Türkei: Demonstrant geht vor Polizei-Barriere auf die Knie

Ein Heiratsantrag in Zeiten des Protests: Hunderttausende gehen in der Türkei gegen die Regierung auf die Straße. Dabei kommt es auch zu emotionalen Szenen, zeigen Videos.

Die Türkei erlebt stürmische Zeiten. Seit einer Woche protestieren vor allem junge Menschen täglich gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Polizei geht teilweise brutal gegen die Demonstranten vor, mit Wasserwerfern oder Pfefferspray. Doch das bringt die Menschen offenbar noch mehr zusammen.

Von den Protesten geht nun ein emotionales Video aus Istanbul viral, die stern-Verifikation hat das Video überprüft. Zu sehen: Zwei vermummte Menschen, die direkt vor einer Polizei-Barriere stehen. Einer von beiden, kniend, streckt der anderen Person ein Ringkästchen entgegen. Er gestikuliert, deutet auf beide – und steht dann wieder auf, um seinem Gegenüber den Ring anzustecken. Wohl ein Heiratsantrag inmitten der Protestmenge – und direkt vor den Augen der Polizeibeamten, die sich nicht rühren.

Heiratsantrag in der Menge: „Die Revolution ist für Verliebte“

Das Video direkt beim Valens-Aquädukt berührt viele in den sozialen Medien. Mehrere Accounts teilen das Video. Darunter – viele kämpferische Kommentare: „Die Revolution ist für Verliebte“, „auch im Angesicht der Unterdrückung wagt es die Liebe, aufzusteigen“, oder die abgewandelte Frage: „Willst du mit mir Widerstand leisten?“.

Seit dem 19. März ist das Land in Aufruhr. An diesem Tag wurde der populäre Oppositionspolitiker und Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu festgenommen und danach abgesetzt. Ihm werden Korruption und Terror vorgeworfen. Seitdem protestierten Hunderttausende gegen die Regierung, trotz des geltenden Demonstrationsverbots.

Imamoglu gilt als potenziell aussichtsreichster Herausforderer von Erdogan bei der für 2028 angesetzten Präsidentenwahl. Er wurde von der größten Oppositionspartei CHP als Kandidat aufgestellt. Der Opposition zufolge soll er im Silivri-Hochsicherheitsgefängnis bei Istanbul in Einzelhaft sitzen und in guter Verfassung sein. Er bestreitet alle Vorwürfe und wirft der Regierung vor, ihn mit den Ermittlungen politisch kaltstellen zu wollen. 

Erdogan selbst nennt die Proteste eine „Gewaltbewegung“, die von der Opposition angezettelt worden sei. Medien berichten von größtenteils friedlichen Protesten, doch die Polizei geht zum Teil brutal gegen die jungen Menschen vor. Es gibt Verletzte, Statistiken dazu veröffentlicht die Polizei aber nicht. Auch wurden laut dem türkischen Innenministerium etwa 1400 Menschen festgenommen, darunter mehrere Journalisten.

Auf die Straße gehen derzeit vor allem Studierende, die von der hohen Inflation (knapp 40 Prozent im Februar) und steigenden Mieten hart getroffen sind, und die konservative Kulturpolitik Erdogans häufig nicht unterstützen.

Quellen: Instagram, mit Informationen der Nachrichtenagentur DPA

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