Urteil: „Sie sollte weg“ – Höchststrafe für Eltern nach Tochter-Mord

Selten ist ein Urteil in einem Mordprozess so eindeutig. Im Fall des Paares aus Afghanistan sieht das Gericht die besondere Schwere der Schuld. Die Tötung des 15-jährigen Kindes sei eiskalt gewesen.

Zehn Monate nach dem Fund einer toten 15-Jährigen am Rheinufer in Worms sind die Eltern des Opfers zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt worden. Das Landgericht Mainz ging außerdem von der besonderen Schwere der Schuld bei beiden aus. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren für das Paar aus Afghanistan rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber eher ausgeschlossen. Die Richter sahen in dem Fall zwei Mordmerkmale: Heimtücke und niedrige Beweggründe. 

Die Tat sei aus „rein egoistischen Motiven“ begangen worden, das „Kind-Eltern-Vertrauen“ sei perfide ausgenutzt, die Tochter in eine Falle gelockt worden, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Weidemann. Die 15-Jährige, die Drogen genommen und mit der es immer wieder zu Streit gekommen war, sei als „Störenfried“ gesehen worden, sagte Weidemann. „Sie sollte weg.“

Mit Klebeband gefesselt und mit Tabletten ruhig gestellt

Der Tattag war der 15. Juni 2024. Nachdem die Mutter mit zwei anderen ihrer insgesamt vier Kinder von Einkaufen in Kaiserslautern zurück in die Wohnung nach Pirmasens gekommen war, entbrannte einmal mehr ein Streit zwischen der 34-Jährigen und der 15 Jahre alten Tochter. Nach Auffassung des Gerichts fasste die Mutter dann den Entschluss, ihr Kind zu töten. Der Vater lebte zu dem Zeitpunkt nicht mehr in der Wohnung, nach Übergriffen gegen seine Frau war eine Gewaltschutzverfügung gegen ihn erlassen worden. 

Das Opfer wurde mit Klebeband gefesselt, bekam von der Mutter erste Tabletten Tramadol – ein synthetisches Opioid zur Behandlung von Schmerzen. Am Abend des Samstags fuhren die Mutter, der herbeigerufene Vater und die 15-Jährige mit dem Auto los. Es ging über mehrere Stationen von Pirmasens bis nach Worms-Rheindürkheim, wo die Familie früher einmal gelebt hatte. 

Opfer wurde über Weg geschleift und in den Rhein geworfen

Während der Fahrt wurden dem Opfer weitere Tramadol-Tabletten verabreicht. Am Rhein, so stellte es auch das Gericht in seinem Urteil fest, ging der Vater mit der zu dem Zeitpunkt schon stark geschwächten Tochter, der die Mutter einen Schal um den Hals gelegt hatte, Richtung Ufer. Er drosselte die Jugendliche mit dem Schal, schleifte sie ohnmächtig über einen Weg und warf sie in den Fluss. 

Die Mutter ging am Montag nach der Tat zur Polizei und berichtete von Befürchtungen, dass ihrem Kind etwas zugestoßen sein könnte. Schließlich wird die Leiche des Opfers am Rheinufer entdeckt – schnell geraten die Eltern unter Verdacht.

„Eiskalter Mord an unbequemer Heranwachsender“

Nun, 13 Verhandlungstage nach dem Prozessauftakt, ist das Urteil gegen die Eltern gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert, allerdings keine besondere Schwere der Schuld gesehen. Staatsanwalt Thomas Kröger hatte in seinem Plädoyer gesagt, keine „hemmungslose Eigensucht“ bei den Angeklagten zu sehen, die Mutter habe sich um ihre anderen Kinder gesorgt. Die Eltern seien mit der Tochter überfordert gewesen, hätten nach Hilfe gesucht, die aber vonseiten des Jugendamtes nur bedingt bekommen. 

Der Vorsitzende Richter Weidemann bewertete das anders. Die 15-Jährige sei zum Sündenbock für die Probleme in der Elternbeziehung gemacht worden. Dem Paar warf er eine „Ich-Bezogenheit“ vor. Es sei keine Verzweiflungstat gewesen, dagegen spreche schon die dreistündige Autofahrt von der Wohnung in Pirmasens bis zum Tatort. Es habe sich um einen eiskalten Mord an einer unbequemen Heranwachsenden gehandelt. „Ein potenziell altruistisches Motiv ist hier nach unserer Auffassung zu keinem Zeitpunkt erkennbar.“

Die Eltern hätten keine Reue gezeigt, bei einem aufgezeichneten Gespräch in einem Justizfahrzeug während der Untersuchungshaft hätten sie sogar offen darüber gesprochen, welche Ausreden am besten seien. Im Prozess hätten sich die beiden immer wieder in Widersprüche verwickelt. Er habe bei den Eltern zur Schau gestellte Wehleidigkeit gesehen. 

Aus Hoffnung wird Scherbenhaufen

Die Initiative für die Tötung sei von der Mutter ausgegangen, die mit der Tochter nicht mehr klargekommen sei, betonte Weidemann. „Sie hatte ein maßgebliches Tatinteresse und Motiv.“ Der Vater saß während der Urteilsverkündung mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank, die Mutter nahm den Richterspruch zunächst äußerlich gefasst auf, ab und an mit dem Kopf schüttelnd, am Ende fing sie an zu weinen. 

Das Paar stammt aus dem afghanischen Herat, war in jungen Jahren zwangsverheiratet worden und kam über den Iran auf teils getrennten Wegen 2015 beziehungsweise 2016 nach Deutschland. In Pirmasens bauten sie sich eine Existenz mit einem Backshop und einem Lebensmittelladen auf, die sie dann 2024 aber verkaufen mussten. 

Geprägt war das Familienleben in den vergangenen Jahren immer wieder von Konflikten. Der Verteidiger des 40 Jahre alten Vaters drückte es in seinem Plädoyer am Donnerstag so aus: Die Familie habe sich einst in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf den Weg gemacht, sei dann falsch abgebogen, krachend gescheitert und stehe nun vor einem Scherbenhaufen. 

Tötung am Rhein wurde nachgestellt

Dem Verfahren vor dem Landgericht Mainz war eine intensive Ermittlungsarbeit der Polizei vorausgegangen, sie wurde von Gericht und Staatsanwalt explizit gelobt. Im Rahmen der Ermittlungen war auch die Tötung am Rhein nachgestellt worden, Aufnahmen davon wurden im Prozess gezeigt. Sowohl Staatsanwalt Kröger als auch beide Verteidiger hatten in ihren Schlussvorträgen erklärt, dass die Tat fassungslos mache. Der Vorsitzende Richter zitierte in seiner Urteilsbegründung mit Blick auf den Tod der 15-Jährigen an einer Stelle eine im Prozess genannte Aussage des Vaters: „Sie ist gestorben wie ein Vogel.“

Ob die Staatsanwaltschaft oder einer der Verteidiger Rechtsmittel einlegen würde, war noch unklar. Alle Parteien sagten, dies zunächst einmal prüfen zu wollen.

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