Krankenhäuser: Laumanns NRW-Klinikreform: Visitenkarte für Berlin?

Kommende Woche tritt die große Krankenhausreform von Gesundheitsminister Laumann in NRW in Kraft. Laumann fordert von der Politik mehr Mut. Die SPD fragt: Ist das etwa eine Bewerbung für Berlin?

Kurz vor Inkrafttreten der neuen Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalens hat Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) seine tiefgreifende Reform als „Pionierarbeit“ für Deutschland bezeichnet. Die SPD-Opposition im Landtag mutmaßte sofort, dass Laumann sich für die neue Bundesregierung in Berlin empfehlen wolle, wo Union und SPD derzeit über eine Koalition verhandeln.

Bewerbung für Berlin?

„Das waren ja hier zwei astreine Bewerbungsreden als Bundesgesundheitsminister“, sagte der SPD-Abgeordnete Rodion Bakum zu zwei Reden Laumanns in einer Aktuellen Stunde im Landtag. Auf Laumanns Einwurf von der Regierungsbank, dass das ja gar nicht stimme, sagte Bakum: „Sie werden es nicht machen. Ich bin überrascht.“ Jahrelang habe Laumann erzählt, was SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach alles falsch gemacht habe. „Und jetzt kneifen Sie.“ 

Bakum hatte auch noch einige persönliche Worte für den beliebten Politiker Laumann: „Ich kann ganz persönlich sagen, wenn Sie dem Ruf nach Berlin folgen, ich werde Sie vermissen – die Krankenhäuser womöglich nicht, weil sie viele Baustellen verlassen.“ 

„Brauchen mehr Politiker, die was anpacken“

Große Veränderungen seien immer damit verbunden, dass manche Menschen Nein dazu sagten und andere sich auf den Weg machten, hatte Laumann zuvor in der Debatte gesagt – und generell mehr Mut zu Veränderungen in der Politik gefordert. „Ich glaube, dass wir zurzeit in Deutschland eine Lage haben, nicht nur in der Gesundheitspolitik, wo wir mehr Politikerinnen und Politiker brauchen, die mal was anpacken, die mal was verändern, wie diejenigen, die vor jedem Widerstand Angst haben (…)“. 

Ruinösen Klinikwettbewerb beenden

Zuvor hatten Laumann Spekulationen der SPD über ein mögliches Scheitern der großen Krankenhausreform entschieden zurückgewiesen. Die neue Planung, wonach sich die Krankenhäuser in NRW stärker spezialisieren müssen, sei für alle Beteiligten Neuland. Der ruinöse Wettbewerb unter den Krankenhäusern um Fachpersonal und Patienten solle damit beendet werden. Patienten sollten für medizinische Behandlungen künftig Fachpersonal, Technik und eine ausreichende Erfahrung der jeweiligen Kliniken vorfinden. 

Der NRW-Krankenhausplan tritt in den meisten Leistungsbereichen am kommenden Dienstag (1. April) in Kraft. Für bestimmte Leistungsgruppen etwa in der Kardiologie und der Orthopädie sind Übergangsfristen bis Ende des Jahres vorgesehen, damit die Kliniken genug Zeit für die Umstellung oder Schließung von Abteilungen haben. Gleichzeitig soll eine ortsnahe Notfallversorgung erhalten bleiben. Auch Intensivmedizin muss flächendeckend vorgehalten werden. 

SPD spricht von chaotischem Vorgehen

Die SPD-Opposition warf Laumann vor, den Kliniken zu wenig Zeit für die Umstellung gelassen zu haben. Erst vor knapp vier Monaten hätten die Kliniken ihre Feststellungsbescheide darüber erhalten, welche Leistungen sie künftig anbieten dürfen, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Lisa-Kristin Kapteinat. Das sei ein kurzer Zeitraum für eine der größten Umstrukturierungen der Krankenhauslandschaft in NRW.

Klagen überraschen Laumann nicht

Das Resultat des „chaotischen Vorgehens“ seien fast 100 Klagen und knapp 30 Eilanträge von Krankenhäusern vor Gerichten gegen die Feststellungsbescheide, sagte Kapteinat. 

Es sei nicht verwunderlich, dass es bei 6.200 Einzelentscheidungen auch Klagen dagegen gebe, sagte Laumann. „Wir werden nicht alle 100 Klagen verlieren, aber wir werden auch nicht alle 100 Klagen gewinnen.“ In vielen Fällen würden die Klagen auch in die nächste Instanz vor das Oberverwaltungsgericht gehen. Laut OVG in Münster sind bislang elf Eilverfahren eingegangen, darunter nach früheren Angaben drei Verfahren, die das Land vor das OVG getragen hat.

CDU: NRW-Reform ist Blaupause für den Bund

Der CDU-Gesundheitspolitiker Marco Schmitz rechnete vor, dass weniger als zwei Prozent der Einzelentscheidungen juristisch angefochten worden seien. Eine vergleichbare Krankenhausreform werde im übrigen auch auf Bundesebene umgesetzt. „Nordrhein-Westfalen ist Blaupause für das, was bundesweit kommen soll.“

Der SPD-Abgeordnete Thorsten Klute nannte das „Selbstbeweihräucherung“. Auch die SPD halte die Ziele der Krankenhausreform im Grundsatz für richtig, aber die vielen Klagen zeigten, dass das von der Landesregierung immer wieder betonte Einvernehmen mit den Krankenhäusern nie richtig bestanden habe. 

FDP: Laumann hat Umsetzung unterschätzt

Auch die FDP-Gesundheitspolitikerin Susanne Schneider sagte die Grundidee der Spezialisierung sei zwar richtig, doch bei der Umsetzung hapere es an Transparenz und klaren Kriterien. Laumann habe unterschätzt, wie komplex die Umsetzung sei und wie nötig eine breite Abstimmung gewesen wäre. 

Die AfD stellte sich hinter Laumanns Reform. „Es ist ein guter erster Schritt“, sagte AfD-Fraktionschef Martin Vincentz. Es sei richtig gewesen, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, so der ausgebildete Arzt Vincentz. Das Problem des Fachkräftemangels sei damit aber auch nicht gelöst, und es gebe Nachbesserungsbedarf bei der Kinderheilkunde und der Geburtshilfe. 

Geburtshilfe in Not

Die sinkende Zahl der Geburtsstationen in NRW ist ein wunder Punkt in der Kliniklandschaft. SPD-Politikerin Kapteinat prognostizierte negative Dominoeffekte durch die Krankenhausreform. So werde in ihrer Heimatstadt Castrop-Rauxel nach aktuellem Stand die Geburtsstation schließen. Die entsprechenden Leistungen seien dem Krankenhaus zwar zugeteilt worden. Allerdings fielen laut Feststellungsbescheid zwei andere lukrative Bereiche weg. Damit sei die oft übliche Querfinanzierung der chronisch unterfinanzierten Geburtshilfe nicht mehr möglich. 

Laumann teilte die Sorge um die Schließung von Geburtsabteilungen. Mit der neuen Krankenhausplanung sei keiner Klinik eine Geburtsstation verweigert worden, betonte er. Abteilungen unter 1.100 Geburten im Jahr seien aber oft unterfinanziert. Das sei der Grund, warum die Krankenhäuser die Geburtskliniken abstoßen wollen. Zugleich kündigte Laumann Finanzhilfe an: Das Land werde 25 Millionen Euro auf alle Geburtskliniken unter 1.100 Geburten verteilen.

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