Sicherheitspanne: Magazin veröffentlicht Angriffspläne von Trumps Beraterstab in voller Länge

Der Chefredakteur von „The Atlantic“ wird versehentlich in einen Geheimchat der US-Regierung eingeladen. Dort sind genaue Details zum Angriffsplan auf die Huthis zu lesen.

Nach der Sicherheitspanne in einem Gruppenchat ranghoher US-Regierungsvertreter hat das US-Magazin „The Atlantic“ einen Chatverlauf über Angriffspläne auf die Huthi-Miliz im Jemen in voller Länge veröffentlicht. In am Mittwoch veröffentlichten Screenshots des Chats sind zahlreiche Details wie genaue Angriffszeiten und die dabei eingesetzten Flugzeuge enthalten. „The Atlantic“ entschloss sich nach eigenen Angaben zu der Veröffentlichung, nachdem die Regierung von US-Präsident Donald Trump mehrfach bestritten hatte, dass in dem nicht gesicherten Chat geheime Informationen ausgetauscht worden seien. Jedoch klingt das in dem Chat anders. 

„12.15 F-18 Kampfjets heben ab“

Am Tag des Angriffs schickte Verteidigungsminister Pete Hegseth eine lange Nachricht in die Gruppe, dass das Wetter günstig sei. „Gerade bestätigt vom CENTCOM (einem Zentralkomitee der US-Streitkräfte für den Nahen Osten, Anm. d. Red.), wir haben das GO für die Mission“, schrieb Hegseth und fügte einen Zeitplan an:

„12.15 F-18 Kampfjets heben ab

13.45 Das erste Zeitfenster für den Angriff beginnt (Das Ziel ist an der bekannten Position, der Angriff sollte pünktlich sein) – gleichzeitig starten die Kampfdrohnen

14.10 Weiter F18-Kampfjets heben ab

14.15 Kampfdrohnen sind am Zielort (Hier werden die ersten Bomben definitiv abgeworfen)

15.36 Der zweite Angriff der F-18-Jets startet, vom Meer aus werden die ersten Tomahawk-Marschflugkörper starten“

Hegseth kündigte anschließend weitere Informationen an und verwies darauf, dass man momentan auch grünes Licht bei OPSEC habe. Mit dem Sicherheitskonzept sollen sensible Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt werden – gepostet in ebenjenem Chat, in dem ein Journalist mitliest. US-Vizepräsident J.D. Vance antwortete mit: „Ich werde für einen Sieg beten“.

Dass diese Angaben durchaus sensibel sind, erkannte wohl auch Trumps Sicherheitsberater Michael Waltz, der im Anschluss einstellte, dass die Nachrichten nach vier Wochen automatisch verschwinden sollten. Waltz war es auch, der das erste Update über den Angriff gab: „Das erste Ziel – ihr Top-Raketenmann – wurde positiv identifiziert, als er in das Haus seiner Freundin ging. Das Haus ist nun zusammengestürzt.“ Vance reagierte darauf mit einem einzigen Wort: „Exzellent“.

Am Abend informierte Hegseth die Gruppenmitglieder noch mal über den Stand der Dinge: „CENTCOM war punktgenau. Grandioser Job von allen. Weitere Angriffe wird es noch über Stunden heute Abend geben, und ich werde morgen einen kompletten Bericht abgeben. Bislang waren wir pünktlich, punktgenau und haben bislang gute Ergebnisse erzielt.“

Hochrangige Regierungsmitglieder in Chatgruppe

Mitglieder des Gruppenchats waren die obersten Führungsköpfe zur nationalen Sicherheit der USA: neben Hegseth unter anderem Trumps Stellvertreter J.D. Vance, Trumps Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz, der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, John Ratcliffe, und die Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard. Waltz hatte die Gruppe eingerichtet und dabei den Journalisten Goldberg hinzugefügt. 

Dass ranghohe Regierungsmitglieder überhaupt sensible Informationen über die kommerzielle App Signal austauschen, ist bereits ein Bruch mit den üblichen Sicherheitsstandards. Dass dort Details über einen bevorstehenden Militärschlag erörtert wurden – noch dazu vor den Augen eines Reporters, dessen Anwesenheit sich niemand bewusst war, gilt als Sicherheitsversagen von immensem Ausmaß. 

Der Chefredakteur des Magazins, Jeffrey Goldberg, war – wohl aus Versehen – in den Gruppenchat ranghoher Regierungsmitglieder eingeladen worden und konnte die Pläne über die bevorstehende US-Militäraktion im Jemen dort live mitlesen. Er machte das dramatische Sicherheitsversagen später mit einem langen Artikel publik. Seitdem ist die Trump-Regierung in Erklärungsnot – was sich durch die neuen Details nur verschärft. 

