Harry steht wieder vor Gericht. Er klagt gegen die Entscheidung des britischen Innenministeriums, seinen Schutz im Königreich zu reduzieren. War das die Rache der Briten am abtrünnigen Prinzen?
Man könnte es fast ein flüchtiges Lächeln nennen, das Prinz Harry den im Gerichtssaal 73 wartenden Journalisten zuwirft. Er, der die Medien hasst wie kaum ein anderer, sucht heute den Blickkontakt zu ihnen. Er wünscht ihre Anwesenheit bei dieser Anhörung in den Londoner Royal Courts of Justice, daran besteht kein Zweifel.
Der Weg zu seinem Sitzplatz führt direkt vorbei an der Pressegalerie. Prinz Harry – gutsitzender dunkelgrauer Anzug, hellblaue Krawatte, die roten Haare nun lichter und graumeliert – nimmt direkt vor der Pressegalerie Platz, auf einem der schwarzen Stühle mit Plastiklehne, auf denen fast alle im Saal sitzen. Der Stuhl wirkt etwas klein für den Herzog von Sussex, der in Person größer ist, als er auf Fotos wirkt. Großvater Prinz Philips Prognose, Harrys Mutter Diana werde „immerhin etwas Höhe in unsere Linie hineingebären“, in den beiden Söhnen fand sie Erfüllung.
Prinz Harry steht zum zweiten Mal in diesem Jahr in einem britischen Gericht
Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass Prinz Harry einen Prozess in seiner alten Heimat anstrengt. Im Januar gewann er quasi kampflos einen Prozess gegen seinen Erzfeind Rupert Murdoch und dessen Mediengruppe „News Group Newspapers“: Murdochs Medienemporium zahlte eine Entschädigung in Millionenhöhe und veröffentlichte ein Schuldgeständnis des Revolverblatts „The Sun“ zum Telefon-Hacking-Skandal.
Auch heute ist Harry als Kläger hier. Der Herzog von Sussex ficht eine Entscheidung des britischen Innenministeriums aus dem Jahr 2020 an. Selbige besagt, nach dem Rückzug der Sussexes aus dem Leben als arbeitende Royals stünde dem Prinzen und seiner Familie ein geringerer Grad an Schutz aus Steuergeldern zu als zuvor.
„Prinz Harry hat ein lebenslanges Sicherheitsrisiko geerbt“
Harry sieht das anders. Er verstünde nicht, warum er, seine Frau und seine Kinder in seiner Heimat Großbritannien nicht sicher sein dürften, erklärten die Anwälte des Prinzen im Vorfeld der Anhörung. „Prinz Harry hat bei seiner Geburt ein Sicherheitsrisiko geerbt, das ihn lebenslang begleiten wird: Er ist nach wie vor der sechste in der Thronfolge.“ Hinzu komme, dass er in Afghanistan gekämpft habe und dass er und seine Familie in den letzten Jahren gut dokumentierte neonazistische und extremistische Drohungen erhalten hätten.
„Seine Rolle innerhalb der Institution mag sich geändert haben, aber nicht sein Profil als Mitglied der königlichen Familie“, sagen seine Anwälte.
Er wirkt etwas fehl am Platz, der Herzog von Sussex, in diesem nüchternen fensterlosen Gerichtssaal mit der etwas müden graublauen Auslegware, den Schreibtischen im Buchenfurnier, den niedrigen Decken mit den Neonlampen. Zwei Reihen vor ihm steht seine Rechtsvertreterin, die Menschenrechtsanwältin Shaheed Fatima KC, und legt die Sicht ihres Klienten dar.
Fatima kritisiert die Entscheidung einer Kommission innerhalb des Innenministeriums, die nur zu dem Zweck existiert, die Sicherheit der Mitglieder der königlichen Familie sowie ausgewählter VIPs zu gewährleisten. Das „Royal and VIP Executive Committee“, kurz RAVEC, habe 2020 entschieden, den Schutz von Prinz Harry und seiner Familie nur noch von Fall zu Fall zu entscheiden – immer jeweils dann, wenn die Sussexes ins Königreich einreisten, und je nach Grund des Besuchs.
Viele Details bleiben aus Sicherheitsgründen geheim
Eine spezielle Risikobewertung einer unabhängigen Organisation, eigentlich Standard für alle zu schützenden Royals und VIPs, sei im Fall der Sussexes durch einen „maßgeschneiderten Prozess“ ersetzt worden, erklärt Fatima. Dieser Prozess ersetze in keinerlei Hinsicht die externe Risikobewertung, es gebe für die Behandlung des Prinzen keinerlei Präzedenzfall. Warum solle ausgerechnet er weniger gefährdet sein als andere Royals? Hinzu komme, so Fatima, dass RAVEC diese Entscheidung nie „schlüssig, rational und logisch“ begründet habe.
Harry nickt zustimmend. Der Prinz hört aufmerksam zu, wechselt ab und zu Worte und Notizen mit der neben ihm sitzenden Anwältin. Vor ihm auf dem Tisch liegen zwei schwere Aktenordner, deren Inhalt am zweiten Prozesstag dem Richter Lord Justice Bean präsentiert werden wird – unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn viele Details zu Harrys Sicherheitsvorkehrungen, die zur Beweisführung herangezogen werden, sind streng geheim.
Ein besonderes Problem für Harry sei, dass sein privates amerikanisches Sicherheitsteam keinen Zugang zu Informationen des britischen Geheimdienstes habe, auf die er und seine Familie angewiesen seien. Dabei geht es übrigens nicht um Geld: Harry bietet an, seine Sicherheit bei Besuchen im Königreich finanzieren, benötige aber den vollen Schutz, den er früher als arbeitendes Mitglied der königlichen Familie genossen habe.
„Das Vereinigte Königreich wird immer Prinz Harrys Heimat sein und ein Land, in dem seine Frau und seine Kinder sicher sein sollten“, sagte Harrys Anwaltsteam im Vorfeld des Prozesses. Das zu große persönliche Sicherheitsrisiko, das aus der Entscheidung von RAVEC erwachse, sei der Hauptgrund dafür, warum er und seine Familie seit 2020 nur selten ins Königreich gereist seien.
Zumindest am Dienstag schien Harry zuversichtlich, auch diesen Kampf mit dem britischen Establishment zu gewinnen.