US-Präsident Trump plant neue drastische Abgaben auf Importe. Niemand weiß bisher so recht, wen es wie treffen wird. Aber für Deutschland und Europa könnte das ein kostspieliges Problem werden.
US-Präsident Donald Trump feiert es als Befreiungstag, für die Europäer dürfte es die nächste Eskalationsstufe im Handelsstreit mit den USA sein: Trump will am Mittwoch neue weitreichende Zölle verhängen. Seit Wochen fiebert der Republikaner auf den von ihm so bezeichneten „Liberation Day“ für die USA hin und schimpft dabei vor allem auf die Europäische Union. Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass europäische Unternehmen insgesamt deutlich mehr Waren in den USA verkaufen als amerikanische Firmen in der EU.
Was plant Trump?
So richtig klar ist das nicht. Trump spricht von wechselseitigen Zöllen. Das bedeutet im Prinzip, dass die USA überall dort Zölle anheben, wo sie derzeit weniger verlangen als ihre Handelspartner. Trump kündigte auch an, andere Handelshemmnisse in den Blick zu nehmen – etwa strenge Einfuhrvorgaben oder Subventionen. Er will das Handelsungleichgewicht korrigieren und die USA als Produktionsstandort stärken. Anderen Ländern warf vor, sein Land unfair zu behandeln. Gleichzeitig dürften die Zölle ihm helfen, sein kostspieliges Wahlversprechen umfassender Steuersenkungen gegenzufinanzieren.
Zuletzt deutete sich an, dass der 78-Jährige einfach pauschale Zölle verhängen könnte. Das würde bedeuten, dass die Abgaben nicht auf einzelne Waren oder spezifische Branchen beschränkt würden. Von den Zöllen werde kein Staat verschont bleiben, sagte er etwa am Wochenende. Am Montagabend sprach er im Weißen Haus über US-Handelspartner und monierte: „Der Freund ist in vielen Fällen schlimmer als der Feind.“ Wie genau die neuen Zölle aussehen und wen sie treffen, will er im Rosengarten des Weißen Hauses bekanntgeben.
Dass Trump seine Drohungen ernst meint, hat er zuletzt bewiesen. Er verhängte bereits Zölle auf alle Aluminium- und Stahlimporte, brachte Zölle auf importierte Autos und Autoteile auf den Weg, führte erhöhte Zölle auf alle Waren aus China ein und nahm seine Nachbarn Kanada und Mexiko ins Visier.
Was erwartet die EU?
In Brüssel wird mittlerweile mit dem Schlimmsten gerechnet – also damit, dass Trump auf alle Importe aus Europa pauschale Zusatzzölle in Höhe von 20 oder sogar 25 Prozent verhängen könnte. Immer noch unangenehm, aber gesamtwirtschaftlich nicht ganz so folgenreich wären gezielte Zölle auf bestimmte Produkte oder Produktgruppen. Als mögliches Ziel dafür wurden zuletzt EU-Exporte von Arzneimitteln, Holz, Kupfer oder Halbleitern genannt.
Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?
Die USA sind Deutschlands wichtiger Handelspartner noch vor China und den Niederlanden, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. Demnach wurden 2024 Waren im Wert von rund 253 Milliarden Euro zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehandelt.
Der US-Markt hat für deutsche Firmen an Bedeutung gewonnen: Für die deutschen Exporteure seien die USA so wichtig wie nie in den vergangenen 20 Jahren, so das Statistische Bundesamt. Deutsche Firmen lieferten 2024 Waren im Wert von 161,4 Milliarden Euro in die USA, gut zehn Prozent aller Exporte.
Umgekehrt wurden 2024 Waren im Wert von 91,4 Milliarden Euro aus Amerika nach Deutschland importiert. Die Folge war ein deutscher Rekord-Handelsüberschuss von rund 70 Milliarden Euro mit den USA. Mit keinem anderen Land hat Deutschland seit 2017 so hohe Exportüberschüsse.
Welche Branchen sind besonders von den USA abhängig?
Nicht nur den deutschen Autobauern drohen mit den von Trump bereits angekündigten Sonderzöllen von 25 Prozent hohe Belastungen. Auch für die Pharmaindustrie sind neue US-Zölle gefährlich. Arzneimittel im Wert von 26 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,2 Prozent) der deutschen Pharmaexporte gingen 2023 in die USA. Prozentual gesehen ist das noch mehr als im Maschinenbau (13 Prozent) und der Chemiebranche (7,2 Prozent), deren Produkte ebenfalls zu den wichtigsten deutschen Exportgütern in die USA zählen.
Könnte die Zölle Folgen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland haben?
