Urteil des Oberlandesgerichts: Schuldspruch im „Reichsbürger“-Prozess – aber keine Strafe

Eine Frau aus dem Landkreis Hildesheim steht wegen ihrer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht – die Richter sprechen sie schuldig. Aber wieso wird sie nicht bestraft?

Der Prozess um einen von sogenannten „Reichsbürgern“ geplanten Umsturz endet mit einem überraschenden Urteil: Das Oberlandesgericht Celle hat eine 39-Jährige schuldig gesprochen – aber auf eine Strafe verzichtet. 

Grund sei die tätige Reue der Frau, die sich frühzeitig der Polizei anvertraut habe, teilte das Gericht mit. Die 39-Jährige beteiligte sich nach Überzeugung der Richter im Jahr 2022 an der Planung eines gewaltsamen Umsturzes in Deutschland. Doch nach dem Ende der Beweisaufnahme beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, die Angeklagte freizusprechen. Auch die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es war der erste Prozess im Kontext der sogenannten „Kaiserreichsgruppe“ in Niedersachsen. 

Gewaltsamer Umsturz geplant

Verurteilt wurde die Frau aus dem Landkreis Hildesheim wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund. Für kurze Zeit beteiligte sie sich demnach 2022 als Mitglied der sogenannten „Kaiserreichsgruppe“ an der Planung eines gewaltsamen Umsturzes. Die Gruppe wollte eine neue Verfassung nach Vorbild des Kaiserreichs von 1871 einführen. 

Nach Überzeugung der Richter war die 39-Jährige im Januar 2022 bei einem Treffen der Gruppe, demnach „tat sie sich dabei besonders mit Ratschlägen zur Internetsicherheit und zu einer Entführung des Bundesgesundheitsministers hervor“. Die Gruppe plante den Angaben zufolge auch die Entführung des Bundesgesundheitsministers und SPD-Politikers Karl Lauterbach.

Gericht: Urteil bedeutet keinen Freispruch

Im Februar 2022 distanzierte die Frau sich nach Überzeugung der Richter von der Gruppe, informierte die Polizei und sagte in mehreren Verfahren als Zeugin aus. So sagte sie den Angaben zufolge etwa im Prozess gegen die vier mutmaßlichen Rädelsführer am Oberlandesgericht Koblenz aus. Diese wurden Anfang März zu Haftstrafen zwischen knapp sechs und acht Jahren verurteilt. 

Das Oberlandesgericht Celle betonte, dass das Urteil keinen Freispruch bedeute. Die kurzzeitige Beteiligung der Frau genügte demnach aus der Sicht des Senats, um Straftatbestände zu erfüllen. Daher sei sie schuldig gesprochen worden und müsse die Verfahrenskosten tragen, eine Geld- oder Freiheitsstrafe sei aber nicht verhängt worden. 

Tätige Reue

Der Grund: Das Strafgesetzbuch erlaube für den Fall tätiger Reue bei bestimmten Straftaten eine Ausnahme vom Strafrahmen. Dieser sehe für die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund Strafen zwischen einem Jahr und zehn Jahren vor, der Strafsenat habe aber von der Möglichkeit der Ausnahme Gebrauch gemacht. Für die Frau spreche auch, dass ihre Beiträge zu der „Reichsbürger“-Verschwörung „von eher untergeordneter Bedeutung waren“.

In seinem Plädoyer Mitte März hatte der Oberstaatsanwalt bereits gesagt, die Tatvorwürfe hätten sich nicht bestätigt. Im Februar 2022 sei die Frau am Rande einer Demonstration gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen aktiv auf die Polizei zugegangen und habe die Behörden gewarnt. In der Folge habe sie sich passiv verhalten. „Ich glaube auch, dass sie Angst vor Repressalien der Gruppe hatte“, sagte der Anklagevertreter.

Verurteilte: „Die sind völlig gewissenlos gewesen“

Die Verurteilte hatte Mitte Februar geschildert, wie sie von der „Kaiserreichsgruppe“ angeworben werden sollte. Bundesgesundheitsminister Lauterbach sollte entführt und ein bundesweiter Stromausfall herbeigeführt werden. „Die sind völlig gewissenlos gewesen, denen war völlig egal, dass Menschen sterben werden“, sagte sie damals. Die Frau aus Niedersachsen hatte an zwei Treffen der Verschwörer teilgenommen, und zwar in Schlotheim in Thüringen sowie im niedersächsischen Verden.

Binnen einer Woche kann die Verurteilte nach Angaben des Gerichts Revision einlegen, über die der Bundesgerichtshof entscheiden müsste. Für sie gilt deshalb weiter die Unschuldsvermutung.

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