Er rief die legendären „Vanity Fair“-Oscarpartys ins Leben. Nun hat Graydon Carter seine Memoiren veröffentlicht – und verrät darin süffige Anekdoten über mehrere Stars.
„Zutiefst feindselig“ seien einige der Mitarbeiter von „Vanity Fair“ ihm gegenüber gewesen, als er im Jahr 1992 als Herausgeber übernommen habe, schreibt Graydon Carter in seinen gerade erschienenen Memoiren. „Die Atmosphäre war so vergiftet, dass ich noch nicht mal meine Familie mit ins Büro genommen habe.“ Nicht, dass einen das wirklich überrascht, Vanity Fair gehört ebenso zum Verlag „Condé Nast“ wie das Modemagazin „Vogue“. Und über das dort herrschende Arbeitsklima lieferte bereits der Besteller „Der Teufel trägt Prada“ im Jahr 2003 gruselige Einblicke.
Doch Graydon Carter ließ sich offenbar nicht entmutigen und gewann wohl die Sympathien seiner Mitarbeiter. 25 Jahre lang lenkte er das US-Magazin, das berühmt ist für seine Themenmischung aus Unterhaltung, Politik und Star-Interviews.
Ein Leben voll Glamour und Exzess
In seinem Buch „When the Going was Good“ (dt.: Als es noch gut lief) erzählt er nun von diesen Jahren und manche Anekdoten lesen sich, als spielten sie in einem längst vergangenen, goldenen Journalismus-Zeitalter voller Glamour und Geld: Reisen nach Europa mit der Concorde, wohnen in Luxushotels, ein Auto mit Chauffeur, ein scheinbar unbegrenztes Spesenkonto und ein Passfoto, geschossen von Annie Leibovitz. In einem Interview mit „Page Six“ verteidigt Carter solche Exzesse als Teil der Strategie. Sein damaliger Vorstandsvorsitzender Samuel Irving Newhouse Jr., genannt Si, habe auf diese Weise das Magazin noch glamouröser erscheinen lassen wollen. „Si hat Condé Nast an die Spitze gebracht – und ein Teil dieser Aura waren die Limousinen, die jeden Tag vor dem Gebäude parkten. Sein Wahnsinn hatte Methode“, so Carter.
„Vanity Fair“-Herausgeber Graydon Carter scherzt mit Anna Wintour auf einer Party im Jahr 2002. Das Verhältnis der beiden Kollegen sei durchwachsen gewesen, schreibt Carter in seinem Buch
© KMazur
Das erinnert schon wieder an das andere berühmte Magazin von „Condé Nast“, geleitet von der legendären Anna Wintour. Niemand ist schließlich so gut darin, Glamour vor sich herzutragen, wie sie. „Komplizierte Gefühle“ habe er stets gegenüber seiner Kollegin von der „Vogue“ gehegt, gibt Carter zu. Mal habe sie ihn wie einen lang vermissten Freund behandelt, mal wie einen Einparker, dem man nur die Schlüssel zuwirft, schreibt er.
Die Söhne von Carter und Wintour waren auf derselben Elite-Privatschule in New York, der Collegiate School. In seinem Buch amüsiert Graydon Carter sich darüber, dass Wintour auch dort mit dicker Sonnenbrille in der ersten Reihe der Schul-Modenschau saß. Er sei damals vor Lachen fast geplatzt. Anna Wintour, so vermutet er außerdem, habe mitgewirkt, ihn 2017 von „Vanity Fair“ zu vertreiben.
Das Besondere an „Vanity Fair“ war und ist bis heute, dass es auch das vermeintlich Triviale und Leichte ernst nimmt. So beschreibt Graydon Carter etwa, welche Mühen man damals auf sich genommen habe, nur um Katie Holmes und Tom Cruise zu überzeugen, die ersten Bilder ihrer Tochter Suri im Jahr 2006 im Magazin zu veröffentlichen. Im Anschluss habe Tom Cruise im gleich mehrere Weihnachtsgeschenke geschickt. Unter anderem ein Schriftstück unter Plexiglas, auf dem die 20 Lehren der Scientology abgedruckt waren, so Carter.
Hochzeit in Rom: Katie Holmes und Tom Cruise mit Babytochter Suri im November 2006. Kurz zuvor zeigten sie die ersten Bilder von Suri exklusiv in Vanity Fair
© Eric Vandeville
„Vanity Fair“ und die legendären Oscarpartys
Die lustigsten Geschichten in Carters Buch aber drehen sich um die legendären Oscarpartys. Er selbst war es, der sie ins Leben gerufen hat, nur kurz nachdem er den Posten übernommen hatte. Zuvor war der Hollywood-Agent Swifty Lazar der große Partymeister der Oscarnacht. Doch als er Ende 1993 starb, trat Carter in die Lücke und etablierte die „Vanity Fair“-Variante.
Die erste war noch klein, 150 Leute zum Dinner und weitere 150 bis 200 zur After-Party. Aber schon bald zeigte sich, dass alle kommen wollten. Weniger, um Spaß zu haben. Eine Band, so stellte Carter schnell fest, war überflüssig, denn Hollywood tanze nicht wirklich. „Warum sollte man albern tanzen, wenn man mit jemandem für den nächsten Film networken kann?“, so Carter.
Die Oscarpartys wurden schnell so eine große Sache, dass die Redakteurin, die die Gästeliste betreute, bestochen, bedroht und sogar angegriffen wurde. Ein saudischer Prinz, so Carter, habe einmal bis zu 250.000 Dollar geboten, um dabei sein zu können. Aber der Auftrag, der Fokus sei für ihn und seine Mitarbeiter ganz klar gewesen: „So viele Filmstars, und vor allem so viele Filmstars mit Oscars wie nur möglich, in einen Raum zu bekommen“, sagt Carter.
Die Tür wurde von einem Feuerwehrmann überwacht und wer eine der goldenen Figuren dabei hatte, durfte die „Fast Lane“ nehmen, ohne Anstehen. Der Rest musste warten und manch einer wurde auch wieder nach Hause geschickt. Die Menschen dachten sich die abstrusesten Dinge aus. Einmal, so erinnert sich Carter, sei ein Mann im Smoking mit einem kleinen Ferkel gekommen und habe behauptet, das sei der Titelheld aus dem nominierten Film „Ein Schweinchen namens Babe“. Und man habe die beiden auch hereingelassen. Später sei aber klar geworden, dass es nicht das echte „Babe“ war.
Heute würde er keine Oscarparty mehr schmeißen, sagt Graydon Carter, eher eine Emmy-Party, weil das, was man nun im TV sehe, inzwischen relevanter sei. „Ich habe die Oscar-Verleihung seit sieben Jahren nicht mehr verfolgt.“
Graydon Carter holte 2017 Meghan Markle aufs Cover
Einer seiner letzten Scoops war im Jahr 2017 das Cover mit Meghan Markle, als diese nur die Freundin von Prinz Harry war. Carter gibt zu, sie nicht gekannt zu haben, als seine Mitarbeiterin sie für den Titel vorschlug. Im Interview dann habe Meghan Markle sich beschwert, ob das hier nun um Prinz Harry gehen würde, sie wolle doch lieber über ihre Charity-Aktivitäten sprechen. „Diese Frau ist etwas realitätsfern“, sagt Carter zu, „Page Six“.
Prinz Harry und Meghan Markle im Jahr 2017. Sie zierte eines der letzten Cover von Vanity Fair, das Graydon Carter verantwortete. Ein Jahr später heiratet sie den Prinzen
© Chris Jackson
Am Ende seines Buches gibt der 75-Jährige noch einen Tipp für ein erfolgreiches Leben: Man solle immer offen für Neues sein. Und: „Planen Sie ihren Abgang schon vor ihrem Einstieg.“ Für ihn ist es gut gelaufen, auch nach „Vanity Fair“. 2019 brachte er zusammen mit der „New York Times“-Reporterin Alessandra Stanley den erfolgreichen digitalen Newsletter „Air Mail“ heraus. Und er ist Miteigentümer des Restaurants „Waverly Inn“, in dessen Nähe er in New York auch wohnt.
Im Journalismus hat er die fetten Jahre mitgenommen. Eine Zeit, in der nichts unmöglich schien und die Mittel scheinbar unerschöpflich waren. „Man weiß nie, wann man sich in einem goldenen Zeitalter befindet“, sagt Graydon Carter heute. „Man merkt erst, dass es ein goldenes Zeitalter war, wenn es vorbei ist.“
Quellen: Page Six, New York Times