Unmöglichkeit, Kauf- oder Verkaufsorders auszuführen. Besonders der Neobroker Trade Republic bekam viel Kritik ab: „Jedes Mal, wenn es an der Börse richtig volatil wird, geht Trade Republic in die Knie. Es ist zum Brechen“, ärgerte sich ein Nutzer auf X, vormals Twitter. Andere wiederum kündigten an, ihr Konto deshalb schließen zu wollen.
Trade Republic sprach seinerseits zwar ebenfalls nur von kurzzeitigen Ladeverzögerungen und Darstellungsfehlern, die schnell behoben worden seien. Doch ganz so harmlos, wie manch ein Anbieter die Störungen rückblickend einordnet, scheinen diese nicht. Die Probleme trafen Anleger ausgerechnet in einer Phase starker Kursbewegungen. Für viele bedeutete die Panne potenziell empfindliche finanzielle Verluste. Denn wer in solchen Momenten nicht handeln konnte – weder verkaufen noch nachkaufen – war dem Marktgeschehen ausgeliefert.
Experten halten Schadenersatz für möglich
Verbraucherschützer sehen in den Störungen sogar Spielraum für möglichen Schadenersatz. „Nach dem Wertpapierhandelsgesetz muss die Bank angemessene Vorkehrungen treffen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu gewährleisten. Grundsätzlich könnte technisches Versagen der IT eine vertragliche Pflichtverletzung darstellen und damit Schadensersatzansprüchen begründen“, sagte Niels Nauhauser, Abteilungsleiter für Banken bei der Verbraucherzentrale zu „Bild“.
Die auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer prüft aktuell zudem die rechtliche Lage. Sie rief Betroffene auf, ihre Ansprüche im Rahmen eines kostenlosen Broker-Online-Checks prüfen zu lassen. Die Kanzlei ist unter anderem für ihre Rolle im Diesel-Abgasskandal bekannt.
Online-Broker wie Trade Republic, Scalable und Finanzen.net Zero seien demnach vertraglich verpflichtet, ihren Nutzern jederzeit funktionierende Handelsmöglichkeiten bereitzustellen. Kurze Ausfälle seien nicht automatisch ein Haftungsfall – entstünden jedoch konkrete finanzielle Verluste durch die Störung, könnten Schadenersatzansprüche bestehen.
Störungen bei Brokern: Was war das Problem?
Beim Neobroker Scalable Capital führt man die Störungen auf das außergewöhnliche Handelsvolumen zurück. „Die globale Nachrichtenlage rund um Zölle und den Welthandel führte bereits Ende der vergangenen Woche zu einem Vielfachen des üblichen Handelsvolumens“, teilte eine Sprecherin mit. Besonders am Montag hätten sich die Zugriffe auf der Plattform dann noch einmal vervielfacht. „Neben der dadurch gestiegenen Kundenaktivität, führte auch die deutlich erhöhte Menge an Daten, zum Beispiel durch häufigere Preisstellung an den Börsen, zu entsprechendem Datenverkehr auf Seiten der Broker“. Dies habe bei einigen Kunden letztlich zu längeren Ladezeiten geführt, heißt es.
Konkrete Maßnahmen, um solche Störungen künftig zu verhindern, plant indes kaum einer der befragten Anbieter – und das, obwohl die Finanzmärkte aufgrund der erratischen Trump-Politik wohl auch weiterhin sehr volatil bleiben werden. „Wir sehen uns weiterhin gut gerüstet, Kunden in Europa einen sehr verlässlichen Zugang zum Kapitalmarkt bieten zu können“, sagte eine Scalable-Sprecherin weiter.
Auch beim Konkurrenten Smartbroker sieht man keinen Anlass für Nachbesserungen. Zwar könnten beispielsweise für den Handel nicht notwendige Funktionen vorübergehend abgeschaltet und dadurch Serverlast reduziert werden, so Firmenchef Thomas Soltau. Aus seiner Sicht hätten die vorgesehenen Mechanismen in dieser Börsenwoche aber zuverlässig gegriffen – „größere Maßnahmen sind daher nicht erforderlich“, sagte Soltau.
Einzig bei der Comdirect sieht man womöglich Nachholbedarf. Etwaige Störungen würden intern konsequent aufgearbeitet, heißt es vom Unternehmen.