Die Niederlage des FC Bayern gegen Inter Mailand hat gezeigt: Fehlen wichtige Spieler, scheitert die Mannschaft an höchsten Ansprüchen – da hilf auch kein Thomas Müller mehr.
Für einen Augenblick sah es so aus, als hätte ein erfahrender Drehbuchautor ein Skript für den Abend geliefert, das maximale Emotionen garantiert. Der FC Bayern lag im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales seit der 38. Minute mit 0:1 gegen Inter Mailand zurück, da wechselte Trainer Vincent Kompany drei frische Spieler ein: Sacha Boey, Serge Gnabry und Thomas Müller sollten gegen den italienischen Meister die Wende bringen. Dass nun endlich der große Müller-Moment in der Allianz-Arena gekommen sein könnte, war selbst auf dem TV-Bildschirm zu spüren. Das Stadion war wie elektrisiert und skandierte „Müller-Müller“.
Zehn Minuten später passierte schließlich etwas, was an Dramatik und Kitsch nicht zu überbieten war: Müller erzielte in typischer Müller-Manier (hervorragendes Stellungsspiel, Ball stochernd über die Linie bugsiert) den Treffer zum 1:1-Ausgleich. Das Tor des ewigen Bayern, der im Sommer nach einer denkwürdigen Karriere keinen neuen Vertrag erhält, löste eine wahre Gefühlsexplosion auf den Rängen aus. In diesem Moment schien es, als hätte Trainer Kompany alles richtig gemacht und die Bayern sich gegen einen starken Gegner trotz ihrer vielen Ausfälle behauptet.
Die B-Elf genügt den Ansprüchen in der Champions League nicht
Der Glaube daran währte exakt drei Minuten. Ein Konter der Italiener, den Davide Frattesi zum 2:1-Endstand vollendete, brachte die Ernüchterung: Statt eines Müller-Märchens setzte es eine Niederlage. Statt rauschhafter Glücksgefühle herrschte tiefe Enttäuschung bei den Protagonisten. Sie wissen: Die Chancen, das Ergebnis im Rückspiel in Mailand zu drehen und ins Halbfinale einzuziehen, sind eher gering. Es droht das Aus im Viertelfinale, viel zu wenig für die Ansprüche der Bayern.
Der außergewöhnliche Abend hat deutlich gemacht: Im Fußball sind Märchen selten, und der Bayern-Kader ist nicht breit und gut genug aufgestellt, um höchsten Ansprüchen in der Champions League zu genügen. Die Ausfälle von Dayot Upamecano, Alphonso Davies, Hiroko Ito, Jamal Musiala, Aleksandar Pavlovic und Kingsley Coman wogen zu schwer. Besonders in der Defensive fehlten Tempo und Übersicht. Josip Stanisic, Sacha Boey und Eric Dier waren zu langsam. Aber auch Minjae Kim bekam bei hohem Tempo Probleme. Auch Torwart Manuel Neuer fehlte, aber Ersatzmann Jonas Urbig hatte mit der Niederlage nichts zu tun, sondern spielte solide. Die mangelnde Chancenverwertung (Harry Kane wird noch lange an seinen Pfostenschuss denken!) war ebenfalls nicht ideal, ist aber nicht das Hauptproblem.
Bei den Gegentoren ließen sich die Bayern tölpelhaft überrumpeln. Der Führungstreffer der Italiener fiel nach einem gut heraus gespielten Angriff über die rechte Bayern-Seite, es fehlte an Druck auf die ballführenden Mailänder, die zu viel Platz hatten. Die Schwäche in der Defensive wurde noch deutlicher beim zweiten Gegentreffer. Die Bayern-Abwehr lief nur hinterher, und die Laufwege waren obendrein falsch (Boey). Mit Spielern wie Upamecano und Davies wäre so ein Gegentor möglicherweise nicht gefallen.
Defensive des FC Bayern ist das Hauptproblem
Es gibt aber noch tieferliegende Gründe für die Niederlage als die lange Verletztenliste. Im Offensivsystem von Trainer Kompany war die Defensive von Beginn an die Achillesverse. Schon zu Beginn der Saison war das Defizit deutlich zu erkennen. Der begeisternden Offensivpower stand eine teilweise dilettantische Abwehr gegenüber. Kompany bekam das Problem aber in den Griff. Gegen Bayer Leverkusen im Achtfinale der Champions League funktionierte die Abstimmung zwischen Angriff und Abwehr nahezu perfekt. Die Bayern gewannen mit 3:0 und 2:0 – Gegentreffer Fehlanzeige.
Doch die verletzungsbedingten Ausfälle haben die Systemschwäche erneut offengelegt. In der zweiten Reihe fehlen dem Trainer die geeigneten Spieler, um seinen Offensivfußball auf höchstem Niveau erfolgreich umzusetzen. Da nützte am Ende auch kein Müller mehr.
Quellen: „Spox„, „Süddeutsche Zeitung„, „Kicker„