Meinung: Und wieder einmal sind es wir Frauen, die sich verstecken sollen

In Hamburg läuft eine Petition, die die Einführung von Frauenwaggons fordert. Das ist zwar gut gemeint, aber auch ein Zeichen von Resignation, findet unsere Autorin.

„Schluss mit Belästigung in der Bahn“, diese Überschrift trägt eine Petition im Netz, die sich für die Einführung von Frauenabteilen in den Hamburger U- und S-Bahnen einsetzt. Beinahe 37.000 Menschen haben schon unterschrieben. Das erste Gespräch mit dem Hamburger Verkehrsverbund hat vergangenen Freitag stattgefunden – die Resonanz: vorsichtig positiv.  

Auch ich habe mich schon auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn unsicher gefühlt, wurde von aufdringlichen Männern belästigt und habe das Abteil oder zumindest den Sitzplatz gewechselt. So wie mir geht es vielen Frauen. In einer Studie des Bundeskriminalamts zum Thema Sicherheitsgefühl beispielsweise antworteten über die Hälfte der befragten Frauen, dass sie aus Angst öffentliche Verkehrsmittel und andere öffentliche Orte nachts meiden. Ein Abteil nur für Frauen, das klingt erst einmal nach einer durchweg positiven Idee. Und dennoch: Bei mir hinterlässt diese Petition einen bitteren Beigeschmack. Denn sie fühlt sich so an, als hätten wir im Kampf gegen Belästigung und Gewalt gegen Frauen aufgegeben. Kapituliert. Als würden wir resignierend und mit tiefem Seufzer sagen: Na ja. Wir können ja sowieso nichts gegen diese Täter tun … 

Frauenwaggon: Keine Frau entscheidet sich wirklich frei dafür

Frauenabteile sind gut gemeint, aber sie fühlen sich so an, als würden wir in die Vergangenheit reisen. So lange haben wir für die Gleichberechtigung gekämpft, und trotzdem wirken wir wohl wie schutzbedürftige Opfer, statt selbstbestimmte Frauen. Wir Frauen ordnen uns den Männern unter – unserer Sicherheit zuliebe. Denn keine Frau entscheidet sich wirklich frei für Frauenwaggons. Frauen entscheiden sich für Frauenwaggons, weil die Alternative Unsicherheit bedeutet – aus Angst.  

Wieder einmal sind es wir Frauen, die sich verstecken sollen. Ein bekanntes Muster. Auch bei häuslicher Gewalt flüchten die Frauen ins Frauenhaus, während die Männer so weiterleben, als wäre nichts passiert. In ihrer Komfort-Männer-Zone. Das darf einfach nicht sein. Nicht wir Frauen sollten verdrängt werden, sondern die Täter. Nicht wir sollten gezwungen sein, uns vor übergriffigen Idioten verstecken zu müssen. Aber genau das wäre die Botschaft, die mit der Einführung von Frauenwaggons versendet werden würde: „Ihr Frauen seid selbst dafür verantwortlich, euch in Sicherheit zu bringen.“ Die Konsequenzen der Belästigung tragen wir. Nicht die Verursacher. Das Problem wird privatisiert, anstatt gesellschaftlich gelöst. Nicht die Gesellschaft oder die übergriffigen Männer ändern sich, sondern wir verändern unser Verhalten. 

Statt zeitliche und finanzielle Ressourcen in Frauenwaggons zu investieren, sollten wir die Sicherheitskonzepte der Bahn verbessern. Da gibt es noch massiv Luft nach oben. Mehr Sicherheitskräfte, die es auch bräuchte, um zu gewährleisten, dass kein Mann das Frauenabteil betritt, wären zwar schön, aber auch eine finanzielle Herausforderung. Leichter umsetzbar: Sensibilisierung. Offensivere Kampagnen in Bahnhöfen, die Augenzeugen zeigen, was sie in einer akuten Situation unternehmen können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Leicht zugängliche Aufklärung für Betroffene, die wissen wollen, was ihre Rechte sind und welche konkreten Möglichkeiten sie haben, sich zu wehren, wenn jemand sie belästigt oder angreift. Eine weitere Möglichkeit: flächendeckendere Kameraüberwachung zur Identifizierung von Tätern und damit Sicherheitskräfte schneller einschreiten können.  

Ebenfalls ein seit Jahrhunderten eingesetztes Mittel: gesellschaftliche Ächtung. Wir müssen uns solidarisch zeigen, wenn jemand sich übergriffig verhält. Im Englischen gibt es dafür sogar einen eigenen Begriff: Call-out-Culture. Jemanden öffentlich darauf hinweisen, wenn er sich diskriminierend oder sexistisch verhält. Wie wäre es mit einem Notrufknopf, der alle in der Bahn darauf aufmerksam macht, dass gerade ein Übergriff passiert? Sodass andere Passanten zur Hilfe kommen können. Vielleicht utopisch, aber wäre es nicht schön, wenn sich Täter so ordentlich schämen würden? 

Mit der Überarbeitung der Sicherheitskonzepte und der Sensibilisierung unserer Gesellschaft wäre wirklich allen geholfen. Auch den marginalisierten Gruppen, die ebenfalls häufig im öffentlichen Raum diskriminiert und angegriffen werden: People of Color, Trans- und Homosexuelle. Und ja, auch Männer müssen geschützt werden. Denn auch sie werden Opfer von männlicher Gewalt. Jeder von uns hat das Recht, sich sicher zu fühlen.  

Schnelle Lösung schön und gut, aber wir dürfen es den Verantwortlichen nicht zu einfach machen. Ein Frauenwaggon kann eine Notlösung sein, aber er wird das gesellschaftliche Problem, das dahinter liegt, nicht lösen, sondern birgt die Gefahr der Symbolpolitik. Sie sind ein Einfallstor für Nahverkehrs-Betreiber, sich auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: „Seht her. Wir tun doch etwas für die Sicherheit von Frauen.“ Das aber ist einfach nicht genug und erst recht keine langfristige Lösung. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert