Donald Trump schürt den Handelskonflikt und nervt die Weltwirtschaft mit Zöllen. Hilft es, US-Produkte zu meiden und möglichst nur noch „europäisch“ zu kaufen?
Die Empörung ist groß, der Reflex allzu menschlich: Die US-Regierung überzieht unsere Wirtschaft mit Zöllen? Okay, dann mögen wir ihre Wirtschaft auch nicht mehr. In Kanada ziehen sich im Zuge der Kampagne „Buy Canadian Instead“ US-Anbieter aus Supermarktregalen zurück. Der kanadischen Idee folgt die Initiative „Buy from EU“ – kauft europäisch. Den Machern geht es nach eigenem Bekunden nicht um Boykott von US-Produkten, sondern um mehr Sichtbarkeit europäischer Angebote.
Tatsächlich lässt sich sehr vieles, was Amerikaner anbieten, durch Hersteller aus Europa ersetzen. Für das eine oder andere, etwa Technik-Hardware, könnte man auf japanische oder südkoreanische Anbieter zurückgreifen. An wenigen, dafür aber neuralgischen Stellen, würde es jedoch schwierig, auf „Made in USA“ zu verzichten. Mehr noch: Ein umfassender Boykott von US-Produkten träfe nicht nur deren Hersteller, sondern letztlich auch die deutsche und europäische Wirtschaft.
Autos und Sprit
Vom einst riesigen US-Wirtschaftszweig sind nur drei große Autobauer übrig geblieben: Ford, General Motors (Cadillac, Chevrolet) und Tesla. In Deutschland bringen sie es zusammen auf einen Jahresumsatz von rund elf Milliarden Euro. Weit mehr als die Hälfte davon setzt Elon Musks Firma Tesla um, zuletzt jedoch mit deutlichem Rückgang. Würde hierzulande, respektive in Europa, niemand mehr US-Autos kaufen, wären bei den Herstellern und deren Vertrieben allein in Deutschland mehr als 40.000 Arbeitsplätze in Gefahr.
Tanken muss man nicht bei den US-Anbietern Jet (Phillips 66) und Esso (Exxon). Briten, Polen, Franzosen und Italiener bieten genügend Sprit und Zapfsäulen. Was ein Käuferstreik an der Tankstelle bewirken kann, bekam 1995 der britische Shell-Konzern zu spüren: minus 50 Prozent Absatz in Deutschland, nachdem das Unternehmen seine Öl-Anlage Brent Spar in der Nordsee entsorgen wollte. Bei Jet und Esso ginge es in Deutschland um einen Jahresumsatz von rund 15 Milliarden Euro. Aber auch um grob geschätzte 10.000 Jobs allein an deren Tankstellen.
Essen und Trinken
Ist Fastfood amerikanischer Art notwendig? Sicher nicht. Aber es ist gelegentlich praktisch. Anders lassen sich die rund sieben Milliarden Euro, die in Deutschland jährlich in US-Ketten umgesetzt werden, kaum erklären. Allein fünf Milliarden entfallen auf McDonald’s. Gefolgt von Burger King, Subway, KFC und Starbucks. Und der Coca-Cola-Konzern (Fanta, Sprite, Mezzo Mix, Lift, Fuze Tea, Apollinaris, Vio) setzt hierzulande rund drei Milliarden Euro pro Jahr um.Kampagne in Kanada: US-Produkte verschwinden aus Supermarktregalen
© VCG
Alles verzichtbar, völlig klar. Man könnte – je nach Region – zum Beispiel Fischbrötchen, Brat-/Currywurst, Frikadelle oder Leberkäs‘-Semmel snacken. Und fast überall Döner und Pizza. Und man könnte Erfrischungsgetränke von Vita (Schmalkalden) oder Fritz (Hamburg) trinken, um zwei deutsche Hersteller zu nennen. Aber: Ohne die US-Gastro hätte Deutschland satte 100.000 Arbeitsplätze weniger. Gerechnet ohne die Jobs bei heimischen Zulieferbetrieben.
Mode und Handel
Ja, man kann Adidas statt Nike kaufen, Diesel und Pepe statt Levi’s und Lee. Und es würde kaum Arbeitsplätze in Deutschland und Europa gefährden. Denn sämtliche Modekonzerne produzieren überwiegend in Asien. Ein Boykott der ikonischen US-Marken? Wohl eher Geschmackssache.
Aus Verbrauchersicht eher Einstellungssache ist die Nutzung von Amazon. Keine Frage: Ein Konsumentenleben ohne den Klick beim größten Versandhändler der Welt ist möglich. Der Konzern beherrscht rund sieben Prozent des gesamten deutschen Handels, setzt hierzulande rund 30 Milliarden Euro pro Jahr um. Mehr als jedes andere US-Unternehmen. Ein Nutzer-Streik träfe indirekt auch mehr als 45.000 kleine und mittelgroße Händler und Produzenten aus Deutschland, die via Amazon verkaufen. Und zwar in die ganze Welt. Diesen „Weltmarke“-Nutzen kann derzeit kein europäisches oder asiatisches Unternehmen bieten.
Unterhaltung und Ernst
Neben Amazon Prime bieten die US-Konzerne Disney, Netflix, Comcast (WOW), Paramount und Apple Video-Inhalte in Deutschland an. Amerikas neue und alte Traumfabriken im Abonnement. Alternativen aus Europa gibt es freilich, unter anderem aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien. Doch es ist ein wenig wie in Sachen Mode: Geschmackssache.
Ernst wird es in puncto Technologie und Kommunikation. Ein Verzicht auf die Nutzung der Angebote der US-Plattform-Konzerne Meta (Facebook, Instagram, Whatsapp), Alphabet (Google, Youtube) und Elon Musks X (Twitter) ist möglich. Und man fiele dabei keineswegs zurück ins digitale Neandertal. Es gibt auch Internetsuche abseits von Google. Doch der soziale Druck, zumindest einige der Dienste zu nutzen, ist immens, der Verzichtnutzen dagegen gering. Denn die Dienste kosten kein Geld. Bezahlt wird mit Daten, die die Konzerne in Werbegelder ummünzen. Ob oder wie lange noch Milliarden Verbraucher weltweit mitspielen? Kaum seriös abzuschätzen.
Weitaus schwieriger wäre die Abkehr von US-Betriebssystemen für Computer und Smartphones. Der Versuch der Stadt München, anstelle von Microsoft ein Linux-basiertes System zu etablieren, wurde nach drei Jahren abgebrochen. Und ohne Android (Alphabet) und Apples OS funktioniert heute kaum noch ein Smartphone; ebenso wenig medizinische Behandlungen ohne die Produkte von Pfizer, Johnson & Johnson oder Merck (US).
„Buy from EU“ ist sicher ein guter Gedanke. Aber bei allem gesunden Verbraucherpatriotismus: Wirtschaftliche Abschottung mindert tendenziell Wettbewerb und Fortschritt, erhöht Preise und kann zu steigender Arbeitslosigkeit führen. Und: Nicht jede amerikanische Firma agiert wie die von Elon Musk und jene von ein paar anderen US-Milliardären. Ein differenzierter Blick auf die Haltung lohnt sich – für alle Beteiligten. Dies- und jenseits des Atlantiks.