Deutschland importierte 2023 Pharmazeutika im Wert von 12,5 Milliarden Euro (17 Prozent) aus den USA sowie rund zwölf Prozent der Vorprodukte. Das sind Materialien, Stoffe oder Bauteile, die in der Herstellung von Medizinprodukten, Arzneimitteln oder medizinischen Geräten verwendet werden. „Im Ernstfall eines Handelskriegs könnten sich Vorprodukte stark verteuern oder zeitweise ganz fehlen“, sagt Claus Michelsen, Chefvolkswirt beim Verband forschender Arzneimittelhersteller. „Damit würde die Arzneiproduktion in Deutschland unter Druck geraten mit Folgen für die Medikamentenversorgung und die Beschäftigten in der Pharmaproduktion.“
Wie könnten deutsche Unternehmen auf die neuen Zölle reagieren?
Es kursieren Schreckensszenarien, wonach deutsche Unternehmen im großen Stil in die USA abwandern könnten, um Zöllen zu entgehen. Simone Menne, Präsidentin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany), sieht aber hohe Hürden für Unternehmen. „Große Investitionen haben jahrelangen Vorlauf. Aus Deutschland abzuwandern, wäre für Unternehmen mit hohen Kosten verbunden“, sagte Menne in einem früheren Gespräch mit der dpa.
Viele deutsche Konzerne seien bereits stark in den USA präsent, sagte Menne. „Womöglich investieren sie dann vor Ort noch mehr.“ Deutsche Unternehmen sind wichtige Arbeitgeber und Investoren in den Vereinigten Staaten, zeigen Daten des Bundeswirtschaftsministeriums. Unter anderem die Autobauer VW, BMW und Mercedes haben dort große Werke. Der Mittelstand habe es da schwerer, so Menne. „Viele Firmen sind Weltmarktführer von Deutschland aus, sie können nicht einfach von heute auf morgen ein Werk woanders aufbauen.“
Wie wird die EU reagieren?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht erhebliche Gefahren. Konkret prognostiziert sie steigende Preise, Probleme in Lieferketten und das Risiko von Jobverlusten. Die für die europäische Handelspolitik zuständige EU-Kommission zeigt sich bis zuletzt gesprächsbereit. Für den Fall, dass die USA nicht an den Verhandlungstisch kommen, will sie allerdings zurückschlagen. Ein Sprecher sagte zuletzt in Brüssel, es würden Gegenmaßnahmen mit „maximaler Wirkung“ vorbereitet.
Um dem US-Präsidenten konkrete Kalkulationen zu erschweren, schweigt sich die EU dazu aus. Bereits angekündigt ist, dass Mitte April die derzeit ausgesetzten Sonderzölle auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter wieder eingeführt werden. Dies ist aber die Reaktion auf die US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, die bereits in Kraft getreten sind. Zusätzliche Maßnahmen dürften zahlreiche weitere US-Waren treffen.
Könnten auch Dienste von Trump-Freund Elon Musk ins Visier der EU geraten?
Die EU-Kommission argumentiert, dass die USA mehr Dienstleistungen in die EU verkaufen als umgekehrt. Grund sind vor allem die großen amerikanischen Techkonzerne. Berücksichtige man sowohl Waren als auch Dienstleistungen, gebe es nur einen geringen Überschuss von 48 Milliarden Euro, so die Kommission. Das entspreche drei Prozent des gesamten Handels zwischen den USA und der EU.
Aus dem Europäischen Parlament kommen bereits Forderungen nach einer Drohung mit Maßnahmen gegen amerikanische Unternehmen wie die Plattform X, die Musk gehört, Google, Amazon oder Netflix. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD), hält es beispielsweise für möglich, Abgaben auf digitale Dienstleistungen zu erheben.
Wie könnte es nach der neuen Zollankündigung weitergehen?
In einem weniger schlimmen Szenario könnte Trump schnell davon überzeugt werden, die Zölle vorübergehend wieder auszusetzen – um dann mit Verhandlungen zu beginnen. Im Worst-Case-Szenario würde es zu einem langen Handelskrieg kommen – mit schweren Folgen für die Wirtschaft. Selbst im Fall von Verhandlungen wird allerdings nicht damit gerechnet, dass am Ende wieder alles ist wie vorher.
Was könnte die EU den USA in Verhandlungen anbieten?
Neben Zollsenkungen auf Waren wie US-Autos gelten neue Abkommen als Option. Nach Einschätzung der EU-Kommission könnten die Europäische Union und Trump etwa einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) schließen. „Wir bekommen immer noch viel LNG aus Russland, warum also nicht stattdessen amerikanisches LNG einsetzen, das günstiger für uns ist und unsere Energiepreise senkt“, sagte Ursula von der Leyen bereits im vergangenen Jahr. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter aus den USA zu importieren.