Trump-Regierung beleidigt Journalisten

Das „Atlantic“-Magazin hatte zuerst lediglich auszugsweise aus dem Chatverlauf zitiert, die militärischen Details aus Rücksicht auf die Sicherheit von US-Soldaten jedoch ausgelassen. Trump, Waltz und andere Beteiligte und führende Regierungsmitglieder behaupteten jedoch unisono öffentlich, dass in dem Chat keinerlei vertrauliche Informationen geteilt wurden. Auch Hegseth bestritt vehement, „Kriegspläne“ übermittelt zu haben. Stattdessen diskreditierten sie den „Atlantic“ und dessen Chefredakteur. 

Das Magazin entschied sich daher für die Veröffentlichung auch der heiklen militärischen Passagen. „Es besteht ein eindeutiges öffentliches Interesse daran, die Art von Informationen offenzulegen, die Trump-Berater in unsicheren Kommunikationskanälen ausgetauscht haben“, schrieb das Magazin zur Begründung – insbesondere, weil die Trump-Regierung versuche, die Bedeutung der Nachrichten herunterzuspielen. Man habe vor der Veröffentlichung verschiedene Regierungsmitglieder gefragt, ob sie Einwände hätten. Die meisten hätten nicht reagiert. Das Weiße Haus sei gegen die Veröffentlichung gewesen. 

Trumps Sicherheitsberater Waltz spielte die neuen Details einmal mehr herunter und schrieb auf der Plattform X über die neue Enthüllung: „Keine Standorte. Keine Quellen und Methoden. Keine Kriegspläne.“ Außerdem seien ausländische Partner bereits vorab über die bevorstehenden Angriffe informiert worden. Auch das Weiße Haus sieht weiterhin keinen Grund zum Handeln. Auf die Frage nach möglichen personellen Konsequenzen sagte die Sprecherin, Präsident Donald Trump habe weiter Vertrauen in sein Nationales Sicherheitsteam. Die Position von Trump sei unverändert.

In einer Stellungnahme des Pentagon heißt es, der „Atlantic“ verbreite Fehlinformationen. Es handele sich um einen „erbärmlichen Versuch“ des Magazins, von Trumps Sicherheitspolitik ablenken zu wollen. Die zusätzlich veröffentlichten Chatnachrichten bestätigten demnach, dass keine geheimen Informationen geteilt worden seien. Hegseth habe die Gruppe lediglich über einen bereits laufenden Einsatz informiert, der zuvor über offizielle Kanäle kommuniziert worden sei. 

US-Soldaten in Lebensgefahr?

Demokraten und Fachleute werten die Verbreitung derart konkreter Informationen zu einem unmittelbar bevorstehenden Militärschlag über einen Messenger-Dienst, der nicht ansatzweise den Sicherheitsstandards für den Austausch solcher Informationen genügt, jedoch als kompletten Tabubruch, der jene Soldaten, die an dem Einsatz beteiligt waren, in Lebensgefahr brachte. 

So schrieb eine frühere Sprecherin des Verteidigungsministeriums aus der Amtszeit des Demokraten Joe Biden, Sabrina Singh, auf X, Hegseth habe den Ablauf der gesamten Operation und die Flugzeugtypen offengelegt, bevor die Operation überhaupt stattgefunden habe. „Er setzte das Leben unserer Kampfpiloten aufs Spiel. Details wie diese sind geheim. Ich bin absolut fassungslos.“

Das US-Militär hatte Mitte März auf Befehl von Trump massiv Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen angegriffen. Die Militärschläge gegen die Huthi gehen seitdem weiter. Die Miliz beherrscht große Gebiete in der Region und vor allem im Jemen. Sie fing nach Ausbruch des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas im Oktober 2023 damit an, den jüdischen Staat aus Solidarität mit der islamistischen Terrororganisation mit Raketen und Drohnen anzugreifen. Zudem begannen sie mit Angriffen auf Schiffe – vor allem solche mit angeblicher Verbindung zu Israel – die entlang der Küste des Jemen auf einer der für den Welthandel wichtigsten Seefahrtrouten unterwegs sind.

Interne Diskussion über Außendarstellung der Angriffe

Die ranghohen Regierungsmitglieder diskutierten in dem Chat auch hitzig, wie die Attacken gegen die Huthi nach außen hin dargestellt werden sollten – und ob nicht am meisten Europa für seinen Handel davon profitiere, wenn die Schifffahrtsstraßen in der Region wieder sicher gemacht würden. 

So schrieb Vance demnach: „Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Klemme zu helfen.“ Hegseth antworte: „Ich teile voll deine Abscheu vor dem europäischen Schmarotzen. Das ist erbärmlich.“ An anderer Stelle zweifelte Vance offen an, ob sein Chef Trump sich im Klaren sei, wie die Aktion mit Blick auf seinen sonstigen Kurs zu Europa ankomme: „Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu den aktuellen Botschaften über Europa steht.“

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