Die Brennhaare des Eichenprozessionsspinners können gefährliche Allergien und Asthma auslösen. Eine Warnkarte zeigt, wo die Gefahr derzeit am größten ist.
Berühren verboten! Einatmen verboten! Wer auf einer Eiche eine kleine Prozession von etwa 20 bis 30 Raupen krabbeln sieht, sollte möglichst schnell das Weite suchen. Denn die nur wenige Zentimeter langen, dünnen Larven des Eichenprozessionsspinners (EPS) tragen eine äußerst gefährliche Fracht mit sich herum. Ab dem dritten von insgesamt fünf oder sechs Entwicklungsstadien bilden sich auf ihrem Körper lange Stacheln, die leicht abbrechen können. In diesen befindet sich das Nesselgift Thaumetopoein, das Fressfeinde abschrecken soll, aber auch für den Menschen gefährlich ist. Wenn die kleinen Raupen zusammen auf Nahrungssuche gehen, bilden sie so eine bestens gewappnete Phalanx.
Die Stacheln verfügen über kleine Widerhaken, die sich in der Haut oder Schleimhaut festsetzen. Dort kann das Nesselgift allergische Reaktionen hervorrufen. Diese lassen nicht nur juckende Quaddeln entstehen, sondern können – ähnlich wie bei einem Wespenstich – einen allergischen Schock auslösen. Werden die Stacheln eingeatmet, kommt es häufig zu Atembeschwerden, bis hin zu Asthmaattacken. Dazu müssen die Betroffenen noch nicht einmal eine der Raupen berühren, auch wer einfach nur unter einem befallenen Baum sitzt, kann so viele auf den Boden gefallene Brennhaare einatmen, dass es ihm schlecht ergeht.
Eine Warnkarte des Deutschen Wetterdienstes zeigt die Verbreitungsgebiete des Eichenprozessionsspinners und ihr jeweiliges Larvenstadium
© DWD
Auch Monate nachdem sich die Raupen längst in Puppen und unscheinbare Schmetterlinge verwandelt haben, sind ihre Brennhaare noch „aktiv“. Wer sich unter Eichen niederlassen will, sollte daher zuvor immer einen Blick nach oben werfen. Sind die Blätter kahlgefressen oder hängen in ihnen noch die Gespinste der Prozessionsspinnerraupen, droht Gefahr. Manchmal sind ganze Bäume von den Spinnfäden überzogen. Auch Hunde (und andere) Tiere reagieren auf das Nesselgift, mit zum Teil schweren Folgen für ihre Gesundheit.
Milde Winter begünstigen Entwicklung der Eichenprozessionsspinner
Ursprünglich stammt der Eichenprozessionsspinner aus Südeuropa, mit dem Klimawandel breitet sich der Nachtfalter immer weiter nach Norden aus. Hierzulande beginnt seine Saison eigentlich erst im Mai, doch milde Winter und hohe Temperaturen haben sie auf Ende März/Anfang April vorverlagert. Aktuell dürfte es laut einer Karte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Rhein-Main-Gebiet bereits die ersten Larven an den Bäumen geben. Das Frühwarnsystem wird täglich aktualisiert und zeigt die wahrscheinlichen Verbreitungsgebiete des Eichenprozessionsspinners und das errechnete Larvenstadium der Raupen auf einer Farbskala von hellgrün (1. Stadium) bis dunkelrot (6. Stadium).
Basis dafür sind die aktuellen Werte der gemessenen Lufttemperatur, denn sie steuert maßgeblich die Entwicklung der Falterraupen. In einigen Bundesländern beobachten auch Experten, wie sich die Eichenknospen und damit auch die Raupenpopulationen, die sich von den Blättern ernähren, entwickeln, um die errechneten Daten mit der realen Aktivität der Insektenlarven abzugleichen.
Die Verbreitungskarte des DWD soll Behörden vor Ort rechtzeitig vor einem Befall mit den Problemlarven warnen, sagt Paula Halbig von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, die das Warnsystem mit entwickelt hat. Ziel sei, die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren und gegebenenfalls die Schmetterlingslarven zu bekämpfen.
Bislang ist Deutschland das einzige Land, in dem eine solche Larven-Verbreitungskarte existiert. Es sei jedoch wünschenswert, dass es auch in anderen Ländern solche Frühwarnsysteme gebe, sagt Halbig. Technisch sei es grundsätzlich möglich, das deutsche Warnsystem auf angrenzende Regionen auszuweiten. Österreich testet das Verfahren noch. In Frankreich existiert immerhin eine ähnliche Karte für den dort zusätzlich heimischen Pinienprozessionsspinner. Dort werden auch die Fälle zentral registriert, in denen sich Menschen durch den Kontakt mit den Brennhaaren der Schmetterlingslarven verletzen. In Deutschland gibt es eine solche Datei bislang nicht.