SPD-Mitgliedervotum startet am Dienstag – Jusos lehnen Koalitionsvertrag ab

Ab Dienstag können die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union abstimmen – die Jusos erklärten bereits, ihn ablehnen zu wollen. „Unser Votum lautet Ablehnung. Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen“, sagte Juso-Chef Philipp Türmer am Montag den Sendern RTL und ntv. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht die Entscheidung gelassen. Führende SPD-Politiker werben derweil für die Zustimmung zum Koalitionsvertrag.

Türmer sprach von „einer schwierigen Situation“. „Aber wir sagen deutlich, was unsere Einschätzung ist. Das verlangen unsere Mitglieder von uns.“ Deswegen habe sich der Bundesvorstand in enger Abstimmung mit den Landesverbänden und Bezirken zu seinem Votum entschieden.

Als einzige der wahrscheinlich künftigen Regierungsparteien lässt die SPD ihre Mitglieder über den in der vergangenen Woche vorgestellten Koalitionsvertrag abstimmen. Die Mitgliederbefragung startet am Dienstag und soll bis 29. April laufen. 

Mehrere Juso-Landesverbände hatten bereits am Wochenende ihre Ablehnung angekündigt. Türmer kritisierte nun, dass der Vertrag in der Migrationspolitik sowie bei Arbeit und Sozialem den falschen Weg gehe. Den für alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzierungsvorbehalt nannte er zudem „eine tickende Zeitbombe“.

Für Diskussionen innerhalb der voraussichtlich künftigen Koalition sorgte zuletzt vor allem der Mindestlohn. SPD-Politiker wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dringen auf eine Steigerung auf 15 Euro im kommenden Jahr. CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuvor erklärt, eine Mindestlohnerhöhung 2026 sei nicht gewiss.

Anders als nach der Bundestagswahl 2017 wollen die Jusos nach Türmers Worten aber keine Kampagne gegen die voraussichtlich künftige schwarz-rote Koalition starten. „Eine NoGroKo Kampagne wie beim letzten Mal ist so nicht zu erwarten. Die ging über viele Wochen und Monate“, sagte Türmer. Nun sei der Abstimmungszeitraum deutlich kürzer. „Aber wir sind im Dialog mit den Mitgliedern. Wir diskutieren viel.“

Der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Fraktionsvize Dirk Wiese, rief seine Partei indes zur Zustimmung zum Koalitionsvertrag auf. „Unter dem Strich ist es ein gut verhandelter Vertrag, der trotz des schlechten Wahlergebnisses viele unserer Forderungen widerspiegelt“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe).

Wiese fügte hinzu: „Natürlich gibt es in einem Koalitionsvertrag immer Passagen, mit denen man selbst hadert. Auch für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist nicht jeder Satz ein sozialdemokratisches Kernanliegen.“ Bei Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung oder sozialen Zusammenhalt hätten die Koalitionäre jedoch entscheidende Fortschritte erzielt. 

Für den Thüringer SPD-Chef Georg Maier enthält der Vertrag „aus sozialdemokratischer Sicht viel Gutes, aber in der Tat auch einige bittere Pillen, insbesondere in den Bereichen Migration und Soziales“. Die Koalition mit der Union bezeichnete der Landesinnenminister im „Handelsblatt“ als „Zweckbündnis“ vor dem Hintergrund geopolitischer Herausforderungen.

Maier warnte aber zugleich vor einer Ablehnung des Koalitionsvertrags: „Ein Scheitern mag man sich nicht vorstellen angesichts der Umfragewerte für die AfD“, sagte er.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht die Entscheidung der Jusos gelassen: „Das nehme ich zur Kenntnis. Das ist Sache der SPD, wie sie entscheidet“, sagte er den Sendern RTL und ntv. „Das ist eine Jugendorganisation, das ist auch deren Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen. Wenn Sie meinen, da ist eine Wunde. Ich glaube, da ist keine Wunde.“ Das, was die Jusos wollten, zum Beispiel bei der Migration, sei „das Gegenteil von dem, was das Land braucht“.

„Ein Strohfeuer“ nannte der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß im „Handelsblatt“ die Jusos-Ablehnung. „Sollte die SPD den Koalitionsvertrag ablehnen, hätten wir eine veritable Staatskrise in Deutschland“, warnte auch er. Das werde die Mehrheit der Sozialdemokraten aber nicht wollen.

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