Die AfD macht Druck, Trumps Zölle trüben die Wirtschaftsaussichten: In CDU und SPD wächst die Ungeduld mit den schwarz-roten Verhandlern. Wann steht der Koalitionsvertrag?
Friedrich Merz ist an diesem Wochenende mal für rund 24 Stunden nach Hause ins Sauerland gereist. Kurz die Familie treffen, einmal durchschnaufen – dann geht es mit dem Auto wieder zurück nach Berlin. Die Zeit drängt. Das Land braucht endlich eine neue Regierung.
Bis Mittwoch würden Union und SPD dem Vernehmen nach gerne eine Einigung über den Koalitionsvertrag erzielen. Und über das Wochenende ist der Druck auf die Verhandler noch einmal gewachsen. Die ohnehin trüben wirtschaftlichen Aussichten sind durch Donald Trumps Handelskrieg noch schlechter geworden. Und in der Union brodelt es. Die AfD rückt in Umfragen näher, beim Institut INSA lag sie sogar erstmals gleichauf, bei für CDU/CSU verheerenden 24 Prozent.
Entsprechend lauter werden die Rufe, im schwarz-roten Vertrag müsse stärker die CDU-Handschrift erkennbar sein. „So wird das nichts“, warf der frühere Verfassungsrichter Peter Müller seiner Partei in einer ernüchternden Zwischenbilanz für die „Süddeutsche“ entgegen.
Was will Merz als Reaktion auf Trump?
Die „dicken Klopper“ müssten noch verhandelt werden, meint Alexander Dobrindt, der CSU-Landesgruppenchef. Und der Merz-Vertraute Thorsten Frei verspricht: „Der Neustart wird in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren sein.“ Über Details schweigen sie. Alle wissen: Der Vertrag muss sitzen, sonst befindet sich Merz von Tag eins an im Kanzleramt auf dem Schleudersitz.
Besonders Trumps Zölle drohen die Gespräche von Union und SPD durcheinander zu bringen, sie verschärfen die Problemlage, womöglich auch den Konflikt zwischen den Verhandlern. Deutschland dürfte als einer der wichtigsten Handelspartner der USA die Folgen der Zölle besonders zu spüren bekommen. Verbraucher müssen vor einer neuen Inflationswelle geschützt, Jobs müssen gesichert werden, die Wirtschaft braucht Entlastung, wohl auch über niedrigere Steuern. Aber wie könnten die finanziert werden, ohne an anderer Stelle Steuern zu erhöhen? Und überhaupt: Wie soll die deutsche und europäische Reaktion auf Trumps Zölle aussehen?
Merz ist abgetaucht, auch von Lars Klingbeil, dem SPD-Chef, war über das Wochenende nichts zu hören. Ausgerechnet in einer Zeit, in der es auf Deutschlands Rolle in Brüssel ankommt, befindet sich Berlin im Schwebezustand.
Oettinger fordert Digitalsteuer
In Union und SPD wächst die Ungeduld. Auf „ein weitreichendes Paket mit Gegenzöllen gegen US-Produkte“ drängt der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger. „Außerdem sollte es eine Gebühr auf digitale Dienstleistungen geben. Das würde vor allem Tech-Giganten wie Amazon oder Elon Musks X treffen“, sagte der CDU-Politiker dem stern. „Natürlich würde eine Digitalsteuer das Produkt für die Nutzer verteuern, aber umgekehrt auch die Erträge und Gewinne der großen Plattformen treffen. Die Höhe der Gebühr sollte dabei von der Intensität der Nutzung abhängen.“
Auch Verena Hubertz, die Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, kann sich eine Digitalsteuer vorstellen. „Wenn es uns gelingt, eine Maßnahme zu finden, die gezielt US-Konzerne trifft, ohne die europäische Digitalwirtschaft zu schädigen, bin ich sehr dafür“, sagte sie dem stern. „Präsident Trump sollte militärische Macht nicht mit Handelsmacht verwechseln.“
Das Problem: Was Brüssel entscheidet, könnte erhebliche Rückwirkungen auf den deutschen Markt haben. Schon deshalb müsste sich die angehende Bundesregierung einmischen. Jörg Kukies, der geschäftsführende SPD-Finanzminister, warnte im Podcast von „t-online“ davor, jetzt einfach selbst EU-Pauschalzölle zu erheben. Er warb für ein „selektives Vorgehen“ und eine genaue Analyse entlang der Frage, wo es einen Nutzen gebe – und „wo wir uns selbst schaden“.
Rufe nach neuen Freihandelsabkommen – auch mit Trump
In der CDU gibt es noch andere Vorstellungen. „Die neue Bundesregierung muss die Ausweitung des Freihandels mit Südamerika und Asien auf ihre Agenda setzen“, fordert der CDU-Wirtschaftspolitiker Christoph Ploß. Nicht weniger, sondern mehr Freihandel sei jetzt nötig, sagte er dem stern. „Das Mercosur-Abkommen muss umgehend ratifiziert und die seit Jahren diskutierten Freihandelsabkommen mit Indien beziehungsweise Indonesien sollten jetzt so schnell wie möglich vereinbart werden.“
Ähnlich sieht das Kukies. Schon im Sondierungspapier sei enthalten gewesen, dass Deutschland sich für ein neues Freihandelsabkommen einsetzt zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um mit der Logik von immer höheren Zöllen zu brechen, meint er. „Mit einem Freihandelsabkommen werden all diese Fragen in einem Dokument geeint und gelöst.“
Am Montag wollen Union und SPD weiterverhandeln, zeitgleich treffen sich die Handelsminister der EU. Die Zölle und die Frage der Reaktion auf die US-Politik dürften in den letzten Gesprächen von Union und SPD zentral werden. Ab dem 9. April gilt Trumps 20-Prozent-Aufschlag für Güter und Dienstleistungen aus der EU.
Das ist just jener Mittwoch, an dem Union und SPD mit ihren Verhandlungen eigentlich durch sein wollen.